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Projekt mit Toni Maurer und Firma Wiedemann Ansorge entwickelt schweren E-Lkw

Foto: Matthias Rathmann

Der Logistikdienstleister Ansorge will einen schweren Lkw elektrifizieren, der für den speditionellen Alltag ausgelegt ist. Geplant ist der Einsatz für die permanente Werksversorgung und -entsorgung sowie für den Kombinierten Verkehr mit Gesamtgewichten von 44 Tonnen. Um die entsprechenden Kombi-Terminals in Ulm und München zu erreichen, benötigt das Unternehmen aus Biessenhofen im Allgäu Reichweiten von rund 200 Kilometern.

Die IAA ist für ihn ein Pflichttermin. Selbstverständlich wird sich Wolfgang Thoma auch dieses Jahr ein Bild von den Neuentwicklungen der Hersteller machen und das Gespräch mit seinen Fahrzeuglieferanten und Dienstleistern suchen. Noch mehr freut sich der Geschäftsführende Gesellschafter von Ansorge Logistik aus Biessenhofen aber auf die IAA 2018. Läuft alles nach Plan, wird sein Unternehmen dann selbst einen Lkw ausstellen.

Pünktlich zur nächsten Auflage der weltgrößten Fachmesse rund um Nutzfahrzeuge und Mobilität soll der für den Ansorge-Einsatz maßgeschneiderte rote Lastenträger fertig sein. Es handelt sich um das wahrscheinlich erste rein elektrisch angetriebene Schwerverkehrsfahrzeug, das für den Einsatz im Speditionsalltag ausgelegt ist. Im Fall von Ansorge Logistik heißt das: permanente Produktionsversorgung und -entsorgung. Und es heißt auch: permanente Vor- und Nachläufe zu Kombi-Terminals, schließlich ist Ansorge ein Verfechter des kombinierten Verkehrs. 

"Wir benötigen also kein Distributionsauto, sondern einen leistungsfähigen Schwerverkehrs-Lkw", sagt Thoma mit Blick auf das Lastenheft. Leichte Elektro-Verteilerfahrzeuge sind inzwischen einfacher zu bekommen: Spediteure können sie – wie neuerdings im Fall von Daimler – beim Hersteller ordern oder sie bei Spezialisten (etwa bei E-Force One) umrüsten lassen. Für höhere Gewichtsklassen gibt es diese Angebote nicht – weswegen Ansorge Pionierarbeit leistet und bei unterschiedlichen Herstellern vorgesprochen hat.

So auch bei MAN: Der Fahrzeugbauer habe Bereitschaft signalisiert, das Projekt zu unterstützen, berichtet Thoma von seinem Termin mit den Münchnern im Mai. MAN stellt dem Projektteam einen TGX für den Umbau zur Verfügung. Hinzu kommt, dass MAN selbst ein Interesse an dem Pilotfahrzeug haben dürfte. Immerhin besteht die Möglichkeit, den Lkw hinterher in Kleinserie zu produzieren und dann zu marktgerechteren Kosten zu vertreiben. Der Ansorge-Chef würde sich das ausdrücklich wünschen. Ein Bekenntnis zur E-Mobilität durch die Hersteller würde seiner Ansicht nach dem Thema einen Schub verleihen.

Ansorge-Chef Thoma von E-Mobilität überzeugt

Thoma hat aber nicht vor, den Herstellern die Arbeit abzunehmen. "Wir verstehen uns als Logistiker, nicht als Fahrzeugbauer", betont er. Dass sich Ansorge Logistik in Entwicklung und Konstruktion des Lkw einbringe, liege nur daran, dass es derzeit keine marktgängigen Fahrzeuge gebe. "Also sind wir gezwungen, diesen Weg einzuschlagen", sagt Thoma. Von den Vorteilen der Elektromobilität ist er seit Jahren überzeugt – nicht ohne Grund ist er dienstlich mit einem Model S von Tesla unterwegs.

Dritter im Bunde beim Projekt E-Lkw neben Ansorge und MAN ist der Spezialfahrzeugbauer Toni Maurer aus Türkheim im Unterallgäu. Er wird das Fahrzeug in den nächsten Monaten entsprechend aufbauen. Eine Herausforderung dabei ist der Einbau der großen Lithium-Ionen-Batteriepakete und der beiden Elektromotoren, die je 140 Kilowatt leisten. Hier kommt als Lieferant die Firma Sensortechnik Wiedemann aus Kaufbeuren ins Spiel, deren Spezialgebiet die Elektrifizierung unterschiedlichster Vehikel ist – vom Traktor bis zum Schienenfahrzeug. Unterstützt wird das millionenschwere Projekt durch das Bayerische Staatsministerium für Wirtschaft.

