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Michael Schröder im Porträt "Irgendwann steht alles still"

Michael Schröder, Dr. Prof. Duale Hochschule Mannheim Foto: Claudia Wild

Dr. Michael Schröder will als Professor an der Dualen Hochschule seine Studenten zu kreativen Managern ausbilden. Als Netzwerker engagiert er sich
dafür, dass die Anliegen der Transportbranche in der Politik gehört werden.

Kein Mensch weit und breit – unendliche Weite. Still ruht die eisige Welt. Gleich vier Bilder von seiner mehrwöchigen Reise zum Nordkap hat der junge Logistikprofessor Michael Schröder in seinem Arbeitszimmer an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg in Mannheim an die sonst kahle Wand gehängt.

"Raus in die Natur, um auf sich gestellt zu überleben"

Damals hat der Jahrhundertfrühling Eis und Schnee schmelzen und ein Meer grauer Felsen auftauchen lassen. Mittendrin sitzt Schröder vor seinem Biwak-Zelt und schaut ernst in die Kamera. Zehn Jahre ist die Ein-Mann-Tour jetzt her, doch beim Reden darüber sprüht der 43-jährige Hochschuldozent immer noch vor Tatendrang: "Das kann nicht das reine Leben sein, jeden Tag in der Bibliothek büffeln und dann Monate später eine Klausur bestehen", war seine Antriebsfeder, damals nach der Promotion in die menschenleere Natur zu reisen. "Raus in die Natur, um auf sich gestellt zu überleben", benennt er seine Herausforderung. Auf Du und  Du mit ein paar Rentieren und Moschusochsen.

Lang-Lkw als Forschungsthema

Heute würde er gerne mal ein Forschungssemester im Norden verbringen. Ein passendes Thema fällt ihm auch ein – mit einem Schmunzeln: der Lang-Lkw. "Die Skandinavier überlegen jetzt, den 90-Tonner fahren zu lassen, und wir regen uns über 60 Tonnen auf – die ja keiner haben will, weil es um Volumengüter und nicht um Tonnage geht." Fünf Jahre war der Wissenschaftler als Logistikberater bei der Mannheimer Unternehmensberatung Tim tätig. Eines seiner ersten Projekte: die Auswirkung des Lang-Lkw auf den Kombinierten Verkehr, mit echten Kundendaten von Kombiverkehr. "Wir haben den Lang-Lkw damals bewusst schlecht gerechnet. Und trotzdem war die Ladeeinheit 20 Prozent günstiger als auf der Schiene unterwegs." Die Gefahr, dass es sich für einige Bahnverkehre lohnen würde, auf den Lang-Lkw zu wechseln, konnte nicht ignoriert werden. "Da kann ich Verkehrsminister Hermann verstehen, obwohl es natürlich zweckmäßig wäre, wenn der Lang-Lkw auf bestimmten Punkt-zu-Punkt-Relationen unterwegs wäre."

Manche Güter lassen sich nur über die Straße verteilen

Doch manche Güter lassen sich eben nur über die Straße verteilen. Gemeinsam mit seinen Studenten diskutiert Schröder über aktuelle Probleme und deren Lösungen. An erster Stelle sieht er die Staus und die Infrastruktur: "Keiner leugnet, dass die Abnutzung durch den Lkw dramatisch höher ist als durch Pkw – aber die Staus machen die 83 Prozent Pkw auf der Autobahn. Da müssen wir was tun."

Auch über die Finanzierung wird an der DHBW diskutiert. "Das Geld ist da, es müsste nur wieder in den Verkehrshaushalt fließen." Angesichts dessen sei die Idee der Seehofer-Pkw-Maut "eine Frechheit", aus betriebswirtschaftlicher Sicht jedoch "wäre eine intelligente Pkw-Maut die beste Lösung".

Bezahlung nach Nutzung

Als Vision setzt er ein viergliedriges Preissystem dagegen: "Bezahlt wird nur nach der Nutzung, den gefahrenen Kilometern, konkret: nach Ort und Zeit plus Fahrzeuggewicht und Schadstoffausstoß." Elektronische Schaltungen, beispielsweise an Brücken, zeigen an, wie viel aktuell bezahlt werden muss. Technisch sei die Umsetzung längst möglich und gerechter sei sie auch, denn Vielfahrer würden am meisten belastet werden. "Aber damit lässt sich keine Wahl gewinnen", spottet Schröder und sieht schon einen schönen Zeitungstitel vor sich: "Asozialer Professor aus Mannheim …"

Was hinten rauskomme, müsse zweckgebunden reinvestiert werden, vorrangig in die wichtigsten Schienen-, Wasser- und Autobahnachsen. "Die Lkw-Maut ist letztlich eine Gebühr. Die müsste der Straße wieder zurückgegeben werden."

