Mercedes Capa-City L (2015) Das kann der neue vierachsige Gelenkbus

Mercedes Capa-City L Foto: Daimler 6 Bilder

Seit sechs Jahren bietet Mercedes mit dem Capa-City als einziger Hersteller einen vierachsigen Gelenkbus auf Citaro-Basis an. Jetzt wächst das Raumwunder weiter.

Wenn ein deutscher Bushersteller zur Adventszeit die Presse aus aller Herren Länder an einen seiner wichtigsten ­Produktionsorte einlädt, dann hat er positive Nachrichten und neue Produkte im Gepäck – auch wenn es mehr um Fahrzeuge mit Rädern als schneetaugliche Kufen geht – um genau zu sein: mit zwölf Rädern an einer Karosse.
Es geht um einen der wenigen Vierachser in der Buswelt. Andere süddeutsche Hersteller haben den Spagat zwischen Gelenkbus mit Zweiachs-Nachläufer und 15-Meter-Dreiachser auch probiert, sind aber nicht über den Prototypen­status hinaus gekommen. Nicht so Mercedes: der Hersteller, der auf eine Geschichte von beinahe 40 Jahren Schubgelenkbus-Erfahrung ­verweisen kann. 1977 erblickte in Mannheim der O 305 G das Licht der Straße.
Als Erweiterung der aktuellen ­Citaro-Palette und als würdiger Nachfolger des ersten, bisher rund 350 Mal gebauten Capa-City schicken die Mannheimer ab 2015 die neue Version des übergroßen Gelenkbusses ins Rennen um Unternehmers Gunst – als auf rund 21 Meter verlängerten Capa-City L.

Trend geht in Richtung Großraum-Fahrzeuge

Der Trend weist immer deutlicher in Richtung Großraum-Fahrzeuge, erläutert Till Ober­wörder, verantwortlich für Vertrieb und Marketing bei Daimler Buses, den neuerlichen Aufschlag in Sachen Beförderungskapazität. Nicht jedoch, ohne auf den Weihnachtsmarkt und die dort ­erworbenen Geschenkpakete anzuspielen.

"Mehr Bus geht nicht"

"Der Capa-City L ist die perfekte Lösung, um auf den Weihnachtsmarkt zu gelangen und ­Pakete mit nach Hause zu nehmen. Mehr Bus geht nicht!", sagt er. Und so ist der lange Lulatsch auch der ideale Kandidat für die hierzulande noch wenig ausgeprägten "Bus Rapid Transit"-­Strecken (BRT). Rund 250 Busse der ersten Capa-City-Generation laufen bereits erfolgreich auf solchen Linien in Istanbul und in ­Tokio schaut man sich das Konzept gerade etwas näher an – Olympia 2020 steht schließlich bevor.

Die Hamburger Hochbahn, seit Jahrzehnten technischer Entwicklungspartner von Mercedes, testet nächstes Jahr gleich zwei Busse des Typs auf Linien, die teilweise nicht von Doppel­gelenkbussen befahren werden können.

Längster Mercedes-Stadtbus mit einem Gelenk

Tatsächlich ist der Capa-City L  – wie schon sein Vorgänger – der längste Mercedes-Stadtbus mit nur einem Gelenk in Europa. Und er ist mit 21 Metern rund 1,5 Meter länger als das Vorgängermodell und stolze 2,9 Meter länger als ein Citaro G, der sich 2013 ganze 900 Mal verkauft hat.

Die Verlängerung des Busses findet zu gleichen Anteilen am Vorder- und Hinterwagen statt. Der Wendekreis erhöht sich dadurch auf rund 24,5 Meter bei gleichem vorderen Radstand.

Ausnahmegenehmigung nur für die Überlänge nötig

Geschrumpft sind dagegen die minimale Ringbreite (7,1 Meter) und das Ausschwenkmaß des Hecks (1,49 Meter), was der ausgefeilten Technik zuzuschreiben ist. Eine Ausnahmegenehmigung wird daher nurmehr für die Überlänge benötigt. Durch die vierte Achse ist die Gewichtsverteilung des rund 20 Tonnen schweren Busses harmonisch, was man von Gelenkbussen in der Vergangenheit nicht immer sagen konnte. Das Gerippe wurde entsprechend den höheren Belastungen verstärkt und erfüllt wie alle aktuellen Citaro die neue Umsturzrichtlinie ECE R 66.02.

In der Serienversion kann der neue Tatzelwurm aus Mannheim statt bisher 186 jetzt 191 Personen befördern. Dies allerdings bei Berechnung nach der optimistischen, gesetzlichen Formel von acht Personen pro Quadratmeter Stehfläche. Bei einer laut Mercedes realistischen Belegung von sechs Personen pro Quadratmeter sind es jedoch nur rund 165 Personen – wie auch bei der Konfiguration für den Hamburger Testbus. Immer noch eine beachtliche Leistung und fürwahr nicht die einzige.

