Ossis Öl Tanker Glücksritter

Abenteuer-Glücksritter Foto: Andreas Mischkin, Wikimedia, Wikipedia 7 Bilder

Nach dem Ersten Golfkrieg transportierten deutsche Fahrer Öl von Jordanien in den Irak. Ossis Tanker Gespann war damals auch in der Wüste unterwegs.

Im Ersten Golfkrieg, dem achtjährigen Konflikt zwischen Irak und Iran, zerbombten beide Länder gegenseitig ihre Ölförderkapazitäten. Der Irak ließ dann notgedrungen Diesel aus Saudi-Arabien in den jordanischen Hafen Aqaba verschiffen und von dort auf dem Landweg mit Tankzügen nach Bagdad transportieren. Auch europäische Fuhrunternehmer waren damals auf dieser Route im Einsatz, einer davon war Oskar "Ossi" Kunkel aus Bayern.

Vom Clubbetreiber zum Wüstenfuchs

In einer Kleinstadt an der deutsch-österreichischen Grenze treffe ich den großgewachsenen Ossi. Er erzählt mir seine Geschichte: "Ich hatte mit meinem Bruder in den 80ern eine Disco in Passau. Jeden Abend proppenvoll, sogar aus dem Ausland kamen Gäste." Anfang der Achtziger habe ihn ein Bekannter besucht und gefragt, ob Ossi nicht in den Irak gehen wolle. Er hätte gehört, dass man dort mit Lkw-Transporten gutes Geld verdient. "Da ich schon immer Abenteuerlust verspürte, ließ ich mich von dieser Idee anstecken", erzählt Ossi. So habe er den Lkw-Führerschein gemacht, einen Mercedes NG gekauft und ab ging’s nach Jordanien. Beim Thema Gewerbeerlaubnis oder ­Steueranmeldung schüttelt Ossi den Kopf: "Im Nahen Osten gab es so was nicht. Damals suchte man sich eine Ladung und fuhr damit los." Er sei die Strecke von Aqaba am Roten Meer über Amman bis nach Bagdad gefahren – 1.300 Kilometer quer durch die Wüste. Am Tag sei es über 40 Grad heiß gewesen. "Oft flogen einem die Reifen weg, deshalb hatte ich immer Ersatz dabei", sagt Ossi.

Er ließ einen Standard-Tankauflieger mit 30.000 Liter Fassungsvermögen auf 50.000 Liter umzurüsten. "Mehr Öl im Tank bedeutet mehr Gewinn pro Tour", lacht er. Ein Kollege zeigte ihm, wo man am Hafen von Aqaba Schweröl lädt und dann machte Ossi schon seine erste Tour. Nachdem er die Abläufe kannte, ließ er sich an seinen Tanksattel einen zweiten Tankauflieger hängen. Dazu musste noch eine zusätzliche Achse angebaut werden, um das Ladungsgewicht aufzunehmen. "Ursprünglich wollte ich ja einen Tankwaggon von der Eisenbahn mit 90.000 Litern auf ein Chassis setzen, aber ich bin nicht an einen enstsprechenden Waggon rangekommen. Also hab ich von Esso für 4.000 Mark einen zweiten Auflieger gekauft."

Immer auf mögliche Gefahren vorbereitet

Wenn da nicht die alten Fotos wären, man würde die Geschichte kaum glauben. Da zieht einer ­einen 30 Meter langen Tankzug durch die irakische Wüste, bestehend aus Zugmaschine, Dolly und zwei abenteuerlich umgebauten Tankaufliegern.
Ossi kaufte Druckluftschläuche und setzte sie an den Luftkesseln vom ersten Auf­lieger an, es funktionierte. "Beim Bremsen brauchte ich einen Kilometer, bis der Lkw zum Stehen kam. Nachts auf der Nationalstraße liefen manchmal Dromedare auf der Straße herum. Um einen Crash zu vermeiden, habe ich sie mit einer Uzi aus dem offenen Fenster heraus vertrieben. Das Öl kam in Aqaba mit Schiffen an. Anschließend nahm ich die N15 über Quweira nach Ma’an. Direkt außerhalb von Aqaba beginnt ein steiler Anstieg, da musste der 1932 alles geben, um den Zug nach oben auf das Hochplateau zu ziehen. Obwohl er nur 320 PS hatte, konnte ich mich auf das starke Drehmoment in den unteren Drehzahlen verlassen. Einmal, oben auf dem Berg, hörte ich ein klackerndes Geräusch. Bevor ich es überhaupt realisiert hatte, flog mir schon am hinteren Auflieger ein Rad weg. Das Rad flog mit Wucht runter ins Tal", erzählt Ossi. "Nach einiger Zeit kam ein Auto, besetzt mit drei Beduinen und hielt an. Einer von ihnen stieg aus und kam auf mich zu. Ich war schon abwehrbereit, da klärte er mich auf", sagt Ossi.

