Mercedes-Benz Actros SLT im Einsatz Probefahrt XXL

Mercedes-Benz Actros SLT Foto: Thomas Kueppers 9 Bilder

Wir haben einen Mercedes-Benz Actros SLT beim Schwertransport mit 175 Tonnen begleitet.

Knapp 40 Kilometer Strecke auf Bundesstraße und Autobahn, sechs Meter Breite, viereinhalb Meter Höhe, 55 Meter Länge und 306 Tonnen Gesamtzuggewicht – da hat Hermann Futterknecht aber schon andere Transporte gesehen. Trotzdem ist diese Tour nicht ganz Routine für den 61-jährigen Schwerlastprofi, der schon seit 19 Jahren als Fahrer für die Stuttgarter Spedition Paule arbeitet.

Heute ist er nicht mit seinem gewohnten, elf Jahre alten Actros 4153 unterwegs, sondern mit einem neuen Actros SLT 4163 8x4. "Etwas beschnuppern konnte ich ihn schon, denn bei der Pressevorstellung im Frühjahr stellte Paule die Achslinien und Gewichte zur Verfügung und ich war als Materialbetreuer dabei", erzählt Hermann Futterknecht.
Die Qualitäten der 625 PS starken Schwerlast-Sattelzugmaschine in einer Alltagssituation auszuprobieren ist aber etwas anderes. Das sieht auch Mirko Lud, Dispo- und Fuhrparkleiter bei Paule, so: "Ein Fahrzeug wie dieses kostet ein paar Euro. Wenn man über solch eine Investition nachdenkt, hilft es schon, sich selbst ein Urteil durch eine Probefahrt bilden zu können. Hermann Futterknecht ist mein erfahrenster Mann. Auf seine Einschätzung zähle ich."

Mit 175 Tonnen in Richtung A 8

Mit 20 Achslinien und Futterknechts Kollege Dieter Wascher in der Schubmaschine hintenan geht es vom Gelände der Kranfirma Scholpp zur Autobahnabfahrt Aichelberg. Dort direkt neben der A  8 ist die Einstich­stelle für einen weiteren Tunnel des Bahn­projekts Stuttgart–Ulm. Da muss die ­Ladung, ein 175 Tonnen schweres Bohrkopfgehäuse, das am Morgen im Stuttgarter Hafen per Schiff angelandet ist, hin. Das Polizeiaufgebot ist ordentlich – seit einem ähnlichen Transport zu einer Tunnelbaustelle auf den Fildern sind die Ordnungshüter sensibel. Stuttgart 21 ist immer noch ein heikles Thema. Heute bleibt alles ruhig, keine Demonstranten in Sicht.

Der Chef der Schwerlastgruppe nutzt die Gelegenheit und schaut sich den Actros SLT vor der Abfahrt ganz genau an. Große Spielzeuge erfreuen auch große Buben in Uniform. Entwicklungsingenieur Jan Hoffmann erklärt gerne alles, was unterm Blechkleid und in den elektronischen Innereien steckt. Er arbeitet im Fahrzeugversuch bei Daimler, betreut die Probefahrt und analysiert sie hinterher: "Vor der Markteinführung wurde der Lkw natürlich ausgiebig getestet. Aber die Entwicklung geht ja immer weiter. Die Eindrücke der Fahrer auf realen Touren zu bekommen ist für uns sehr wertvoll."

Doch nicht nur Futterknechts Meinung ist wichtig, auch die Daten aus dem CAN-Bus-System sind interessant. Geschwindigkeiten, Drehzahlen, Drehmomente, Gangvorgaben und Schaltverläufe, die Kühlwassertemperatur oder die Öltemperatur der Turbo-Retarder-Kupplung – alles hat Jan im Blick. Insgesamt mehr als 6.000 Signale rattern durch seinen Laptop!

Zwangsstopp an der B 10

Doch nach wenigen Kilometern ist auf der Einfahrt zur B 10 erst mal Stopp angesagt. Die Zugmaschine und die Hälfte des Gespanns sind schon um die 90-Grad-Kurve herum, da reißt die Bremsleitung an einer der Achslinien. Das Bremssystem macht komplett zu. Da können SLT und Schubmaschine zerren und drücken, wie sie wollen.

Während die Mechaniker von Paule zur Tat schreiten, zeigt Jan Hermann, wie er verschiedenste Informationen über den Zustand des Lkw im Hauptinstrument abrufen kann. Als es nach einer gefühlten Ewigkeit weitergeht, nimmt die Fuhre endlich Fahrt auf.
Sobald 30 Stundenkilometer erreicht sind, schalten automatisch die Arbeitsscheinwerfer auf dem Dach aus und es wird fast gemütlich in der voll ausgestatteten Kabine. Ab und zu zischt blaues Leuchten vorbei – die Motorradpolizisten sperren jeweils die nächste Einfahrt.

"Wenn er rollt, dann rollt er, da kann man sich wirklich auf das Drumherum konzentrieren", kommentiert Schwerlastprofi Futterknecht das Werkeln der Schaltautomatik. Auch die Laufruhe, die der lange Radstand mit sich bringt, gefällt ihm. Die große Bewährungsprobe für den SLT steht aber erst noch bevor.

Platztausch der Maschinen

Von der B 10 geht es über die Querverbindung B 313 zur Autobahn. Doch da die direkte Auffahrt aus dieser Richtung über eine Brücke führt, fährt der Transport ein paar Kilometer weiter bis zum Ortseingang von Nürtingen. Auf einer großen Kreuzung ist Platz: Hermann zieht auf die Gegenspur und blitzschnell dreht das Gefährt.

Okay, Abkuppeln und Platztausch zwischen Zug- und Schubmaschine liegen noch dazwischen, aber ruck, zuck geht die "Wende" tatsächlich. Jetzt ist die Fahrtrichtung umgekehrt und die Auffahrt auf die A  8 ohne Brücke.

Brückenschutz ist das Stichwort, denn für die Autobahn hat das zuständige Amt nur eine Alleinfahrt genehmigt. Das Gesamtzuggewicht muss so minimal wie möglich sein, Dieter Wascher und sein Actros 4153 dürfen nicht mehr schieben. Nach ein paar Hundert Metern beginnt auch noch eine vierprozentige Steigung und die Fahrbahn ist inzwischen durch Nieselregen glitschig. Hermann gibt ganz sanft Gas, die Turbo-Retarder-Kupplung reagiert sofort und so geschmeidig wie es mit 265 Tonnen neuem Gesamtzuggewicht eben geht, stampft der SLT los.

Schaltautomatik und Retarder

Die Schaltautomatik beißt sich in der Steigung im fünften Gang fest. Der Tacho verharrt kurz bei zwölf Kilometern pro Stunde und beginnt dann langsam zu klettern. Jan beobachtet auf seinem Bildschirm die Kühltemperatur. 103 Grad, grüner Bereich. Die Gänge fluppen durch, der Hügel wird mit Bedacht, aber problemlos gebügelt.

"Der neue Retarder ist gigantisch", entfährt es Hermann, der als alter Hase eigentlich darauf schwört, selbst mit der Kupplung zu arbeiten. Er ist beeindruckt: nicht nur bergauf, sondern auch beim Bremsen. Denn zwischendrin muss die Fuhre immer wieder auf fünf Kilometer pro Stunde verlangsamen. Amtliche Vorschrift, wenn es über eine ­Brücke geht.
Um 1.30 Uhr in der Nacht rollt der Transport auf die Baustelle und alle Beteiligten sind sehr zufrieden mit dem Verlauf dieser Probefahrt der etwas größeren Art.

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