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Riskmanagement Kleiner Hebel, großer Effekt

Lkw und Pkw auf einer Autobahn Foto: Alev Atas/ETM

Kosten sparen und Unfälle verhüten sind zwei zentrale Aufgaben eines Riskmanagers. Zusätzlich wirkt er als Schnittstelle zu Versicherung und Fahrern – mit Vorteilen für alle Seiten.

Riskmanagement ergibt immer Sinn, auch mit einem kleinen Fuhrpark. Davon ist Ralph Feldbauer überzeugt. Beim dritten trans aktuell- 
Seminar "Aus Schaden klug werden" führt der unabhängige Riskmanager und Geschäftsführer der Firma Risk Guard aus Nürnberg die Teilnehmerrunde kompetent und kompakt ins Thema ein. Dabei macht er deutlich: "Das Bauchgefühl über Anzahl und Ursachen von Unfällen hilft nicht weiter."

Schäden und deren Gründe genau kennen

"Sie müssen Ihre Schäden und deren Gründe genau kennen und gegenüber der Versicherung Transparenz schaffen", ergänzt Timon Schneider, Riskmanager der 
Zurich Gruppe Deutschland. Diese gehört nach eigenen Angaben zu den zehn größten Versicherern in Deutschland. Sie ist auch einer der großer Flottenversicherer und engagiert sich deshalb auch im Themenfeld  Riskmanagement (RM).

"Dadurch erhalten wir mehr Informationen, etwa auch über nicht versicherte Schäden", sagt Schneider, "und das hilft uns, die Flotten besser zu verstehen und Prämien entsprechend kalkulieren zu können." Zwei Möglichkeiten bietet die Zurich Gruppe mit ihrem Riskmanagement-Programm für Flotten an: Zurich Fleet Intelligence (ZFI) mit Schwerpunkt für Industrie und globale Unternehmen sowie Riskmanagement mit Schwerpunkt für Firmenflotten. Rufe eine Spedition, die RM-Kunde ist, im Schadenfall bei der Zurich an, so erklärt Schneider, lande sie nicht im Callcenter, sondern bei einem persönlichen Ansprechpartner für die Schadenabwicklung: Der Vorfall wird aus einer Hand bearbeitet und die von der Spedition berichteten Unfalldetails helfen dabei, den tatsächlichen Schaden zu ermitteln und zu begleichen – zum Wohl für Kunde und Versicherung.

Zusammenarbeit mit externen Experten

Zudem arbeite das Zurich Team neben dem Risk Engineering auch mit externen Experten zusammen – angefangen bei Riskmanager Feldbauer bis hin zu Rechtsanwälten und Fahrtrainern. Mit Erfolg, wie Schneider erzählt: In einem Fall hatte ein Fahrer bei einem Kunden auf dem Betriebshof einen Gabelstapler demoliert und vor lauter Aufregung  eine Schuldanerkennung ausgesprochen. Durch die Zusammenarbeit des Anwalts der Spedition mit dem Zurich-Schadenteam konnte ein Vergleich erzielt werden, sodass der Versicherer statt 30.000 Euro nur noch 8.000 Euro zahlen musste.

Trotz der Vorteile ist das Thema laut Schneider noch nicht bei allen Marktteilnehmern angekommen. So wird die Chance vertan, die eine Risikoeinschätzung über das Risk- management bietet. Es gibt Versicherungsmakler, die mit dem Begriff manchmal Missbrauch treiben. "Wir bekommen Makleranfragen zu Flotten mit dem Hinweis auf Riskmanagement – und diese meinen dann, die Prämie wird automatisch geringer und sie könnten dann auf weitere Angaben verzichten."

Chancen von Riskmanagement im Betrieb erkennen

Obwohl die Vorteile auf der Hand liegen, haben viele, vor allem kleinere Speditionen, weder die Notwendigkeit noch die Chancen von Riskmanagement im Betrieb erkannt, sind sich alle Referenten und Teilnehmer einig. Dabei sehe man erste Erfolge "relativ schnell", wie Feldbauer betont: In den ersten sechs Monaten kommen auch bisher verdeckte Schäden und unangenehme Themen auf den Tisch. Dann ist das Leid erst mal groß. "Wer Riskmanagement mit einem professionellen, ganzheitlichen System lebt, hat aber bereits nach einem Jahr erste messbare Ergebnisse", sagt er.

