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Bilanz nach der Wende Spediteure über die Ost-West-Entwicklung

Ostdeutschland: 20 Jahre Deutsche Einheit – trans aktuell hat sechs Spediteure aus den neuen Bundesländern befragt, welche Bilanz sie nach der Wende ziehen.

Am 3. Oktober feierte Deutschland 20 Jahre Deutsche Einheit. Vieles hat sich in den vergangenen zwei Jahrzehnten verändert und entwickelt. Doch hat sich auch alles zum Positiven gewendet? trans aktuell wollte wissen, wie Speditionen aus den neuen Bundesländern die Zeit seit der Wiedervereinigung empfunden und welche Entwicklungen sie vollzogen haben. Die Deutsche Einheit hat den Betrieben der ehemaligen DDR ein wirtschaftliches Wachstum und die Chance zur Entfaltung ermöglicht, darin sind sich alle befragten Spediteure einig. »Was wir seit der Wende erreicht haben, wäre unter alten Bedingungen nicht möglich gewesen«, sagt Peter Kretzschmar, Geschäftsführer der Spedition Kretzschmar aus Crimmitschau in Sachsen. Dennoch sei heutzutage vieles schwieriger geworden, und das unternehmerische Risiko hat sich mit den Jahren verstärkt. Unannehmlichkeiten wie eine zunehmende Bürokratie und rechtliche Schwierigkeiten erschweren laut Kretzschmar den Speditionsalltag zusätzlich. Diese Aspekte sieht auch Ramona Sabelus, Geschäftsführerin von RS Medi-Trans aus Senzig in Brandenburg: »Die Branche ist komplizierter geworden. Mit der zunehmenden Anzahl von Vorschriften und Gesetzen wird uns die tägliche Arbeit erschwert. Früher tickten die Uhren etwas langsamer.« Trotzdem haben sich auch für sie die Geschäfte positiv entwickelt. Nach der Wende habe man sich in Verbänden organisiert und neues Wissen angeeignet, um in der Marktwirtschaft bestehen zu können. »Wir haben die Schiene der einfachen Transporte von A nach B verlassen, hin zu übergreifender und kreativer Logistik«, erläutert Sabelus.
Auch die seit 1919 bestehende Spedition Gebrüder Rost aus Vacha in Thüringen musste den Betrieb nach der Wiedervereinigung umstrukturieren und anpassen. Am Aufbau des damals geplanten neuen Standorts zeigte sich die problematische Seite der Deutschen Einheit: Als ehemaliges DDR-Unternehmen war es schwierig, ein Grundstück zu erwerben. Westdeutsche Betriebe hatten oftmals Vorrang und auch das Vertrauen der Behörden war nach Firmenauffassung gering. Dennoch wuchs die Spedition während 20 Jahren Deutscher Einheit zu einem überregionalen Unternehmen, nicht zuletzt auch durch Kunden aus den alten Bundesländern. Doch früher war nicht alles schlechter. Nach Angaben der Spedition war damals der Druck nicht so groß wie heute. Das liege auch an der zunehmenden Schnelllebigkeit der Branche.

Jürgen Beese, Geschäftsführer der B&H Spedition aus Fröttstädt, gründete erst nach der Wende sein Unternehmen in Thüringen. Für den Aufbau und die Entwicklung seiner Spedition halfen ihm Kooperationen mit Partnern aus den alten Bundesländern und die Unterstützung durch regionale Verkehrsbehörden. »Die heutigen materiellen und wirtschaftlichen Voraussetzungen, gepaart mit dem Improvisationstalent aus DDR-Zeiten, haben unser Wachstum erst zugelassen«, so Beese. »Damals wurden wir gestaltet, heute können wir selbst gestalten.«  Für die DHT Speditionsgesellschaft aus Poppendorf in Mecklenburg-Vorpommern sind 20 Jahre Deutsche Einheit gleichzusetzen mit 20 Jahren wirtschaftlicher Selbstständigkeit. »Ohne die Deutsche Einheit würde es unser Unternehmen nicht geben«, erklärt Geschäftsführer Mathias Glöde. Er zieht demnach eine sehr positive Bilanz, allerdings mit Einschränkungen: »Einerseits stehen uns viel mehr Möglichkeiten offen als früher, andererseits werden diese von teilweise erheblichen Risiken beeinträchtigt.« Als Beispiel nennt er Kosten durch die Erhöhung der Lkw-Maut oder den Anstieg der Kraftstoffpreise, die der ganzen Branche zu schaffen machen.

Von den Schwierigkeiten, die einer frisch gegründeten Firma in einem neuen Bundesland begegnet sind, spricht auch Michael Lange. Für den Chef von T&P Transport Logistik Service aus Frankfurt (Oder) in Brandenburg war es anfangs schwierig, sich gegen große, von Auftraggebern häufig bevorzugte Betriebe aus den alten Bundesländern durchzusetzen. Trotzdem gelang es seiner Spedition, die Chancen, die sich mit der Deutschen Einheit ergaben, zu nutzen und sich in der Region zu etablieren. Er profitierte auch von der langfristigen Zusammenarbeit mit einem westdeutschen Unternehmen. So positiv lief es allerdings nicht immer. »Als kostengünstiger Subunternehmer wurden wir an anderen Stellen zu teilweise grenzwertigen Konditionen ausgenutzt«, bilanziert Lange. »Aber nicht immer hatten wir die Wahl, solche Aufträge abzulehnen«. 

Ein Problem sieht er heutzutage in der gesellschaftlichen Anerkennung der Branche. »Früher gab es eine ganz andere Wertschätzung der Arbeit der Transporteure.« Das Transportgewerbe habe vor der Deutschen Einheit in Ost und West einen wichtigen Beitrag zum Aufbau nach dem Krieg geleistet. Heutzutage fänden Leistungen des Gewerbes kaum mehr Anerkennung.
Trotzdem ist die Bilanz der befragten Spediteure einstimmig eine positive. Zwar ist der Arbeitsalltag heutzutage härter und schnelllebiger geworden, aber die 20 Jahre Deutsche Einheit haben den Unternehmen durchweg Wachstum und Entwicklung beschert. Das wäre ohne die Wiedervereinigung nicht möglich gewesen.

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