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Revolution auf der letzten Meile Cargobikes setzen zum Überholen an

Cargobike in Berlin Foto: Nicole de Jong

Wegen des stark steigenden Onlinehandels hat der Lieferverkehr in den Städten extrem zugenommen. Zugeparkte Radwege und höhere Feinstaubemissionen sind die Folge.

"Wir haben erkannt, dass es mit dem Wirtschaftsverkehr so nicht weitergehen kann", sagte Staatssekretär Jens-Holger Kirchner (Bündnis 90/Die Grünen), Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz Berlin, beim diesjährigen Symposium der European Cycle Logistics Federation (ECLF) Mitte April in der Hauptstadt. Daher wolle man im Juni ein Modellprojekt in Berlin Prenzlauer Berg starten, bei dem die fünf größten Paketdienstleister Deutschlands auf der letzten Meile die Auslieferung von Paketen mit Cargobikes testen.

Beim Projekt Kooperative Nutzung von Mikro-Depots (Komodo) durch die KEP-Branche für den nachhaltigen Einsatz von Lasträdern in Berlin erproben DHL, DPD, GLS, Hermes und UPS die gemeinsame Nutzung einer Logistikfläche bestehend aus mehreren Mikro-Depots. Diese stehen den fünf Unternehmen zur individuellen Paketzustellung mit jeweils unternehmenseigenen Cargobikes zur Verfügung. Die Paketdienste arbeiten im Projekt zusammen mit der Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz Berlin, der Berliner Hafen- und Lagerhausgesellschaft (Behala) als Betreiber der Mikro-Depots und dem Projektkoordinator Logistic Network Consultants (LNC). Das Projekt wird vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit im Rahmen der Nationalen Klimaschutzinitiative gefördert.

Sauber, sicher, leise - das ist das Credo

"Mikro-Depots sorgen für eine neue Stimmung in unseren Kiezen", fügt Regine Günther, Berliner Senatorin für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz, hinzu. Statt brummender Diesel-Transporter werden die Menschen künftig häufiger das Klingeln der Lastenräder hören.

"Sauber, sicher, leise und klimafreundlich – das ist die neue Mobilität hier in Berlin", sagt sie. Die letzte Liefermeile in den Vierteln sei ein idealer Einsatzort für Lastenräder. Die Erprobung neuer Konzepte und die optimale Kombination verschiedener Verkehrsmittel werden immer bedeutender. Cargobikes können dabei eine nachhaltige Alternative besonders in dicht besiedelten Stadtteilen sein und ihre Stärken dort besonders gut ausspielen. Sie sind wendig, klimafreundlich und verursachen lediglich sehr geringe Lärmemissionen – klare Vorteile gegenüber dem konventionellen Lieferwagen.

Auf einer Fläche an der Eberswalder Straße liefern die fünf Paketdienstleister künftig täglich Sendungen an und lagern diese in ihren Mikro-Depots zwischen. Die Zustellung liegt weiterhin in der Hand der einzelnen Projektpartner. Diese nutzen eigene Cargobikes, um Geschäfts- und Privatkunden im näheren Umkreis auf den letzten Kilometern emissionsfrei zu beliefern. Jeder der fünf Paketdienstleister nutzt einen separaten Container für die Zwischenlagerung und den Umschlag der Sendungen auf die unternehmenseigenen Cargobikes. Die Mikro-Depots werden von der Behala aufgebaut und zunächst für die Projektdauer bis Ende Mai 2019 betrieben.

Kooperativen und anbieteroffene Lösung ist das Ziel

Ziel des Projekts ist es, nachhaltige Lösungen für den Gütertransport in urbanen Gebieten zu entwickeln und zu erproben. Der Fokus liegt auf kooperativen und anbieteroffenen Lösungen, um die wenigen vorhandenen Flächen optimal zu nutzen, sodass die urbane Logistik möglichst stadtverträglich in Berlin integriert werden kann. Die Senatsverwaltung hat Medienberichten zufolge auch schon darüber nachgedacht, ob sich die Anlieferung zu den Depots mit Güterstraßenbahnen abgasfrei erledigen ließe.