Der Fall eines mittelständischen Logistikunternehmens mit schwieriger Schadenlage verdeutlicht, wie aus einem "Exit- und Sanierungskandidaten" ein bleibender Versicherungskunde werden kann. "Wenn eine Spedition sehr dynamisch wächst, hat sie oft die Qualität ihrer Prozesse nicht mehr im Griff", ist Schneiders  Erfahrung. Sein Vorschlag: Eine Vollzeitkraft solle sich, anfänglich unterstützt durch einen externen Dienstleister, um das Riskmanagement im Betrieb kümmern. Der Erfolg: In nur zwei Jahren sinke die Schadenhäufigkeit um 53 Prozent. 

Auch bei Fuhrparks mit fünf bis zehn Lkw macht Riskmanagement Sinn

Bei einer Spedition mit großem Fuhrpark sei es zwar leichter, den wirtschaftlichen Erfolg eines solchen Prozesses zu messen. "Auch mit fünf bis zehn Lkw macht Riskmanagement Sinn, denn es erhöht die Qualität und senkt so die Unfallrisiken", so Feldbauer. Seitdem die Flottenversicherer jeden Kunden eins zu eins betrachten, schlagen sich Schäden auch direkt in der Prämie fürs Folgejahr nieder. "Je größer die Schadenhäufigkeit, desto höher und kritischer die Risikobetrachtung und desto höher die Prämie", sagt der Riskmanager. Die Versicherung kenne stets nur die Spitze des Eisbergs. 

Transparenz helfe, Vertrauen zu schaffen: "Der Fuhrparkleiter kann durch Riskmanagement und Transparenz erkennen, dass bestimmte Fahrer mit höherem Großschadenpotenzial im Risiko stehen", sagt Feldbauer. Falls es trotz aller frühzeitigen Gegenmaßnahmen zum Großschaden kommt, stellt die Versicherung das Ereignis dann voll in die Schadenaufwendungen, wenn die Transparenz und auch vertragliche Vereinbarungen dazu fehlen.

Versicherung mit einbinden

Wer sich für Riskmanagement entscheidet, sollte daher seine Versicherung mit einbinden. "Eine Großschadenkappung müssen Sie extra mit Ihrem Versicherer vereinbaren", erklärt auch Versicherungsexperte Schneider. Im Extremfall können mehrere solcher Schäden in der Statistik des Fuhrparks die Prämie auf das Doppelte anwachsen lassen und einen Kunden quasi über Nacht zum "Exit-Kandidaten" seiner Versicherung machen.

Der Faktor, auf den das Riskmanagement vor allem baut, ist neben der Technik und der Organisation der Mensch. Damit der kein Risikofaktor wird, müssen laut Schneider alle Beteiligten dauerhaft eingebunden werden. Abhängig von der Branche und Ausrichtung sind dies etwa auch der Verkaufsleiter, der Logistikleiter und der Disponent, auf alle Fälle aber auch der Betriebsrat. "Wenn die Geschäftsführung keine Unterstützung bietet, reibt sich der Fuhrparkleiter nur auf – dann lässt man besser die Finger davon", sagt Schneider. Gleichwohl müsse auch der Fuhrparkmanager Riskmanagement als Chance sehen – schließlich sei er zentraler Ansprechpartner im Unternehmen und koordiniere alle Prozesse im Fuhrpark.

Riskmanagement bietet auch im Umgang mit dem Fahrer Vorteile

Auch im Umgang mit den Fahrern biete Riskmanagement klare Vorteile, sagten die Referenten unisono. "Zum einen brauche ich den Fahrer für einen reibungslosen Betrieb. Zum anderen bin ich als Unternehmer in der Halterverantwortung auch verpflichtet, für 
Sicherheit am Arbeitsplatz zu sorgen", sagt Feldbauer.

"Das Prinzip Safety First sollte nicht nur im Umgang mit Gefahrgut, sondern bei allen Abläufen erste Priorität haben." Dazu gehört in professionellen RM-Konzepten auch, aus regelmäßigen Fahrerbesprechungen sogenannte Beinahe-Unfälle zu erfassen und mit Fahrern lösungsorientiert aufzuarbeiten. Erfährt der Chef erst im Gespräch nach dem Unfall von den finanziellen Sorgen oder persönlichen Nöten seines Fahrers, ist es eigentlich zu spät. Doch eine empathische Reaktion statt einer Abmahnung ist dann immer noch der richtige Schritt: "Ich habe meinem Fahrer ein Mitarbeiter-Darlehen angeboten", berichtet ein Seminarteilnehmer. Es muss nicht immer die große Geste sein. Manchmal haben kleine Stellschrauben große Wirkung.

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