Reichweite von 200 Kilometern angestrebt

Gefordert sind bei dem Vorhaben alle. Besonders anspruchsvoll dürfte aber die Vorgabe an die Spezialisten bei Sensortechnik Wiedemann sein. Denn bei einer Reichweite von 200 Kilometern, wie sie im Lastenheft steht, liegt die Messlatte hoch. Ansorge hat diese Distanz vorgegeben, damit der Lkw ohne Stopps von Biessenhofen oder nahe gelegenen Kunden aus die Kombibahnhöfe München oder Ulm erreichen kann.
Der E-Lkw stellt für Thoma nicht bloß ein interessantes Einzelprojekt dar. Der gelernte Rechtsanwalt sieht in ihm ein wichtiges Etappenziel auf dem Weg zur emissionsfreien Supply Chain. "Unser Ziel heißt Zero Emissions", erklärt der Ansorge-Chef. Das gelte gleichermaßen für Kohlendioxid, Stickoxid und Lärm. Den Vor- und Nachlauf will Ansorge mittel- und langfristig auf Elektro-Lkw umstellen, der Hauptlauf erfolgt bereits heute überwiegend auf der Schiene, auf der im Idealfall saubere Elektroloks verkehren.
Bleibt der Einwand, dass der Strom nicht sauber ist, weil dafür zum Beispiel Kohle verbrannt wird. Thoma nimmt Kritikern aber den Wind aus den Segeln, indem er darauf hinweist, dass Logistiker häufig über große Flächen auf den Lagerdächern verfügen. Die seien prädestiniert, um Solarstrom zu erzeugen. Bei Ansorge werden darauf durch Sonnenenergie jährlich 1,1 Millionen Kilowattstunden produziert – was zur Versorgung von 300 bis 500 Haushalten, theoretisch auch zur Versorgung einer Elektroflotte reichen würde.

Kritik an EEG-Umlage

"Dem steht nur die unsinnige EEG-Umlage im Wege", sagt Thoma und erklärt, dass die Vergütung höher ausfällt, wenn Firmen den Ökostrom ins öffentliche Netz einspeisen, statt damit etwa die eigenen E-Fahrzeuge anzutreiben. Doch vielleicht haben sich bis 2018 ja die Vorzeichen geändert – dem Jahr, in dem Thoma den ersten vollelektrisch angetriebenen Schwer-Lkw auf der IAA vorstellen will.

Ansorge nimmt E-Zugmaschine von Terberg in die Flotte

Vor zwei Jahren hat Ansorge Logistik eine vollelektrisch angetriebene Terberg-Zugmaschine auf Herz und  Nieren getestet. Nun folgte die Investition in ein solches Fahrzeug mit einem 138-Kilowatt-Elektro­motor. Im Juni hielt es Einzug in die Flotte.
"Full Electric" steht in weißen Buchstaben auf dem rot lackierten Fahrzeug. Die Kabine bietet nur dem Fahrer Platz und ist spartanisch ausgestattet. Das sehen aber weder der Fuhrparkchef noch die Fahrer als problematisch an. Denn das Einsatzgebiet des Stromers ist nicht der Fernverkehr, sondern die Kurzstrecke. Mehrfach pendelt der Fahrer täglich zwischen den Werken der Kunden und dem Ansorge-Firmensitz in Biessenhofen hin und her, wo das Fahrzeug neue Kraft tanken kann. Eine Stunde Zwischentankung reicht, um das Fahrzeug fahrbereit zu halten.

Positive Zwischenbilanz mit E-Terberg

"Das Fahrzeug hat sich in unserer Flotte bisher bewährt", bilanziert Ansorge-Chef Wolfgang Thoma nach den ersten Wochen mit dem Terberg YT 202 EV. "Das Fahrzeug hilft uns dabei, uns professionell mit Handling und Praxistauglichkeit von Elek­tro­mobi­li­tät in der Flotte auseinanderzusetzen", berichtet Thoma. 

Das Fahrzeug ist täglich acht Stunden unterwegs und verkehrt zwischen Kunden und Speditionshof. Der Betrieb funktioniert ohne Einschränkungen. Kompromisse muss Ansorge in anderer Hinsicht machen: Der Lkw ist ursprünglich für die Hafenumfuhr entwickelt worden. Daher ist er mit maximal 40 km/h unterwegs, sodass nur kurze Fahrten infrage kommen.

Nur wenige Kilometer auf Landstraßen unterwegs

Mit dieser Einschränkung kann Thoma leben: Immerhin hat der Terberg eine Straßenzulassung und kann die meist nicht mehr als drei Kilometer vom und zum Kunden auf der Landstraße absolvieren. Dort ist das Vehikel kein Fremdkörper, weil die anderen Kraftfahrer im Allgäu etwa auch an langsame Traktoren gewöhnt sind.

Mit diesem Handicap scheidet das Fahrzeug jedoch für den Ansorge-Wunscheinsatz aus: Vor- und Nachläufe im kombinierten Verkehr mit 44 Tonnen und Reichweiten bis zu 200 Kilometern. Deshalb steckt Ansorge Logistik mit den Projektpartnern (Bericht oben) viel Zeit und buchstäblich Energie in die Entwicklung eines solchen Lkw.
"Der Terberg ist für uns daher eine Brückentechnologie, um Erfahrungen zu sammeln", sagt Thoma. Theoretisch kann er noch mehr aus dem Lkw rausholen, ihn etwa rund um die Uhr einsetzen. Denn Elektro-Lkw haben den Charme, dass sie aufgrund ihres leisen Betriebs auch nachts für Lieferfahrten oder für Fahrten durch Wohngebiete infrage kommen.

Das will Thoma aber langsam angehen. Noch ist der Terberg das einzige E-Fahrzeug in der Flotte. Fällt er aus, gibt es keine adäquate Auffanglösung, die ähnlich leise und emissionsfrei daherkommt. Doch bisher läuft der Lkw völlig stabil – und der Spediteur ist froh, die Investition getätigt zu haben.

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