Schenker Deutschland Stromer in den Startlöchern

Koffersattelzug Typ Renault bei Warschau Foto: Bartlomiej Banaszak

Schenker Deutschland findet Gefallen am Elektro-Antrieb. Der Logistiker testet ein Fahrzeugkonzept, das bei Nutzlast und Reichweite einem herkömmlichen Verteiler ebenbürtig ist.

Für Schenker Deutschland ist ein neues Verteilerfahrzeug normalerweise keine große Sache. Wenn jedoch die Abteilung Zentrale Innovation die Spezifikation bestimmt, zieht ein Hauch von Zukunft durch den Fuhrpark. Die Fachleute in Kelsterbach treibt derzeit die Frage um, ob ein Elektro-Lkw im Nahverkehr ähnliche Anforderungen erfüllen kann wie ein klassischer Verteiler.

"Wir hätten uns ein Fahrzeug auf dem Markt gekauft. Allerdings ist bei keinem Hersteller ein Angebot in Sicht", sagt Betriebswirt Thomas Rudolf von der Innovationsabteilung. Mittlerweile nimmt der Logistiker die Lösung des Problems selbst in die Hand. Gemeinsam mit dem Institut für postfossile Logistik in Münster sowie dem Institut für Elektromobilität der Hochschule Bochum und weiteren Partnern hat Schenker im Mai 2013 das Projekt Zemi-sec (zero emission silent electric carriage) ins Leben gerufen.
"Zemi-sec schreibt sich ein Fahrzeug- und Logistikkonzept für einen lärm- und emissionsfreien Warenverkehr in Ballungsräumen auf die Fahne", sagt Prof. Dr. Karl-Georg Steffens vom federführenden Institut für postfossile Logistik. Der Wissenschaftler ist davon überzeugt, dass der Elektro-Antrieb auf mittlere Sicht im Speditionsgeschäft eine Perspektive hat.

Am Anfang steht das Logistikkonzept

Eine Schlüsselrolle könnte dabei Zemi-sec spielen. Das Forschungskonsortium hat einen neuen Ansatz entwickelt, um die Anforderungen der Logistik mit den Möglichkeiten der E-Mobilität in Einklang zu bringen. Die Gretchenfrage lautet nicht mehr, wie sich mit einem vorhandenen Elektrofahrzeug eine Tour im Nahverkehr realisieren lässt. Vielmehr lautet die Frage: Wie muss ein Fahrzeug beschaffen sein, damit es eine bestimmte Tour bedienen kann? Am Anfang steht das Logistikkonzept, die technische Spezifikation erfolgt im zweiten Schritt.

Das Logistikkonzept stellt Schenker aus dem aktuellen Portfolio der Niederlassung im Kölner Stadtteil Zollstock. Die Referenzstrecke führt vom Güterzentrum durch den Stadtteil Marsdorf und in das angrenzende Frechen. Zweimal am Tag sind kleine Betriebe, Einzelhändler und Großunternehmen anzufahren. Das Ladegut befindet sich auf Paletten sowie in Kartons und bringt im Schnitt zwei bis viereinhalb Tonnen auf die Waage. Der Fahrer absolviert 8 bis 14 Stopps pro Tour, die jeweils rund vier Stunden in Anspruch nimmt. Die Strecke wartet unter anderem mit Kreisverkehren sowie mit Zonen für Tempo 30, 50 und 70 auf. Dazu kommt ein rund zwölf Kilometer langer Autobahnabschnitt.
Das Forschungsfahrzeug muss also genügend Power für eine Strecke von mindestens 120 Kilometer besitzen. Dazu ist eine ordentliche Reserve fällig, um den Feinheiten des Logistikkonzepts Rechnung zu tragen. Da einzelne Kunden auf dieser Tour eine besondere Priorität haben, muss der Fahrer die Stopps nach diesen Erfordernissen zusammenstellen.

