Fahrassistenz beim LKW Unfallvermeidung durch Fahrassistenz

Sicherheitsexperten erhoffen sich große Fortschritte von elektronischen Fahrerassistenten. Aufschlussreiche Erfahrungsberichte von Verbänden, Spediteuren und Herstellern hielten sich beim Dekra/VDI-Symposium in Wart die Waage mit zukunftsweisenden Ideen und Konzepten aus der Industrie.

Das Verkehrsaufkommen im Straßengüterverkehr soll sich nach Einschätzungen von Experten bis zum Jahr 2030 verdoppeln. Im Vergleich dazu ist die Wachstumsrate des Straßennetzes jedoch verschwindend gering.
Neben den Bestrebungen zur Schadstoff- und Emissionsreduktion rückt daher verstärkt die Unfallstatistik ins Blickfeld. Der Lkw-Versicherer Kravag hat auf dem Dekra/VDI-Symposium im Oktober eine Statistik vorgestellt, die sich mit den Hauptunfallarten bei Nutzfahrzeugen beschäftigt. Anhand einer »Muster Transport GmbH« zeigt Kravag, wie die Haftpflichtschäden durchschnittlich verteilt sind. Den größten Einzelposten bilden demnach die Rangier- und Parkunfälle mit rund 27 Prozent. Mit zehn beziehungsweise 15 Prozent folgen anteilig die Auffahr- und Spurwechselschäden. Immer noch knapp neun Prozent gehen darauf zurück, dass Fahrzeuge von der Fahrbahn abkommen. Laut Kravag sind es aber die Auffahrunfälle, die die meisten Kosten verursachen. Für Gefahrensituationen, die solche Unfälle auslösen, haben einige Hersteller Notbremssysteme im Programm, allen voran Mercedes-Benz, die ihren Assistenten bereits seit 2006 anbieten.
Die Assistenzsysteme, die der Gesetzgeber aktuell vorschreibt, geben dem Fahrer allerdings nur ein Mindestmaß an Unterstützung. Antiblockiersysteme und Retarder helfen dem Fahrer lediglich beim Bremsvorgang. Reagiert dieser allerdings falsch und bremst nicht oder zumindest nicht rechtzeitig, ist ein Unfall unausweichlich.

Mercedes-Benz verspricht mit seinem Active Brake Assist (ABA) genannten Notbremssystem, dass ein Großteil der Auffahrunfälle der Vergangenheit angehört. Im ersten Schritt erkennt das System nur Hindernisse in Bewegung. Auf diese Weise wollen die Entwickler verhindern, dass der Active Brake Assist versehentlich Objekte am Fahrbahnrand, wie Verkehrsschilder oder Bäume als Hindernis erkennt und eine Notbremsung einleitet. Durch die Beschränkung auf rollende Hindernisse ist die Leistung des Systems bei selber Sensorik zunächst ungleich höher. Denn solche falschen Warnungen können ernste Folgen haben. Wenn das System grundlos anspricht, fahren nachfolgende Fahrzeuge im schlimmsten Falle auf. Doch nicht nur das: »Aus der Praxis ist bekannt, dass Fahrer dazu tendieren, Warnsysteme abzuschalten, wenn Warnungen zu häufig und vor allem für den Fahrer nicht plausibel erfolgen«, sagt Ingo Scherhaufer, Leiter Fahrerassistenzsysteme bei Mercedes-Benz Trucks. Tatsächlich habe sich das Notbremssystem als eines der unauffälligsten Systeme überhaupt herausgestellt. Scherhaufer führt drei Referenzkunden an, die allesamt zufrieden sind. Der ABA verfügt über allerhand Ausschlussmechanismen, die dafür sorgen sollen, dass keine falschen Ziele erfasst werden. Trotzdem kam durchschnittlich einmal pro Woche ein Fehlalarm ins Cockpit durch. Tatsächlich ausgelöst hat das System bei solchen Fehlern jedoch nicht.»Anfangs gab es sogar Einzelfälle, in denen Fahrer sogenannte False Negative Reactions reklamierten. Es gab also gerade dann keine Reaktion des Systems, wenn dies nötig gewesen wäre. Unsere Unfallforscher haben die Fälle untersucht. In jedem uns bekannt gewordenen Fall hat das System im Rahmen seiner Systemgrenzen Schlimmeres verhindert oder der Fahrer hatte das System ausgeschaltet«, sagt Scherhaufer. Die zweite Stufe des Active Brake Assist hat Mercedes-Benz auf der IAA im September vorgestellt. Der Assistent soll nun auch stehende Hindernisse erkennen können. Schlägt das System an, habe der Fahrer noch mindestens zwei Sekunden Bedenkzeit, bis eine Teilbremsung und dann eine Vollbremsung folgen. Vor dem Bremseingriff warnt der ABA den Fahrer optisch und akustisch. Telefon und Radio verstummen.
Herbert Schäfer, Geschäftsführer von Schäfer Transport in Holzminden unterstützt neue Fahrerassistenzsysteme. Doch auch er gibt zu bedenken, dass der Fahrer sich nicht bevormundet fühlen darf. »Der ABA ist so ausgelegt, dass er relativ spät in die Fahrzeugführung eingreift, beispielsweise dann, wenn der Fahrer unaufmerksam oder abgelenkt ist. Der normal aufmerksame Fahrer würde in entsprechenden Situationen früher zu bremsen beginnen als der ABA«, sagt Schäfer. Sein Unternehmen wolle bei Sicherheitssystemen ohnehin eine Vorreiterrolle einnehmen. Doch die allein seien nur die halbe Miete: »Nur wenn die Fahrer die Funktionsweise der einzelnen Systeme genau kennen, können sie die Potenziale in der Praxis voll ausschöpfen. Die Fahrer müssen also zuvor geschult und unterwiesen werden. Sonst kann es dazu kommen, dass sie das System ablehnen und deaktivieren. Es hätte also Kosten verursacht, ohne einen praktischen Nutzen zu bringen.«