Der Beduine hatte die Radbolzen aufgesammelt, als das Rad auf seinen Wagen gekracht sei. Der Mann wollte 10.000 Mark von Ossi, denn sein alter Mercedes sei nur noch Schrott. "Glücklicherweise kannte ich einen Deutsch sprechenden jordanischen Autohändler – ein alter Fuchs mit vielen Kontakten." Die Gruppe ist also zu ihm gegangen und nach einer lautstarken Auseinandersetzung mit dem Beduinen kam der Autohändler zu Ossi und sagte: "Gib mal 1.000 Mark." Ossi gab sie ihm und war baff, als er dem Mann 500 gab und die andere Hälfte einfach selbst behielt. Problem gelöst

Von Ma’an, der alten Handelsstadt, auf dem Desert Highway N15 nach Amman und von da ostwärts bis an die irakische Grenze bei Rutba ging es weiter. „Dort gab es immer das Theater mit den Zöllnern. Einer kam ständig und forderte: "Whiskey, Bakschisch!" Irgendwann reichte ich ihm eine Flasche Whiskey, in die ich vorher etwas Spiritus zugegeben hatte. Beim nächsten Mal goss ich etwas mehr Spiritus in die Flasche, bis er einige Grenzübertritte später mit verkniffenen Augen zu mir sagte: "No Mister, no Whiskey. Problem with eyes."

Für eine Tour gab es etwa 42 Dollar pro Tonne Diesel

Ab der irakischen Grenze musste Ossi noch etwas über 600 Kilometer bis kurz hinter Bagdad fahren. Die N1 verläuft über Rutba nach Habbaniya bis nach Bagdad. Der erste Versuch, dort mit dem 90-Tonnen-Gespann die Brücke zum Zentrum zu überqueren, aber misslang. "Hinter Bagdad waren es noch etwa 50 Kilometer bis nach Latifiya in ein großes Tanklager. Hier wurde geleert. Anfangs gab es keine Messinstrumente und die Mengen Diesel wurden nach der vermeintlichen Füllmenge eines Tankaufliegers abgerechnet. Später merkten die Iraker, dass die Tanker mehrere Kammern hatten und manchmal beim Abpumpen eine davon vergessen wurde", erläutert Ossi. Auch der alte Trick, Diesel unterwegs zu verkaufen und die Fehlmenge mit Wasser aufzufüllen, habe sich irgendwann herumgesprochen. Als Folge seien Messuhren eingebaut worden, um Manipulationen zu erschweren.

Nach dem Abladen erhielt Ossi eine Quittung, die er später beim Agenten im jordanischen Amman gegen Dinar einwechselte. Für eine Tour gab es etwa 42 Dollar pro Tonne Diesel, umgerechnet also 2.000 Mark pro Transport, abhängig von der Füllmenge, der Motorleistung des Zuges, dem Straßenzustand und anderen Faktoren. Die Spritkosten hielten sich in Grenzen – vor allem dann, wenn Diesel transportiert wurde.
Am Anfang lief das Geschäft für Ossi ganz gut. Er nahm sich ein Zimmer in Aqaba in Strandnähe. Von dem Geld konnte er etwas zurücklegen, öfter waren aber neue Reifen und Reparaturen fällig. "Es war immer was los und wir haben auch gut zu lachen gehabt. Ein Polizist wollte mal meinen Pass kontrollieren, war aber der deutschen Sprache gar nicht mächtig. Er fragte auf Englisch: "Name?" Ich sagte: Wodka. "Und Nachname?" Ich sagte ihm: "Lemon." Ein paar Tage später kam er und sagte: "Das mit Wodka Lemon – da stimmt was nicht!"

Andere Öl-Kutscher wie Peter aus Reutlingen oder Manfred aus Eppelborn bestätigten die Geschichte. Sie weisen aber darauf hin, dass zu Beginn der Transporte eine Registrierung mit Reisepass erforderlich war, zudem ein Kontakt zu einem jordanischen Partner. Und viele Unternehmer, die hier ihr Glück versuchten, stiegen bald aus. Defekte, Reifenplatzer, Probleme bei der Bezahlung durch den jordanischen Agenten, das Wüstenklima – das waren Hürden, die zu nehmen sich spätestens dann nicht mehr lohnte, als immer mehr Jordanier mit eigenen Zügen in das Geschäft einstiegen. Irgendwann war dann auch Ossi wieder zu Hause in Passau.

Der Nahe Osten heute

Das haschemitische Königreich Jordanien gilt heute als Ruhepol im Nahen Osten. Nach der grausamen Verbrennung eines jordanischen Kampfpiloten durch die IS-Terroristen im benachbarten Syrien steht das Volk fest hinter König Abdullah II. Das 6,5 Millionen Einwohner zählende Land hat etwa 750.000 Flüchtlinge aus Syrien und dem Irak aufgenommen. Die Versorgung von Wirtschaft und Bevölkerung erfolgt fast ausschließlich per Lkw. Entsprechend gut ausgebaut ist das Straßennetz, das vielerorts europäisches Niveau aufweist. Die Beschilderung ist fast durchgehend auf Arabisch und Englisch gehalten. Das Land grenzt an Israel, den im Westjordanland gelegenen Teil der Palästinensischen Autonomiegebiete, Syrien, den Irak, Saudi-Arabien und an das Rote Meer.

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