Auch Wartezeiten und Ausliefer-Zeitfenster spielen eine Rolle

Das kann den einen oder anderen Mehrkilometer nötig machen. Auch Wartezeiten und Anliefer-Zeitfenster spielen bei der Tour eine Rolle. Was aber bedeuten diese Eckdaten für die Spezifikation des Lkw? "Wir müssen die Akkus nicht für eine möglichst große Reichweite auslegen. Da unser Fahrzeug vor allem im Teillastbereich unterwegs ist, gibt es auch immer wieder Gelegenheiten zur Rückgewinnung von Energie", erklärt Prof. Steffens. Virtuell hat der Kandidat die Aufgabe bereits gelöst. Die Simulation am Computer zeigt, dass die benötigten Kapazitäten gut darstellbar sind.

Jetzt liegt es am Forschungsfahrzeug, die Theorie in die Praxis zu überführen. Das Projektteam erfindet dazu das Rad nicht neu. Das elektrifizierte Nutzfahrzeug präsentiert sich als Transporter-Gespann, in dem ziehende und gezogene Einheit mit Plane und Spriegel ausgeführt sind. Den Spanndienst leistet ein für eine Nutzlast von 2,5 Tonnen ausgelegter Plantos von German E-Cars. Das Antriebssystem des Mercedes Sprinter besteht aus Lithium-Eisenphosphat-Akkumulatoren mit einer Energie von 60 Kilowattstunden sowie einem von Siemens hergestellten AC Asynchron-Motor mit 86 Kilowatt. Das System liefert genügend Power, um den Plantos ordentlich marschieren zu lassen. Für den Gespannbetrieb würde die Leistung aber nicht reichen. Die nötige Energie liefert der vom Institut für Elektromobilität auf die Räder gestellte Hänger.

Aluhänger hat ein eigenes Antriebssystem an Bord

Der Clou des Konzepts besteht darin, dass der Aluhänger mit einer Nutzlast von 1,7 Tonnen ein eigenes Antriebssystem an Bord hat. Das Datenblatt weist ein Paket mit Lithium-Eisenphosphat-Batterien aus, das eine nutzbare Energie von 31 Kilowattstunden bereitstellt. Das Antriebsaggregat ist eine Hybrid-Synchronmaschine des Herstellers Brusa Elektronik mit 50 Kilowatt Leistung.

"Der Beitrag des Hängers für den Vortrieb im Gespann geht soweit, dass das Zugfahrzeug keine eigene Energie aufwenden muss, um den Anhänger zu ziehen", sagt Heinz Zöllner vom Institut für Elektromobilität, der als Projekteiter die technische Umsetzung des Fahrzeugs betreut. Ein besonderes Schmankerl ist die Abstimmung der Leistung von Zugfahrzeug und Hänger. Die Forscher haben in der Deichsel einen Kraftaufnehmer integriert, der quasi als Gas- und Bremspedal für den Elektromotor des Hängers fungiert, wenn der Sensor einen entsprechenden Impuls durch das Zugfahrzeug feststellt.
Anfang nächsten Jahres soll das Elektro-Gespann den Dienst bei Schenker antreten. Ein Schönheitsfehler des Projekts lässt sich aber nicht korrigieren. Zemi-sec läuft im April 2015 aus. Schenker bleiben also für den Praxistest nur vier Monate. Trotzdem glaubt Innovationsexperte Rudolf an Ergebnisse: "Zemi-sec bietet uns die Chance, im Hinblick auf Reichweite und Nutzlast mit dem Betrieb eines Elektrofahrzeugs belastbare Erfahrungen zu machen."

Einsatz im Paketdienst denkbar

An eine Zukunft für das Gespann im Kölner Schenker-Fuhrpark glaubt Thomas Rudolf aber nicht. Dazu sei der Bedarf dort zu sehr auf den Einsatz von Solofahrzeugen ausgerichtet. Nicht ausgeschlossen ist aber, dass der Elektro-Hänger später andere Auftraggeber findet. "Das Fahrzeug lässt sich auch mit einem normalen Selbstzünder kombinieren. Denkbar wäre dann etwa eine Verwendung im Paketdienst", erklärt Projektleiter Zöllner. "Die Kraftstoffkosten für das Zugfahrzeug wären dann enorm niedrig."

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