In diesem Sinne habe er als Spediteur einen dringenden Wunsch an die Hersteller. Gerade im Hinblick auf den dichten innerstädtischen Verkehr laufe jeder noch so vorsichtige Fahrer Gefahr, beim Abbiegen schwächere, ungeschützte Verkehrsteilnehmer zu überfahren. »Ich wünsche mir, dass sobald wie möglich von allen Lkw-Herstellern leistungsfähige Abbiegeassistenten angeboten werden können«, so Schäfer.
Weg von der Unfallvorbeugung wagt das Ingenieurbüro Adomeit den Schritt hin zum tatsächlichen Unfallgeschehen. Denn selbst mit den heutigen Sicherheitshelferlein ist die absolute Unfallfreiheit zunächst noch eine edle Vision. Ist das Blech erst einmal verbogen, gilt es, den Menschen im Inneren zu schützen. Geschäftsführer Julius Adomeit fragt also, wie die Insassen beim Aufprall selbst besser geschützt werden könnten. »Ähnlich wie beim Pkw sind auch im Nutzfahrzeug die Potenziale der klassischen passiven Sicherheit weitgehend ausgeschöpft«, erklärt Adomeit. Aktuelle Insassenschutzsysteme beginnen erst beim Aufprall den Unfalltyp zu ermitteln und lösen je nach Intensität Gurtstraffer und Airbags aus.
Es gibt auch bereits Systeme, wie beispielsweise Presafe von Mercedes-Benz, die Unfälle schon im Vorfeld erkennen. Diese Sensorik will sich Adomeit zu Nutze machen und die Insassen schon 100 Millisekunden vorher auf den Aufprall vorbereiten. Das Ingenieurbüro hat auf dieser Basis ein Pre-Crash-Rückhaltesystem entwickelt. Eine angepasste Sitzkonsole macht es möglich, die Fahrer im Vorfeld nach hinten zu ziehen. Dies habe zwei entscheidende Vorteile: Durch den entgegengesetzten Impuls, bremsen die Insassen schon sanft ab, bevor das Fahrzeug das Hindernis erreicht. Die Aufprallschwere falle folglich signifikant geringer aus. Energie wird schon vor dem harten Stopp abgebaut. Zusätzlich befinden sich die Insassen in einem kontinuierlichen Bewegungsablauf. Belastungsspitzen, wie sie bei der Beschleunigung aus dem Stillstand auftreten, entfallen. »In harten Zahlen ausgedrückt halbieren sich beim Aufprall aus 64 km/h die Beschleunigungskräfte auf den Brustkorb von der 40-fachen Erdbeschleunigung auf beinahe sanfte 20 g.«
Allerdings existiert das sogenannte Pre-Crash/Crash System bisher nur im virtuellen Modell. Erst mit der Unterstützung der Hersteller sei es möglich, auch in der Realität Versuche anzustellen und den Lebensretter zur Serienreife zu bringen. »Um einen kühnen Ausblick zu wagen: Mit der Pre-Crash Technologie wären auch Rückhaltesysteme möglich, die im Gegensatz zu allen konventionellen Ansätzen ohne Gurte auskommen. Der Sitz selbst wirft den Fahrer sozusagen in die richtige Position.«
Wenn der Platz auf den Straßen immer knapper wird, muss also im schlimmsten Fall der Innenraum für genug Überlebensraum sorgen. Gefragt seien Industrie und Gesetzgeber, um neue Ideen zu entwickeln und die Sicherheit auf den Straßen in die Gesetzbücher zu meißeln.

Schlingerfrei in Baustellen
Für Lkw ist es in engen Baustellen oft schwierig, die Spur zu halten. Pkw trauen sich meist nicht an den schlingernden Lkw vorbei. Der Verkehr fließt nicht ab. Mit dieser Problematik beschäftigt sich die Forschungsinitiative Aktiv. »Gerade in Baustellen liegen oft mehrere Fahrbahnmarkierungen übereinander. Optische Sensoren können da schwer unterscheiden«, sagt Christoph Resch, Ingenieur bei Aktiv ein. Stattdessen setzt er auf Lasersensoren. Am Baustellenbeginn lädt das Steuergerät per Funk die genaue Karte der Baustelle herunter. Der Laser vergleicht die Kartendaten als Soll-Werte mit dem tatsächlichen Ist-Abstand zur Straßenbegrenzung. Eine Art Autopilot hält bei der Baustellendurchfahrt die Spur. Am Baustellenende schaltet er wieder ab. Akustische, optische und haptische Signale sollen dies dem Fahrer mitteilen. Der erste Prototyp schafft bereits jetzt, das Schlingern auf nur zehn Zentimeter in jede Richtung einzudämmen. Noch ist das System allerdings nicht serienreif.
Quelle: Aktiv

Sicher mit 3,5 Tonnen
In einem gemeinsamen Projekt wollen BASt, Dekra, UDV und VDA die Sicherheit von Transportern untersuchen. Nach dem ersten Zwischenstand sind Transporter ebenso sicher wie Pkw. Ein großes Problem sei hingegen die niedrige Anschnallquote, wie auch der Partnerschutz. Transporter seien am häufigsten in Unfälle mit Pkw verwickelt. Falsch sei hingegen, dass in dieser Klasse die Unfälle überproportional zur Anzahl zunehmen.

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