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Neuer Verkehrsminister in Österreich Jörg Leichtfried im Porträt

Foto: Bundesminsiterium für Verkehr, Innovation und Technologie

Österreichs neuer Verkehrsminister Jörg Leichtfried avisiert eine "weitsichtige Verkehrspolitik".

Es werde ein "Schulter an Schulter" zwischen dem neuen Bundeskanzler von Österreich und seinem neuen Verkehrsminister geben. Das jedenfalls hatte der neue Regierungschef Christian Kern, ehemaliger Chef des ÖBB-Konzerns, bei der Angelobung seines Kabinetts im posthöfischen Ambiente in der Wiener Hofburg angekündigt. Eine breite Schulter kann Jörg Leichtfried (49) für seinen neuen Job gebrauchen. Denn als Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie der Republik Österreich ist er Chef eines  Mammut-Ministeriums. 

Den Schulter-an-Schulter-Anspruch leitet der Bundeskanzler der Alpenrepublik aus seinen bisherigen Begegnungen und Erfahrungen mit Leichtfried im Europäischen Parlament ab, wo Leichtfried von 2004 bis 2015 die österreichische Flagge für seine sozialdemokratische Partei (SPÖ) hochhielt, zuletzt als SPÖ-Delegationsleiter, bevor er in seine steirische Heimat zurückkehrte. Dort, in der steiermärkischen Landesregierung, wurde er Landesrat für Verkehr, Umwelt, Sport und Tierschutz.

Im EU-Parlament fiel der studierte Jurist Leichtfried – der sehr gut Englisch und passabel Französisch spricht – vor allem durch seine radikale Ablehnung der Zulassung von Lang-Lkw auf EU-Straßen auf. Noch ist in Erinnerung, wie er als Chefverhandler des EU-Parlaments im Jahr 2013 den damaligen EU-Verkehrskommissar Siim Kallas verbal attackierte und dessen Vorschlag zum Thema Lang-Lkw als "gesetzgeberischen Pfusch und frech" bezeichnete, weil einzelne Punkte seiner Ansicht nach die Handschrift wirtschaftlicher Interessengruppen trugen und im krassen Widerspruch zu früheren Aussagen von Kallas zum Lang-Lkw standen.

Gegner des Lang-Lkw

In Brüssel hat sich Leichtfried mit Europa vernetzt, was ihm in seiner jetzigen Funktion als Minister sicherlich zugutekommt. Er kennt sich in Verkehrsfragen aus, kennt die Möglichkeiten und Vorgaben und bildet sich seine Meinung nach ausgiebiger Faktenprüfung. 

Leichtfried ist kein Mann der Schnellschüsse und des euphorischen Aktionismus. Er agiert ruhig, besonnen. Er denkt nach, um dann im ausgewogenen österreichischen Tonfall zu sprechen. Er meidet überhastete Entscheidungen, damit "die Sache nicht den Bach hinuntergeht", wie ihm politische Weggefährten zwischen Brüssel und Graz attestieren. 

Als Landesrat hat er sich für die Einführung einer flächen­decken­den Lkw-Maut in Österreich sehr stark gemacht und damit landesweit für heftige Diskussionen gesorgt. Damit hat er sich auch zum Buhmann der Transportwirtschaft gemacht, die eine solche Maut strikt ablehnt. 

Dialog mit allen Akteuren

Als SPÖ-Mann hat er in seinen ersten Statements angekündigt, dass er am bisherigen politischen Weg, nämlich möglichst viele Gütertransporte von der Straße auf die Schiene zu verlagern, festhalten will. Er wolle eine Ver­kehrs­poli­tik für Menschen machen und einen Dialog mit allen am Verkehr involvierten Akteuren führen. Wobei er die Zusammenarbeit mit der Transportbranche im gleichen Atemzug betonte. 

Diese wünscht ihm freilich viel Fortune in seinem neuen Job und gibt ihm ganz deutlich zu verstehen, dass er seinen Ton in Sachen Lkw-Flächenmaut mäßigen sollte. "Minister Leichtfried ist nicht gut beraten, wenn er bei der Flächenmaut einen voreiligen Vergleich von Österreich mit Deutschland zieht", so Alexander Klacska, Obmann der Bundessparte Transport und Verkehr in der Wirtschaftskammer Österreich. Die Situation in Deutschland sei nicht mit Österreich vergleichbar. 

Zum gesamten deutschen Straßennetz von 620.000 Kilometern gehörten fast 13.000 Kilometer Autobahnen, 41.000 Kilometer Bundesstraßen sowie Landes-, Kreis- und Gemeindestraßen. "Selbst wenn in Deutschland alle Bundesstraßen bemautet werden, wären noch rund 570.000 Kilometer Straßen, sprich mehr als 90 Prozent der Straßen, unbemautet", sagt Klacska.

New Deal angekündigt

Bundeskanzler Kern hatte bei seinem Amtsantritt einen "New Deal" in der Politik angekündigt - und an diesen wird Leichtfried schon nach wenigen Tagen im Amt vom österreichischen Zentralverband Spedition & Logistik erinnert. Österreich habe im Vergleich zu Deutschland gerade im Logistikbereich großen Nachholbedarf. Daher reiche die Branche Leichtfried die Hand und erwarte von ihm das Gleiche, um Österreich als attraktiven Logistik-standort weiter auszubauen.

Die 11.000 Speditionen des Landes geben 160.000 Menschen Brot und erwirtschaften einen Umsatz von 34 Milliarden Euro pro Jahr. Darin enthalten sei eine direkte Wertschöpfung von mehr als acht Milliarden Euro, erklärt Verbandspräsident Wolfram Senger-Weiss (Vorstandsmitglied bei Gebrüder Weiss) ausdrücklich.  

Vor seiner Angelobung als Minister hatte sich Leichtfried noch einmal mit der Forderung für eine Flächenmaut aufgebäumt, doch danach antwortete er auf Journalistenfragen in dieser Causa schon sehr zurückhaltend und war um eine klare Aussage verlegen. Was freilich damit zusammenhängt, dass die Entscheidung für eine Flächenmaut eine ist, die auf Ebene der Bundesländer getroffen wird. Und diese sind sich in dieser Frage gar nicht einig. 

Zur Person

  • Jörg Leichtfried, geboren 1967 in Bruck/Mur (Bundesland Steiermark), ist verheiratet und hat einen Sohn. Er studierte Jura und begann 1995 seine berufliche Karriere als Rechtsreferent in der Arbeiterkammer Steiermark
  • ab 1982 in sozialdemokratischen Jugendorganisationen tätig, 2004 bis 2015 EU-Parlamentarier, Delegationsleiter der Sozialdemokratischen Partei (SPÖ) in Brüssel und Vize-Präsident der sozialdemokratischen Fraktion im EU-Parlament
  • von 2015 bis Mai 2016 Landesrat für Verkehr, Umwelt, Sport und Tierschutz in der steiermärkischen Landesregierung
  • seit 18. Mai 2016 Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie (BMVIT). 
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