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Dieselverbote auf der letzten Meile Fahrverbote sind bittere Pille für Zusteller

Zusteller beim Abliefern der Sendung. Foto: Trans-o-flex

Noch ist es nicht so weit, aber Fahrverbote für Dieselfahrzeuge sind grundsätzlich erlaubt. Das entschied das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) in Leipzig Ende Februar 2018.

"Fahrverbote treffen den KEP-Mittelstand existenziell. Deshalb arbeitet er seit Jahren an umweltfreundlichen Lieferkonzepten", sagt Andreas Schumann, Vorsitzender des Branchen­verbandes BdKEP. Stückgut- und Kurierverkehre mit Lastenrädern, die Konsolidierung von Sendungsmengen über gemeinsam genutzte Flächen oder Boxsysteme, der Einsatz neuer Fahrzeugkonzepte mit Elektroantrieb und system-ungebundene Paketboxen seien nur ein Ausschnitt aus dem Spektrum dieser Lösungen. Das Urteil helfe dabei, die Akzeptanz dafür in den Kommunen zu steigern und sie schneller umzusetzen. Dadurch können Fahrverbote vermieden werden.

Rahmenbedingungen verbessern

"Die Maßnahmen zur Reduktion von Schadstoffen sind bekannt und erprobt", sagt er. Nun gehe es darum, die Rahmen­bedingungen deutlich zu verbessern. Ladein­frastrukturen – besonders auf Betriebshöfen – müssen kurzfristig auf- und ausgebaut werden können. Dazu sei die schnelle Unterstützung der einzelnen Stadtwerke und Kommunen notwendig. Substanzielle Anschubförderungen zur Umstellung auf Fahrzeuge mit alternativen Antriebstechnologien seien besonders für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) nötig. Ladezonen und Zufahrtsregelungen müssen zugunsten neuer, emissionsarmer KEP-Systeme aus- und umgebaut werden. Schumann: "Kommunen sollten nun auch Themen wie die konsolidierte Zustellung auf der letzten Meile mutig angehen."

Markus Grenzer, Geschäftsführer der Maintaler Group mit Sitz im hessischen Bruchköbel, weist auf die große Unsicherheit in der Branche hin. Es sei bislang noch völlig offen, wo es zu Fahrverboten kommen könnte, welche Ausnahmeregelungen es geben wird, wie diese Fahrverbote überhaupt kontrolliert werden können und "mit welchen Maßnahmen die Automobilhersteller darauf reagieren werden", sagt er.

Messbarer Einfluss der Dieselabgase ist umstritten

Grenzer zweifelt zudem an der Sinnhaftigkeit dieser Maßnahme. "Es ist fraglich ist, ob Dieselabgase überhaupt einen messbaren Einfluss auf die Feinstaub- und Stickoxidbelastung haben", fügt er hinzu. Denn nach Auswertung umfangreicher Messdatenreihen konnte das Fraunhofer-Institut für Verkehrs- und Infrastruktursysteme in Dresden nachweisen, dass die Stickoxidkonzentration sehr wohl von der Verkehrsbelastung abhängt, die Feinstaubkonzentration hingegen weitgehend natürliche Ursachen hat und nur marginal auf den Verkehr zurückzuführen ist.

Paketdienste erbringen Grundversorgung"Gerade in der Innenstadt erbringen Paketdienste eine unverzichtbare Grundversorgung für Handel und Einwohner in der Innenstadt", fügt Gerd Seber, Group Manager Sustainability & Innovation bei der DPD Deutschland, hinzu. Im eigenen Interesse sollten Städte daher bei restriktiven Maßnahmen wie Fahrverboten stets auch die Belange der Paketdienste im Blick haben. "Ausnahme- und Übergangsregelungen sind dringend geboten", betont Seber.

Oliver Lanka, ­Fuhrparkleiter der Hermes Germany, hält gene­relle Fahrverbote für nicht sinnvoll. Sie würden die Versorgung von Gewerbe, Handel und Haushalten in den betroffenen Gebieten gefährden und zu einer Verlagerung und Verstärkung des Verkehrs auf Ausweichstrecken führen. "Natürlich nehmen wir unsere Verantwortung als Transportunternehmen für den Umweltschutz und die Luftreinhaltung wahr", betont er.
So erproben die Paketdienste schon in vielen Innenstädten, wie eine lokal emissionsfreie Paketzustellung aussehen kann. Mikrodepots, Lastenfahrräder, E-Transporter und elektrisch angetriebene Kleinfahrzeuge sind dabei wichtige Bausteine. Am besten funktioniert das dort, wo bei der Umsetzung die Städte unterstützen.