Standorte der Zukunft

Im Fach Logistik diskutiert der Hochschulprofessor mit seinen rund 430 Studenten auch über Entwicklungen der Vergangenheit und Standorte der Zukunft. "Die wollen alle mal ins mittlere und höhere Management und müssen wissen, wie sich Zukunft sinnvoll gestalten lässt." Der Verkehr werde weiter zunehmen – dabei sei es egal, ob um 50 oder 75 Prozent. "Wir werden alle stehen", sagt Schröder ganz trocken. Dabei stehen in Deutschland die Hamburger nach dem neuesten Tom-Tom-Stau-Index am längsten, gefolgt von Köln und München.

In Lehrbüchern der letzten 20 Jahre ist die Bündelung und Zentralisierung in der Logistik der Trend, sagt Schröder. Angesichts staubedingt kaum mehr planbarer Zustellungszeiten "werden dezentrale Lager und Produktionsstandorte wohl wieder in Mode kommen", prophezeit er.

Im Hochschulalltag lässt Schröder seine Studenten diese Themen selbst erarbeiten. Dabei kommt ihm seine Praxiszeit als Unternehmensberater zugute. Auf der Suche nach echten Beispielen kann er aus dem eigenen Fundus schöpfen.

Zara produziert überwiegend in Spanien

Eines interessiere besonders seine Studentinnen: "Der Young-Fashion-Produzent Zara stellt seine Kleidung überwiegend in Spanien her, weil so in nur zehn Tagen produziert und in Kerneuropa ausgeliefert werden kann" – für 27 Kollektionen im Jahr. Da könne eine China-Produktion nicht mithalten.

Der gebürtige Bergsträßer Schröder ist ein diskussionsfreudiger Gesprächspartner, der die Logistik gerne in einen globalen Zusammenhang setzt, obwohl er selbst die meiste Zeit seines Lebens in Deutschland verbrachte. Feuer gefangen für die Tiefen der Logistik hat er als kaufmännischer Lehrling bei Siemens in Erlangen: "Alle Güterbewegungen im Produktionsverbund Erlangen wurden schon 1990 zentral gesteuert, und das ohne Navi. Das fand ich so spannend, dass mich das Thema nicht mehr losließ." Werksbesichtigungen waren Teil der Stammhauslehre, die ihn auch nach Berlin und München führte. Im anschließenden BWL-Studium an der Uni Mannheim mit Schwerpunkt Logistik war die Praxiserfahrung ein großer Vorteil.

Schröder ist als harter Hund verschrien

Als Dozent ist Schröder ein alter Hase. Als 28-jähriger Assistent hat er bereits unterrichtet und mehr als 135 Diplom- und Bachelorarbeiten in 15 Jahren betreut und bewertet. Dabei hat er oft die beteiligten Unternehmen selbst besucht. "Ich wusste, worauf ich mich einlasse, als ich nach fünf Jahren Beratungsarbeit die Professur annahm." Dass er seinen Theorieunterricht stets mit Beispielen aus der Beraterpraxis würzt, komme bei den Studenten gut an. In der Lehre ist Schröder ein Überzeugungstäter: "Meine Arbeit mit jungen Menschen macht riesigen Spaß, ich kann mir nichts Besseres vorstellen", sagt Schröder enthusiastisch. Doch er verlange den künftigen Managern einiges ab: "Bei den Studenten bin ich als harter Hund verschrien. Aber effizientes Arbeiten ist ein Muss."
Seit zehn Jahren ist Schröder als BVL-Regionalgruppensprecher Rhein/Neckar aktiv und "sendungsbewusst" gegenüber Politik und Industrie. Auch als Leiter der Geschäftsstelle Mannheim des Logistik-Netzwerks Baden-Württemberg (LogBW) will Schröder mit Fakten punkten, um der Logistik mehr Gehör zu verschaffen, etwa wenn es um neue Flächenansiedlungen geht. "Den Ball am Rollen halten und die politischen Entscheider erreichen", sei seine Aufgabe, damit eben nicht irgendwann alles stillstehe.


 

Zur Person

Der 43-jährige Diplomkaufmann Prof. Dr. Michael Schröder ist seit vielen Jahren an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg Mannheim tätig. Zunächst als externer Dozent, ist er seit 2009 Professor in der Studienrichtung Spedition, Transport und Logistik im Dekanat Wirtschaft. Zuvor war Schröder Projektleiter im Bereich Unternehmenslogistik des Mannheimer Beratungsunternehmens Tim Consult.

 

Kooperative Forschung

Das Logistik-Netzwerk Baden-Württemberg (LogBW) will künftig unternehmensübergreifend Forschungsprojekte, auch und insbesondere von Mittelständlern, lancieren, bündeln und managen. Dies deckt sich mit dem Forschungsauftrag der Kooperativen Forschung der Dualen Hochschule Baden-Württemberg, sodass sich gemeinsame Forschungsprojekte mit den Partnerunternehmen, die über die bisherigen Bachelor-Arbeiten hinausgehen, anbieten. Dazu will LogBW ab 2014 standort- und hochschulübergreifend Forschungsprojekte anstoßen und möglichst schnell gemeinsam mit der Dualen Hochschule Baden-Württemberg Mannheim eine entsprechende Struktur aufbauen.

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