Selbstständigkeit So wird man sein eigener Chef

Lkw und Pkw auf einer Autobahn Foto: Alev Atas/ETM

Selbstständig sein ist für viele Lkw-Fahrer eine verlockende Idee. Doch man muss einiges beachten, um erfolgreich zu sein. FERNFAHRER und eurotransport.de zeigen die wichtigsten Schritte auf.

Das Edelrestaurant der Stadt mit erlesenen Weinen aus der Region exklusiv beliefern: So könnte die Geschäftsidee für das eigene Unternehmen lauten. Damit es mit der Selbstständigkeit auch in der so hart umkämpften Transportbranche klappt, bedarf es aber viel mehr als nur einer Idee.

Als Erstes: des Blicks in den Spiegel und einer selbstkritischen Betrachtung der eigenen Persönlichkeit. Auf Fragen wie „Habe ich genügend Selbstdisziplin?“, „Kenne ich mich in Betriebswirtschaft und auf dem Transportmarkt aus?“ oder auch „Bin ich bereit, 12 bis 16 Stunden täglich zu arbeiten und die nächsten Jahre auf Urlaub zu verzichten?“ sollte jeder Selbstständige in spe ehrlich antworten. Gesundheit, Familiensituation und Risikobereitschaft sollten Unternehmensgründer auch ins Kalkül ziehen.

Lebensunterhalt muss kalkuliert werden

Kalkulieren muss der Gründungswillige dann auch im zweiten Schritt: die Kosten für den eigenen Lebensunterhalt. Ein Haushaltsbuch ist das geeignete Mittel, um den Überblick über Miete, Versicherungen, Kleidung, Vorsorge, Pkw und Hobby zu bekommen. Ein halbes Jahr lang ist die Mindestzeitspanne einer solchen Kostenbeobachtung, rät der Bundesverband der Transportunternehmen e. V. (BVT). Hinzu kommen die Betriebskosten eines geplanten Unternehmens.

Drittens sollte die eigene berufsspezifische Qualifikation auf den Prüfstand. Vorbereitungs- und Weiterbildungskurse im rechtlichen oder kaufmännischen Bereich bedeuten zunächst Fleißarbeit und zusätzliche Kosten. Dekra-Akademien und weitere ortsansässige Veranstalter bieten solche Seminare zur Vorbereitung auf die IHK-Prüfung an. Allein die Fachkundeprüfung schlägt schon mit 450 Euro Gebühr zu Buche.

Existenzgründer muss Rechtslage kennen

Parallel dazu sollte der Existenzgründer die Rechtslage genauestens studieren: angefangen bei der Berufszugangsverordnung für den Güterkraftverkehr über das Handelsgesetzbuch bis hin zum Güterkraftverkehrsgesetz (siehe auch Seite 28-29). Beispielsweise regelt das Transportrecht im Handelsgesetzbuch vom Frachtvertrag bis hin zur Haftung alle wichtigen Fragen des Transportwesens. Spätestens nach dessen Lektüre wird klar, dass der Wunsch nach Selbstständigkeit auf keinen Fall aus einer Laune heraus entstehen darf.

Freilich, das Ideal des allwissenden Selbstständigen ist ein Trugbild. Es ist schließlich noch kein Meister vom Himmel gefallen. Rat und gute Informationsmöglichkeiten bieten öffentliche Beratungsstellen, die IHK oder Verbände. Insbesondere, wenn es darum geht, die Branche zu analysieren. Eigene Marktchancen richtig einzuschätzen und die Geschäftsidee konkurrenzfähig zu platzieren erfordert Sachkenntnis. Um diese zu erwerben, sind jede Menge Zeit und gründliche Recherche nötig. Wenn die Recherche abgeschlossen ist, gibt ein Businessplan den Ergebnissen eine feste Struktur. Diese ist wichtig, wenn es darum geht, Investoren von seinem Geschäftskonzept zu überzeugen. Fakten sind gefragt und mit diesen muss ein Businessplan punkten.Einzelheiten und wichtige Links zum Businessplan finden Sie im Artikel "Zur Sache: Businessplan" auf diesem Portal.

Suche nach der passenden Geschäftsform

Mit ihm und der richtigen Finanzierung ist es aber leider noch lange nicht getan. Behördengänge stehen in der Gründungsphase besonders im Mittelpunkt. Auch hier sollte der Geschäftsgründer eine Beratungsstelle konsultieren. Schließlich braucht die junge Firma eine passende Geschäftsform. Hinzu kommt die Gewerbeanmeldung beim örtlichen Gewerbeamt. Dieses informiert in der Regel weitere wichtige Instanzen, die eine Neuexistenz betreffen: das Finanzamt, die Industrie- und Handelskammer, das Registergericht und die Berufsgenossenschaft. Für Letztere besteht Mitgliedspflicht. Der Jahresbeitrag liegt bei rund 500 Euro. Für die Beförderung von Gütern mit einem Gesamtgewicht von über 3,5 Tonnen ist außerdem eine Erlaubnis der zuständigen Verkehrsbehörde nötig. Eine solche Erlaubnis setzt die persönliche und fachliche Eignung sowie finanzielle Leistungsfähigkeit voraus.

Für selbstfahrende Unternehmer sind zudem Versicherungen unerlässlich: eigene Kranken-, Unfall-, Berufsunfähigkeits- und Lebensversicherung und die der Familie. An die Altersvorsorge sollte der Selbstständige auch denken. Außerdem müssen Frachtführer und Speditionen laut Güterkraftverkehrsgesetz ihren Transport mit mindestens 600  Euro je -Schadensereignis versichern. Gegen Schadensersatzforderungen für Personen- und Sachschäden schützt eine Betriebs-haft-pflichtversicherung. Die jährliche Beitragshöhe richtet sich nach  der Anzahl der Mitarbeiter. Bei einem Kleinbetrieb mit maximal drei Mitarbeitern sind es zwischen 250 und 500 Euro im Jahr.

Lkw anfangs erstmal mieten

Erst nachdem all diese Hürden genommen und die Kosten dafür bilanziert sind, geht es an die Beschaffung eines Transportmittels. Der BVT rät dazu, ein Fahrzeug zumindest am Anfang zu mieten. Eine langjährige Bindung an einen Leasing- oder Kaufvertrag stellt in dem instabilen Transportgewerbe ein zu großes finanzielles Risiko dar. Bei der Fahrzeugauswahl sollte also die Rationalität vor den eigenen Wunschträumen rangieren.

Im Zuge der Branchenanalyse und der Erstellung eines Businessplans ermittelt ein vorausschauender Unternehmer potenzielle Kunden und Auftraggeber. Nach einer offiziellen Unternehmensgründung steht etwaigen Vertragsabschlüssen dann nichts mehr im Wege. Dabei gilt aber auch: nicht voreilig sein. Die größten Fehler resultieren aus Selbstüberschätzung und überstürzt getroffenen Entscheidungen. Ein weiterer Grund für das Scheitern ist die fehlende Zahlungsmoral der Geschäftspartner. Zudem sollte jeder zukünftige Chef an die Rücklagen für Steuern und die Steuervorauszahlung denken. Erst wenn all diese Punkte geklärt sind, kann die Idee zur Realität werden.

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