"GLS stellt sich auf alle Eventualitäten ein, darüber hinaus suchen wir und die betroffenen Städte und Gemeinden das Gespräch miteinander", sagt Anne Putz, Head of Communication & Marketing der GLS. Um ihre Grundversorgung sicherzustellen, können die Städte selber einen Beitrag leisten, indem sie City-Logistik-Konzepte unterstützen – "beispielsweise mit innenstadtnahen Lagermöglichkeiten für Pakete", fügt sie hinzu. Klar sei: Die Feinstaubbelastung in den Städten muss reduziert werden. Aber GLS sieht hier auch die Fahrzeughersteller in der Verantwortung.

Lösungen mit Augenmaß gefordert

"Solange man Äpfel nicht per E-Mail schicken kann, braucht es Lieferdienste", betont Ralf Roters von ICS Courier. Dieselfahrverbote sind auch aus seiner Sicht – ohne ausgereifte alternative Antriebskonzepte – der falsche Weg. "Saubere Luft in den Städten ist mit einem Dieselfahrverbot alleine kaum zu schaffen", sagt er und stellt klar: "Der Schutz der Umwelt ist auch uns wichtig. Wir führen alle Transporte CO2-neutral durch." Es sei notwendig, dass die Politik Lösungen mit Augenmaß umsetzt. "Was nutzt ein sauberes Stuttgart, wenn Mercedes, Porsche und Co. nicht mehr produzieren können, da die Lieferkette wegen Fahrverbote unterbrochen sein würde?", fragt er.

Die Luftreinhaltung in Städten ist ebenso für UPS ein wichtiges Anliegen. "Pauschale Fahrver­bote stellen aber keine adäquate Lösung dar", sagt Holger Ostwald, Referent Unternehmenskommunikation bei UPS. Auch er befürchtet, dass Ausweichverkehre entstehen, die letztendlich nur zu Verlagerungen und im schlechtesten Fall zu mehr Verkehr führen. "Letztlich stellt das BVerwG klar, dass Fahrverbote das letzte Mittel sein sollen", fügt Oswald hinzu. In gewisser Weise liege hierin eine Aufforderung an die Kommunen, insbesondere die Potenziale verkehrsorganisato­rischer Maßnahmen – für einen effizienteren Stadtverkehr – vorab auszuschöpfen.

Keine Alternativen zum Dieselantrieb

"Noch stehen keine wirklichen Alternativen zum Dieselantrieb zur Verfügung", kritisiert Wolfgang P. Albeck, Vorsitzender der Geschäftsführung von Trans-o-flex. Solange dies der Fall sei, muss es für den Lieferverkehr praktikable Ausnahmegenehmigungen von möglichen Fahrverboten geben. Denn der Lieferverkehr in den Innenstädten sei schließlich kein Spaßverkehr, sondern habe eine wichtige Funktion. Albeck: "Trans-o-flex und Thermomed zum Beispiel liefern Medikamente, die zum Teil lebenswichtig sind."

Die Politik muss nun die Weichen stellen, um eine sinn­volle Verkehrswende einzuleiten. "Wir nehmen die Meseberger Absichtserklärung der Bundesregierung ernst, alles zu tun, um Fahrverbote zu verhindern", sagt Florian Gerster, Vorstand des Bundesverbandes Paket und Express-Logistik (BIEK). Die gezielte Förderung gewerblicher Fahrzeugflotten mit alternativen Antrieben und der dafür benötigten Infrastrukturen sowie die Förderung innovativer Zustellkonzepte würden dabei einen wertvollen Beitrag zur Schadstoffreduktion leisten. "In vielen Fällen können zudem Maßnahmen zur Verbesserung des Verkehrsflusses viel dazu beitragen, den Schadstoffausstoß von Fahrzeugen in der Stadt zu reduzieren", resümiert er.

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