Lastenräder sind eine echte Alternative zum Lieferwagen und eignen sich am besten für die Zustellung in dicht besiedelten Wohngebieten oder Innenstädten. Sie unterliegen keinen Einschränkungen und bieten bessere Park- und Einfahrmöglichkeiten. Oft lässt sich mit ihnen näher an die Empfängeradresse heran- oder Staus umfahren. In Deutschland ist die Verbreitung von Cargobikes noch relativ gering, nimmt aber ständig zu. Das Projekt "Ich ersetze ein Auto" der Nationalen Klimaschutzinitiative des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB), das zwischen 2012 und 2014 lief, zeigte, dass das Potenzial groß ist.

Projekt soll Städte entlasten

Ein neues Projekt heißt "Ich entlaste Städte". Es stellt Firmen und Einrichtungen im gesamten Bundesgebiet Lastenräder zur Verfügung. Für den technischen Support ist der Berliner Kurierdienst Messenger verantwortlich. Als Testfahrer bekommt jeder die Möglichkeit, die alternativen Transportfahrzeuge für rund drei Monate im praktischen Einsatz zu testen. Zur Verfügung stehen 15 verschiedene Modelle und insgesamt 150 Cargobikes. Pro Rad und Tag fällt eine Nutzungspauschale von einem Euro an, die den den Transport zu und von dem Standort des Testunternehmens sowie Wartung, Reparatur und Versicherungsschutz abdeckt. Das Lastenrad-Testangebot läuft bis 2019. Testfahrer werden weiterhin gesucht.

Regine Günther kündigte außerdem beim ECLF-Symposium in Berlin an, dass der Senat die Anschaffung von Lastenrädern fördert. Ab Mitte Mai können Anträge gestellt werden, teilte sie mit. Für dieses Jahr stehen 200.000 Euro zur Verfügung, davon 130.000 für private sowie 70.000 Euro für gewerbliche und freiberufliche Antragsteller. Für ein elektrisches Lastenrad gibt der Senat bis zu tausend Euro hinzu, für ein Rad ohne Elektromotor bis zu 500 Euro. Bis zu einem Drittel der Kaufsumme wird gefördert. 2019 steht dann eine halbe Million Euro bereit. Die neue Cargobike-Kaufprämie in Berlin ist eine von bundesweit mittlerweile 15 Kaufprämien-Programmen für Cargobikes, die im Kaufprämien-Überblick von cargobike.jetzt dokumentiert sind.

Option für die letzte Meile

Die 6. Hauptstadtkonferenz Elektromobilität der Berliner Agentur für Elektromobilität (eMO) widmete sich den Herausforderungen der City Logistik. Dabei brachte Berthold Huber, Vorstand Verkehr und Transport, Deutsche Bahn AG, Bahnhöfe als Standorte für smarte und neutrale Paket-Schließfachanlagen als Option für die letzte Meile ins Spiel – zur Abholung und Einlieferung von Paketsendungen. Man solle doch Pakete "dort abliefern, wo die Menschen eh täglich vorbeikommen", sagte er. Dies würde zu einer Verkehrsvermeidung in den Städten beitragen. Ein Umsetzungsbeispiel gibt es bereits in London durch den Anbieter Doddle.

Radlogistik-Verband in Gründung

Zum Start des Symposiums der Europäischen Fahrradlogistik-Föderation (ECLF) trafen sich deutsche Radlogistiker zur ersten gemeinsamen Sitzung Mitte April in Berlin. Die Gruppe hat die Gründung des Radlogistik Verbandes Deutschland als Deutsche Sektion des ECLF beschlossen. Der entstehende Radlogistik Verband Deutschland soll die Interessenvertretung der kleinen und mittelständischen Unternehmen werden, die die emissionsarme urbane Logistik etablieren. Der Verband wird sich für optimale Rahmenbedingungen zur Entwicklung der urbanen Radlogistik einsetzen. Ziel ist es, das Potenzial für wirtschaftlich und ökologisch sinnvollen Einsatz von Radlogistik voll auszuschöpfen, um die Lebensqualität in urbanen Räumen zu verbessern.

Wie Transporträder die Mobilität revolutionieren

Wohin führt der Cargobike-Boom und wie wird er umgesetzt? Diesen Fragen sind die Autoren Juergen Ghebrezgiabiher und Eric Poscher-Mika nachgegangen. Sie haben für das Buch Cargobike Boom gelebte und nachhaltige Mobilitätskonzepte und Ideen für menschenwürdige Städte aus dem In- und Ausland zusammengetragen. Darüber hinaus geben sie einen Überblick über technische Grundbegriffe, geschichtliche Zusammenhänge und die wichtigsten Lastenrad-Typen und Modelle. Cargobike Boom ist im Maxime Verlag erschienen.

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