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Sozialdumping Auch Frankreich reagiert mit harten Strafen

Frankreich, Polizei Foto: Jan Bergrath

Frankreich will mit scharfen Bußgeldern gegen Sozialdumping und unlauteren Wettbewerb im Straßentransport vorgehen. Die International Road Transport Union wirft dem Land Protektionismus vor.

Frankreich will die Einhaltung der Lenk- und Ruhezeiten ((EG) Nr. 561/2006) erzwingen und hat dazu am 10. Juli ein neues Gesetz in Kraft gesetzt. Verbringen Fahrer ihre wöchentliche Ruhezeit von 45 Stunden im Lkw, droht dem Unternehmen eine Geldstrafe in Höhe von 30.000 Euro und dem Verantwortlichen ein Jahr Gefängnis. Die gleiche Strafe kann verhängt werden, wenn Fahrer nach zurückgelegten Kilometern oder dem Transportvolumen entlohnt werden. Da noch keine detaillierten Ausführungsbestimmungen vorliegen, würden die Kontrollen derzeit aber tolerant ausfallen, sagt der Sprecher der französischen Branchenorganisation Fédération Nationale du Transport Routier (FNTR), Nicolas Paulissen, gegenüber trans aktuell.

Auftraggeberhaftung mit saftigen Strafen

Der französische Vorstoß hat in der Branche offenbar wie eine Bombe eingeschlagen, denn bei FNTR in Paris laufen die Telefone heiß. Anrufer von überall her wollen wissen, was sie erwartet, aber bislang liegt nur der nackte Gesetzestext vor. Kernpunkt ist eine umfassende Auftraggeberhaftung mit saftigen Strafen. Bei rechtmäßiger Verurteilung können Unternehmen bis zu zwei Jahre auf einer "Schwarzen Liste" im Internet registriert werden, auch der organisierten Kriminalität wird der Kampf angesagt. Weiter werden die Kabotage-Regelungen auf Fahrzeuge unter 3,5 Tonnen ausgeweitet. Bei Nichtbeachtung drohen hier zusätzlich zur Stilllegung des Fahrzeugs 15.000 Euro Strafe und ein Jahr Gefängnis. Das neue Gesetz macht ferner den Einspruch Dritter wie Gewerkschaften zugunsten betroffener Arbeitnehmer möglich.

"Frankreich ist Vorreiter gegen das Sozialdumping"

Mit zwei Jahren Vorsprung und in verschärfter Form setzt Frankreich so die vom EU-Parlament im April angenommene Entsenderichtlinie um und sieht auch die Fahrer hier eingebunden. "Mit diesem Gesetz ist Frankreich Vorreiter gegen das Sozialdumping in Europa", sagt der Abgeordnete der französischen Nationalversammlung, Gilles Savary, auf den der Entwurf zurückgeht. Savary kennt die Branche, schließlich war er als Europa-Abgeordneter sieben Jahre lang stellvertretender Vorsitzender des Verkehrsausschusses. Frankreich kämpfe derzeit dafür, dass die EU-Kommission die Harmonisierung der Sozialgesetzgebung und insbesondere einen Mindestlohn auf die Tagesordnung setze, bevor es zu weiteren Liberalisierungen komme, betont er.

IRU übt Kritik

Das stößt nicht überall auf Gegenliebe. Die Internationale Straßentransport Union (IRU) hat an die EU, die Mitgliedsstaaten und die Strafverfolgungsbehörden appelliert, dringend auf die "jüngsten nationalen protektionistischen Maßnahmen innerhalb der Sozialgesetzgebung im Straßentransport zu reagieren, insbesondere, was die unangemessenen Strafen für die reguläre wöchentliche Ruhezeit in Fahrerkabinen" angehe. Neben Frankreich hat auch Belgien beschlossen, die illegalen Wochenenden im Lkw zu ahnden. Zwar droht hier kein Freiheitsentzug, aber eine Geldstrafe in Höhe von 1.800 Euro.

