Siegel statt Kontrolle Grenzabfertigungen vereinfachen

Austria: Refugees gather at border crossing in Salzburg Foto: CHRISTIAN F. LOWS

Das Land Österreichisch will die Abfertigung an der Grenze vereinfachen.

Grenzkontrollen gehören in Europa wieder zum Alltag. Und die damit verbundene Warterei kommt die Branche teuer zu stehen. Als besonders heikel wird die Lage am Ende der von Flüchtlingen stark genutzten Balkanroute in Österreich eingeschätzt. Dort unternimmt die Wirtschaft nun einen Vorstoß, um den Lkw-Verkehr flüssig zu halten. "Wir möchten, dass möglichst schnell Transportkorridore an den Grenzen geschaffen werden", sagt Alexander Klacska, Obmann der Bundessparte Transport und Verkehr in der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ).

Eine zusätzliche Spur, auf der die Lkw vorbeigeleitet werden, hält er für dringend erforderlich. Klacska führt selbst ein Unternehmen mit rund 500 Fahrzeugen. "Die Grenzkontrollen zwischen Deutschland und Österreich blockieren uns ex­trem", betont er und spricht von zusätzlichen Kosten von etwa 10.000 Euro pro Tag im eigenen Betrieb. "Wo früher von Deutschland aus fünf bis sechs Fahrten in Richtung Tirol oder Salzburg gemacht werden konnten, sind es aufgrund der Wartezeiten derzeit nur noch drei bis vier", erläutert er. Bei jedem Grenzübertritt geht Produktivität verloren. 

Wenn an allen österreichischen Grenzen wieder durchgängig kontrolliert würde, könnte das die betroffenen Transport- und Logistikunternehmen 8,5 Millionen Euro zusätzlich kosten. Jeden Tag. Das hat eine Berechnung der WKÖ ergeben. Dafür wurde die Zahl der aus- und einreisenden Lkw mit einer durchschnittlichen Wartedauer von drei Stunden multipliziert und die Kosten pro Stunde mit 50 Euro angesetzt. 

Kosten von 18 Milliarden

Auch in Frankreich hat man versucht, das Ende von Schengen zu berechnen. Die Denkfabrik der Regierung France Stratégie kam dabei auf Kosten von 110 Milliarden Euro für einen Zeitraum von zehn Jahren. Der Transportsektor wäre mit zwölf Prozent dabei. Berechnungen der EU-Kommission zufolge könnten flächendeckende Grenzkontrollen jährliche Kosten bis zu 18 Milliarden Euro bedeuten. 

Die Szenarien könnten schneller als befürchtet Realität werden. Gerade hat Deutschland die Mitte Februar auslaufenden Kontrollen bis zum 13. Mai verlängert, mit Schwerpunkt Österreich. Der Alpenstaat selbst baut die Kontrollen aus und will nur noch etwa 100 Flüchtlinge täglich aufnehmen. Klar ist auch: Je mehr Abschottung, umso mehr muss damit gerechnet werden, dass Menschen versuchen, illegal ins Land zu kommen. Auch an Bord von Lkw. Verhindern ließe sich das, wenn überhaupt, nur mit zeitraubenden Kontrollen an der Grenze. Zwar sind die im Schengen-Raum eigentlich nur auf sechs Monate befristet möglich. Eine Ausweitung auf zwei Jahre wird aber in Brüssel geprüft.

Deshalb haben Transportunternehmer jetzt im Wiener Innenministerium vorgesprochen und im Verkehrsministerium waren sie auch. Mit einer relativ einfachen Idee: "Wir wollen unsere Fahrzeuge mit reflektierenden Folienstreifen versiegeln", sagt Klacska. "Wir sind ja ohnehin verantwortlich für unsere Lkw und dafür, was in unseren Laderäumen passiert." Drei Klebestreifen, 20 bis 30 Zentimeter lang, sollen über die Ladebordwand geklebt werden. Das zuvor regis­trierte Fahrzeug rolle dann auf der separaten Spur an die Grenze, per Sichtkontrolle werde das Siegel gecheckt. So lasse sich vermeiden, dass künftig auch noch unter die Plane geschaut werden muss.

Beim Landesverband bayerischer Spediteure (LBS) findet das Vorhaben Zustimmung. "Alles, was die Überquerung der Grenzen beschleunigt, ist willkommen", sagt LBS-Geschäftsführerin Edina Brenner. Auch Michael Nielsen von der Brüsseler Vertretung der Internationalen Straßentransport Union (IRU) hält den Klebestreifen für eine gute Idee. Grundsätzlich aber sollte die EU sich an ihren Außengrenzen absichern und so verhindern, dass sich der Schengen-Raum auflöst. BGL-Hauptgeschäftsführer Prof. Dr. Karlheinz Schmidt setzt dagegen auf eine schnellstmögliche Bekämpfung der Fluchtursachen. "Calais ist mittlerweile überall", warnt er. 

In einer Woche startklar

In Österreich ist der WKÖ-Vorschlag auf offene Ohren gestoßen und wird in den Ministerien diskutiert. Damit das Ganze klappt, müsste auch Deutschland überzeugt werden. "Unser System könnte innerhalb einer Woche eingerichtet werden, wenn die Streifen gedruckt sind", sagt Klacska. Es wäre für jede Grenze geeignet und könnte jedem registrierten EU-Unternehmer zur Verfügung gestellt werden.

Dieser Artikel stammt aus diesem Heft
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