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Personalmangel Qualifizierte Mitarbeiter finden

Lkw und Pkw auf einer Autobahn Foto: Alev Atas/ETM

Personal: Den Logistikunternehmen droht ein Mangel an Fachkräften. Mithilfe von anonymen Bewerbungen hofft die Deutsche Post, künftig mehr qualifizierte Mitarbeiter zu gewinnen.

Bei Einstellungsverfahren soll es möglichst gerecht zugehen. Das fordert der Gesetzgeber und hat zu diesem Zweck das Allgemeine Gleichstellungsgesetz (AGG) geschaffen. Aufgrund von spezifischen Merkmalen wie Geschlecht oder Alter dürfen den Bewerbern keine Nachteile entstehen. So weit die Theorie, die sich in der Praxis schwer überprüfen lässt. Daher will die Bundesre­gierung noch einen Schritt weiter gehen: Auf Initiative der Antidiskriminierungsstelle testen einige Unternehmen ein anonymisiertes Bewerbungsverfahren aus. Auch die Deutsche Post ist an diesem Projekt beteiligt.
»Angesichts des demografischen Wandels und einem drohenden Fachkräftemangel müssen die Unternehmen in Deutschland über neue Ansätze nachdenken, um auch in Zukunft wettbewerbsfähig zu bleiben«, sagt ein Sprecher der Deutschen Post. Bereits jetzt rühmt sich das Unternehmen, multikulturell zu sein. 150 Nationalitäten arbeiten weltweit für das Unternehmen. Auch besitzt der Konzern einen so genannten Code of Conduct, der allen Bewerbern die gleichen Chancen geben soll. Trotzdem oder gerade deshalb will die Post sich noch stärker engagieren. Das Unternehmen möchte herausfinden, ob ein ausländisch klingender Name tatsächlich zu einem frühen Ausscheiden des Bewerbers führt.
Das ist auch der Grund für die Initiative: Eine Studie des Instituts zur Zukunft der Arbeit hat gezeigt, dass etwa nur die Nennung eines türkischen Namens dem Bewerber eine geringere Chance auf ein Vorstellungsgespräch gab. Je kleiner das Unternehmen, desto geringer war die Chance, die tatsächliche Qualifikation unter Beweis zu stellen.

Ein Problem, dem die Antidiskriminierungsstelle mit dem neuen Projekt entgegentritt: Die Bewerbungen sollen dabei weder den Namen des Bewerbers noch ein Foto enthalten. Auch Angaben über Alter, Geschlecht, Familienstand und Herkunft entfallen. Allerdings wird dieses Verfahren nur auf einen Teil der Ausschreibungen angewandt – bei der Post etwa im Bereich der Auszubildenden. Wie das Projekt genau aussieht, ist allerdings noch unklar. Auch der gelbe Riese ist noch in der Planungsphase. Die Behörde empfiehlt, das anonymisierte Bewerbungsverfahren mit einem Online-Formular auf der Firmen-Homepage zu realisieren. Die fraglichen Felder fallen dann einfach weg. Ungeklärt ist bisher ebenso die Frage nach den Kosten durch den entstandenen Mehraufwand. »Wir wollen auch in Erfahrung bringen, wie aufwendig das Bewerbungsverfahren durch die Anonymisierung wird und ob es überhaupt praktikabel für die Unternehmen ist«, sagt Christine Lüders, Leiterin der Antidiskriminierungsstelle des Bundes.

Von anderer Stelle wird das Projekt eher skeptisch betrachtet. »Ich halte die Initiative in erster Linie für ein gesellschaftspolitisches Projekt, das besonders für kleinere und mittelständische Unternehmen von begrenzter Bedeutung sein dürfte«, sagt Andrea Bartholl, Rechtsanwältin der gleichnamigen Kanzlei in Kiel und Expertin im Transport- und Arbeitsrecht. Den Betrieben gehe es bei der Vorauswahl nicht nur um die bloße Qualifikation. Ferner spiele die Altersstruktur des Unternehmens eine Rolle oder auch die Frage, ob der Bewerber in die Abteilung hineinpasst. »Gerade in inhabergeführten Betrieben spielen Erfahrungen und Wertevorstellungen eine große Rolle«, betont Bartholl. »Ich erwarte hier zwar eine deutlich höhere Chance, zu einem Bewerbungsgespräch eingeladen zu werden, aber keine sich daraus ergebende Wahrscheinlichkeit, auch tatsächlich eingestellt zu werden.« Deutschland ist mit dieser Idee übrigens kein Vorreiter. Die in anderen Ländern gesammelten Erfahrungen sind jedoch unterschiedlich und lassen daher keinen Rückschluss auf Erfolg oder Misserfolg des Projekts zu: In Frankreich wurde bereits 2006 ein Gesetz verabschiedet, das mehr Chancengleichheit auf dem Arbeitsmarkt garantieren soll. Seitdem hat sich die Anzahl der eingestellten Frauen verdoppelt. Auch fanden mehr ältere Arbeitnehmer eine Beschäftigung.

Anders sieht es in den Niederlanden aus. Dort wenden einige Firmen das anonymisierten Verfahren bereits an. Einer davon, der Personaldienstleister Manpower, entschloss sich 2007 dazu, diverse Merkmale wie Name, Geschlecht, Alter, Geburtsort und Familienstand bei Bewerbungen auszulassen. Diese Maßnahme hatten jedoch keinerlei Effekt auf die Bewerberauswahl. Trotz dieser unterschiedlichen Erfahrungen begrüßt die Bundesagentur für Arbeit die Initiative und springt auf den Zug auf. So kündigt Arbeitsagentur-Chef Frank-Jürgen Wiese an, den Bewerbern die Wahl zu lassen. Diese können selbst entscheiden, ob die Angaben zu Alter und Geschlecht übermittelt werden. Kommen soll das Ganze dann voraussichtlich 2011. Für die Logistikbranche sei das Verfahren aber eher nicht anzuwenden, erklärt Bartholl. Schließlich gebe es bereits Urteile, wonach schon der Einsatz eines ausländischen Fahrers einer bestimmten Nationalität und mit begrenzten deutschen Sprachkenntnissen ein grobes Verschulden seines Arbeitgebers in einem Schadenfall darstellt. »Damit ist eigentlich schon alles gesagt«, erklärt die Anwältin. Ob das anonymisierte Bewerbungsverfahren für deutsche Unternehmen tatsächlich Pflicht wird, steht noch in den Sternen. Im ersten Schritt soll das Projekt Informationen dar­über liefern, ob es in Deutschland überhaupt empfehlenswert und auf welche Weise umsetzbar ist. Bis zur endgültigen Entscheidung können die Spediteure jedenfalls eigene Strategien entwickeln, um die fehlenden Fachkräfte für sich zu gewinnen.

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