Ein neues Kapitel schlägt Daimler auch in Sachen Türen auf. Erstmals sind fünf Türen in einem Mercedes-Gelenkbus verfügbar – und das in großem Variantenreichtum: mal Innenschwenk-, mal Außenschwenk-Schiebetüren oder eine Kombination aus beidem, pneumatisch oder elektrisch. Da macht sich die Qual der Wahl breit und man stellt sich zugleich die bange Frage nach der Länge der Bushaltestellen. Nicht jede Stadt kann fünf Türen auch wirklich nutzen.

Viel Entwicklungsarbeit in Fahrwerk und Gelenk

Viel Entwicklungsarbeit steckt in Fahrwerk und Gelenk. Der Capa-City L ist wie seine ­kleinen Brüder der "G-Klasse" mit der neuen, elektronischen Knickwinkelsteuerung ATC ausgerüstet, die im Gelenkbus sozusagen die Rolle des ESP übernehmen muss und mit der neuen Elektronikarchitektur E2B Einzug hält. Die Standard-Schleuderbremse ESP kann derzeit im ­Gelenkbus noch nicht umgesetzt werden. Es gibt schlichtweg zu viele Parameter, die berücksichtigt werden müssten.

Das elektrohydraulische System arbeitet blitzschnell und bedarfsgerecht. Über den CAN-Bus des Fahrzeugs werden die nötigen Parameter wie Lenkwinkel, Knickwinkel (max. 54,5 Grad), Geschwindigkeit und Last eingesteuert, um den nötigen Dämpfungsgrad zu errechnen. Da die bisherige, unspezifische Grunddämpfung des Gelenks so entfällt, verspricht Daimler besseres Einlenkverhalten und geringeren Reifenverschleiß an der Vorderachse.

Einzelradaufgehängte Nachlaufachse

Clevere Lösungen bietet auch die vierte, jetzt einzelradaufgehängte Nachlaufachse mit neuer elektronischer Steuerung. Gezielte Neutralstellung oder Sperrung sorgen für ein verringertes Ausschwenkmaß und selteneren Bordsteinkontakt an der Haltestelle. Die Traktion lässt sich zudem durch zeitweise Entlastung der Achse erhöhen, sollte es mal zu verschneit sein auf dem Weg zum Weihnachtsmarkt.

Voith-Viergang- oder ZF-Sechsgang-Automatik

Weitere Sicherheitsmerkmale an Bord sind das vordere Crashelement sowie die Reifendruckkontrolle für alle zwölf Räder. Für den standes­gemäßen Antrieb des Riesen sorgt der OM470-Reihensechszylinder, der stehend montiert ist und wahlweise 265 beziehungsweise 290 kW und 1.700 beziehungsweise 1.900 Newtonmeter an Drehmoment mobilisiert. Gepaart sind die Aggregate aus dem Daimler-Baukasten mit Voith-Viergang- oder ZF-Sechsgang-Automatik.

Dank der Common-Rail-Einspritzung sind die neuen Euro-6-Motoren leiser und auch sparsamer geworden. Viele Tests haben das schon bewiesen. In der immer wichtigeren Disziplin des CO2-Ausstoßes pro Fahrgast und Kilometer bewegte sich der Vorgänger im Test 2009 noch leicht über 10 beziehungsweise 20 Gramm (volle/halbe Auslastung, Durchschnittsverbrauch von 74,8 l/100 km). Der Euro-6-Gelenkbus hat diese bereits leicht unterschritten (lastauto ­omnibus 8/2014) und das ist dem Capa-City L ebenfalls zuzutrauen. Doch wie formuliert Projektleiter Gustav Tuschen? "Größe alleine genügt nicht, das Fahrzeug muss sich auch rechnen."

Alles auf Synergie ausgelegt

Deshalb ist im Capa-City L alles auf Synergien ausgelegt. Es werden großenteils Gleichteile zum Citaro G verbaut. Das hilft spürbar, bei Wartung und Reparaturen zu sparen und die TCO-Kosten zu senken. Daimler spricht von 18 Prozent weniger Wartungskosten. Das ist ­eine Währung, in der ÖPNV-Unternehmen gerne rechnen, auch in der Adventszeit.

Und Betreiber, denen der Capa-City L doch etwas zu üppig ausgefallen ist, müssen nur ein wenig länger warten. Dann spendiert Daimler auch wieder eine Kurzversion des längsten Mercedes aller Zeiten. Diese wird auch rund 20 Zentimeter auf 19,7 Meter zulegen. Geschenkt wird es allerdings auch diese Version leider kaum geben – trotz Weihnachten.

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