Die Premiere des Renault Magnum war 1990 wie ein Paukenschlag. Er setzte neue Maßstäbe, nicht nur im Design. Die Fachwelt staunte.
Damit hatte der FERNFAHRER-Autor nicht gerechnet, als er Profis von der Landstraße zum Fahrertest einlud: „Schöne Lastwagen begeistern. (Aber) diesmal sind die Kollegen wie elektrisiert. Der Andrang auf das ‚Raumschiff‘ ist so groß, dass immer gleich zwei sich die Testrunde teilen.“ Die Rede ist vom neuen AE Magnum, den Renault stolz präsentierte und den die Fachwelt auch gleich zum „Truck of the Year“ kürte.
Lkw-Studie Virages als Ideenspender
Er hatte es verdient. Denn er setzte einige Ideen der Lkw-Studie Virages um, die ein paar Jahre früher für Wirbel sorgte (siehe Kasten). Doch der Reihe nach: Renault stellte 1990 den anfänglich noch AE genannten Lkw sowie eine hochwertig ausgestattete Variante als Renault AE Magnum vor, die 1991 auf den Markt kam. Das Staunen in der Nutzfahrzeugbranche war groß. Der AE hatte eine ungewöhnlich hoch sitzende Kabine mit großen, getönten Glasflächen und einen leiterartigen Aufstieg hinter dem Radausschnitt, den die Franzosen wohl bei Lokomotiven abgeguckt hatten. Die Vorderachse war weit nach vorne gezogen. Die Radstände hatten mit 3,90 und 4,12 Metern US-amerikanische Abmessungen. In die Fahrerhausform integrierte Windleiteinrichtungen und serienmäßige eingelassene Bugspoiler rundeten das Äußere ab.
Luftgefederte Fahrerhauslagerung
Innen bot der AE Magnum völlig neue Dimensionen. Aufgrund der hoch montierten, vom Motorraum völlig abgetrennten Kabine hatte der neue Renault nicht nur einen durchgehend ebenen Boden, sondern eine geräumige Fläche zwischen den Sitzen mit breitem Zugang zum unteren Bett. Eine zweite, längs einrollbare Liege war darüber an der Rückwand angebracht. Die Innenhöhe von 1,86, Innenbreite von 2,36 Metern und einer Tiefe von 2,02 Metern ließen ein ungewohnt großzügiges Raumgefühl aufkommen. Es gab es einen geräumigen Kleiderschrank in der seitlichen Kabinenverkleidung. Das niedrige Geräusch im Inneren und die weiche, auf vier Polstern luftgefederte Fahrerhauslagerung boten hohen Fahrkomfort, die Motoren für die damalige Zeit sehr ordentliche Fahrleistungen. Insbesondere die 500-PS-Version markierte die Leistungsspitze im europäischen Lkw-Bau.
Vorläufer R-Serie
Wer den Wurf von Renault in Form des Magnum richtig begreifen möchte, muss sich mit der Geschichte des Herstellers befassen. Erst zehn Jahre zuvor hatte Renault Véhicules Industriels die R-Serie vorgestellt, im Prinzip ein modernisierter Berliet TR, der sein neues Markenzeichen der Fusion von Berliet und Saviem zu verdanken hatte. Der FERNFAHRER-Tester schrieb 1988 Klartext: „Im Gegensatz zu früheren Begegnungen mit Fahrzeugen von Renault gelang das Anfahren mit dem 40-Tonnen-Zug auf Anhieb, keine Spur mehr von einer störrischen Kupplung.“ Und ein paar Zeilen weiter: „Die Kabine des R 365 ist (...) nicht unbedingt auf der Höhe der Zeit. Aber sie zeigt dem Fahrer, dass es auch schon vor 15 Jahren übersichtliche Autos gab, die man gut bedienen konnte.“ Schließlich ist der Tester zufrieden: „Beim Fahren stellt sich ganz schnell heraus, dass die Kiste unheimlich gut läuft. Auf unserer Teststrecke zwischen München und Eschenlohe kann man mehrfach längere Strecken rollen, ohne die Nadel des Tachos unter achtzig rutschen zu lassen. An den Steigungen zeigt der R 365 Kraft und Biss, er steht hier seinen Konkurrenten im 340/370-Club in nichts nach. Erstaunlich, was man aus so einem alten Berliet-Motor, der in der Saugversion einmal 200 PS leistete, noch alles machen kann.“