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Versorgung von Ballungsräumen Projekt Urban Retail Logistics

Das Projekt Urban Retail Logistics schreibt sich ein neues Konzept für die Versorgung von Ballungsräumen auf die Fahne. Im Fokus stehen dabei Kooperationen zwischen mehreren Handels- und Logistikunternehmen.

Die Kunst der Logistik besteht darin, Veränderungen rechtzeitig zu erkennen. Allerdings haben derzeit wohl die wenigsten Logistiker eine klare Vorstellung davon, dass hierzulande vor allem in der Bevölkerungsentwicklung jede Menge Zündstoff für die Branche steckt. Folgt man den Prognosen der Demografen, zieht es immer mehr Menschen in die Städte, die Zahl der Ein- und Zweipersonen-Haushalte nimmt ebenso zu wie die der über 60-Jährigen. Ändern wird sich auch das Konsumverhalten, weil die Kundenwünsche individueller ausfallen. Die Gretchenfrage der Logistik könnte daher lauten: Wie muss eine Versorgung der Städte aussehen, die diese Veränderungen in ökonomischer und ökologischer Hinsicht erfolgreich bewältigt?
Bessere Antworten als der Blick in die Kristallkugel verspricht das Forschungsprojekt Urban Retail Logistics, das im Rahmen des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Effizienz Clusters Logistik Ruhr seit Mitte September aktiv ist. Die Protagonisten des Projekts sind Handelsunternehmen wie Metro, Rewe, Lekkerland und Landgard. Die wissenschaftliche Betreuung hat das Fraunhofer Institut für Materialfluss und Logistik (IML) in Dortmund inne.
»Urban Retail Logistics zielt auf die Entwicklung individueller und kooperativer Handelskonzepte sowie auf die Bündelung von Transporten«, erklärt Thomas Kahlmann, Logistikleiter der Rewe-Zentralfinanz in Köln. Ebenfalls auf der Agenda steht die Schonung von Ressourcen. Die Logistiker der Düsseldorfer Metro Group befassen sich zum Beispiel damit, für das Gemeinschaftsprojekt die künftigen Anforderungen an die Fahrzeug-Technik der beauftragten Transportunternehmen zu definieren. »Das betrifft die Festlegung von Standards zur CO2- und Feinstaubreduktion, aber auch die Verringerung der Lärmbelastung«, so Peter Kaleck, Hauptabteilungsleiter Prozessmanagement der Metro Group Logistics.

Eine grundlegender Ansatz von Urban Retail Logistics: Der Handel will künftig näher an den Kunden ran. Zusätzlich zu den klassischen Filialen sollen daher in den Stadtteilen kleinere Shops für kurze Einkaufswege sorgen. Eine Renaissance des Tante-Emma-Ladens ist damit jedoch nicht geplant. Die Shops sollen nämlich nur mit einem begrenzten Angebot in den Regalen aufwarten, darüber hinaus aber gewissermaßen ein virtuelles Sortiment anbieten. Ein mögliches Szenario: Ein Kunde versorgt sich im Laden zuerst mit seinem Grundbedarf, anschließend ordert er per Handy oder Smartphone zusätzliche Produkte und Dienstleistungen. Am nächsten Tag holt er die Tiefkühlpizza, Bücher, Medikamente und die Hemden aus der Reinigung direkt im Laden ab. Denkbar wäre es aber auch, dass sich der Kunde die bestellten Waren gleich ins Haus, zur Post oder an einen U-Bahnhof zustellen lässt – denn variable Möglichkeiten der Warenübergabe sind ein fixer Bestandteil des neuen Handelskonzepts, das die Partner jetzt im Forschungsprojekt austüfteln.
Eine Schlüsselfunktion kommt dem sogenannten Urban Hub zu. Gemeint ist ein außerhalb der Stadt eingerichteter Logistikstandort, der den Händlern offen steht und von einem neutralen Dienstleister betrieben wird. Im Urban Hub laufen die Logistikprozesse zusammen. Bestellungen werden aufgenommen, Transporte gebündelt und Fahrzeuge beladen. Eine intelligente Verknüpfung der Handelslogistik sorgt dafür, dass alle Abläufe reibungslos funktionieren. Die Basis bilden eine gemeinsame IT-Plattform und Schnittstellen, über die sich die Beteiligten zur Koordination von Dienstleistungen und Warenströmen ins System einklinken.

Für die Transportunternehmen bedeutet das Zukunftsmodell von Urban Retail Logistics, dass sie sich zur Versorgung von Filialen, Shops und Kunden auf neue Lieferketten einstellen müssen. Außerdem können bei einer Belieferung mehrere Handelsunternehmen im Spiel sein. Ein Verteiler-Lkw hätte Waren für Metro an Bord, aber auch für Lekkerland und Rewe. Das Fahrzeug selbst wäre mit neutraler Aufmachung unterwegs, könnte aber mithilfe von LED-Technik so ausgestattet werden, dass es beim Handelspartner mit dem richtigen Logo auf Plane oder Koffer vorfährt.
Kein Problem haben die Projektpartner damit, dass ihr Projekt Ähnlichkeiten mit den Konzepten der City Logistik aus den 90er Jahren aufweist. »Mit der City Logistik wollten Transporteure durch eine gemeinsame Belieferung und eine höhere Dichte von Touren und Sendungen Kosten sparen und Wartezeiten an den Rampen vermeiden. Das Ziel von Urban Retail Logistics ist hingegen die Beherrschung von hoch individualisierten Warenströmen«, sagt Projektkoordinatorin Christiane Auffermann vom Fraunhofer IML.
Die klare Ansage: Es ist zunächst einmal der Handel, der im Forschungsprojekt die Fäden der Entwicklung in der Hand hält. Die geplante Marschrichtung für Transporteure: runter mit den Schadstoffemissionen, weniger Transporte, dafür aber eine bessere Auslastung der eingesetzten Fahrzeuge. Allerdings soll sich der Service der Transportdienstleister künftig nicht auf die Beförderung der Güter von A nach B beschränken. Diskutiert wird bereits über eine aktivere Rolle, die etwa die Übernahme von Verpackungs- und Kommissionierarbeiten, aber auch den Betrieb eines kompletten Urban Hubs beinhalten kann. Eine Erkenntnis haben die Projektbeteiligten schon jetzt gewonnen: Zur erfolgreichen Entwicklung der Urban Retail Logistics gehören auch Spediteure und Transportunternehmen ins Boot.

Das Projekt
Das Effizienz Cluster Logistik Ruhr steht als einer der Gewinner der zweiten Runde des Spitzencluster-Wettbewerbs des Bundesministeriums für Bildung und Forschung fest. Seit Anfang Juli 2010 firmiert es mit 100 Millionen Euro Forschungsvolumen als das größte europäische Logistik-Forschungsprojekt. Träger des Clusters sind Akteure aus Wirtschaft, Wissenschaft und Forschung, das Ziel ist eine inhaltliche Neupositionierung der Logistik, die den ökonomischen und ökologischen Umgang mit Ressourcen in den Mittelpunkt stellt. Das auf vier Jahre angelegte Projekt »Urban Retail Logistics« ist eines von rund 30 Projekten im Forschungsverbund des Effizienz Clusters Logistik Ruhr. Der Arbeitsplan sieht bis Ende 2011 den Abschluss der Konzeptphase vor. Daran soll sich ein einjähriges Pilotprojekt anschließen, in dem die bis dahin entwickelten Parameter unter realistischen Bedingungen zum Einsatz kommen.

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