IRU befürchtet Flickenteppich nationaler Regelungen

Die IRU befürchtet nicht nur, dass wieder ein Flickenteppich nationaler Regelungen entstehen könnte. Das französische Gesetz habe unter den Unternehmen auch für große Verunsicherung gesorgt, da die genaue Umsetzung ungeklärt sei. "Niemand weiß, wofür es eine Strafe in welcher Höhe gibt", sagt der IRU-Vertreter in Brüssel, Michael Nielsen, gegenüber trans aktuell. Er hält die Höhe der Strafen für inakzeptabel. Schließlich habe die EU-Kommission die Verletzung der Ruhezeiten-Regelung am Wochenende bisher nicht als schweren Verstoß angesehen.

Spediteure könnten ins Visier der eigenen Aufsichtsbehörde geraten

Von Protektionismus ist bei FNTR in Paris keine Rede. Hier wird vielmehr befürchtet, dass verstärkt französische ­Spediteure ins Visier der eigenen Aufsichtsbehörden geraten. "Sie sind viel leichter zu kon­trollieren, es gibt keine Sprachschwierigkeiten und man kann die Unternehmen hier vor Ort zur Verantwortung ziehen", sagt Paulissen. Er wünscht sich ein Moratorium für die Kontrollen. Denn obwohl das neue Gesetz in Bezug auf die wöchentliche Ruhezeit nur bestehende EU-Regelungen noch einmal deutlich mache, werde es schwierig, diese von heute auf morgen umzusetzen. So sei es in manchen Regionen für die Fahrer zumindest im Sommer fast unmöglich, ein Hotelzimmer zu finden. Außerdem gebe es Sicherheitsrisiken: "Wer lässt einen Tanklastzug oder einen Lkw voller Handys über Nacht schon gern allein?"

EU müsse europäische Regelung für mobile Arbeitnehmer finden

Grundsätzlich müsse die EU-Kommission eine europäische Regelung für mobile Arbeitnehmer finden, verlangt Paulissen. Mit der Entsenderichtlinie allein bekomme man das Problem unterschiedlicher Sozialstandards nicht in den Griff. "Dann müsste man ja bei internationalen Transporten die Löhne aller durchquerten Länder zugrunde legen." In jedem Fall liegt der Ball jetzt beim neuen Verkehrskommissar, der erst noch bestimmt werden muss. Die Brüsseler Behörde hat laut IRU jedenfalls von Frankreich bereits eine Erklärung eingefordert. Sie will untersuchen, ob die Prinzipien der Verhältnismäßigkeit und der Nicht-Diskriminierung gewahrt werden.

Ecotaxe wird Transitgebühr

Die "Ecotaxe" ist tot − es lebe die Transitgebühr. Ab 1. Januar 2015 soll es in Frankreich nun doch eine Lkw-Maut geben. Sie gilt für Lkw über 3,5 Tonnen auf einem etwa 4.000 Kilometer langen Netz von National- und Landstraßen, auf denen mehr als 2.500 Lkw pro Tag fahren. Die durchschnittliche Gebühr beträgt 0,13 Cent pro Kilometer, die Schadstoffklasse und die Zahl der Achsen fließen in die Berechnung ein. Die Abgabe gilt für alle Fahrzeuge und nicht nur für ausländische, wie zunächst von Umweltministerin Ségolène Royal geplant. Sie ist zweckgebunden und soll dazu verwendet werden, die Infrastruktur im Land auf Vordermann zu bringen.

Im Vergleich zum Vorgängermodell fallen die Einnahmen mickrig aus, denn das ursprüng­liche Ecotaxe-Netz war 15.000 Kilometer lang. Von diesem hatte die Regierung nach Protesten in der Bretagne Abstand genommen, die Abgabe wurde im vergangenen Herbst zunächst auf unbestimmte Zeit ausgesetzt. Statt über eine Milliarde Euro fließt nur noch die Hälfte des Geldes in die Kassen, schätzt Finanzminister Michel Sapin. Dutzende Projekte für einen nachhaltigen Verkehr liegen erst einmal auf Eis.
Die Wiederbelebung der "Ecotaxe" als "Transitgebühr" gefällt den französischen Verbänden der Transportbranche genauso wenig wie die alte Ökosteuer. Sie drohen für September mit landesweiten Aktionen. Der Branchenverband Fédération Nationale du Transport Routier (FNTR) kritisiert: Die Abgabe betreffe in erster Linie französische Unternehmen und insbesondere lokale Verkehre.

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