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Lang-Lkw Projekt nimmt Fahrt auf

Lang-LKW bei Spedition Ansorge Foto: Jacek Bilski

Wie viele Spediteure werden wohl am Feldversuch mit Lang-Lkw teilnehmen? Hunderte, Tausende? Lange war darüber gerätselt worden. Tatsächlich sind nach Angaben aus dem Bundesverkehrsministerium von den zurzeit 50 Interessenten erst vier Speditionen mit acht Kombinationen bereits auf Tour.

Dass von den ursprünglich rund 500 Anfragen beim Ministerium derzeit nur etwa 50 Unternehmen Ernst machen wollen, beruht nach Ansicht des Parlamentarischen Staatssekretärs Dr. Andreas Scheuer zum einen auf wirtschaftlichen Entscheidungen. Hinzu kämen Restriktionen beim Streckenprofil. Das betrifft auch die letzte Meile. Dort entscheiden die Kommunen oftmals kategorisch negativ. Scheuer macht das an zwei drastischen Beispielen deutlich.

Ein Spediteur muss an der deutsch-niederländischen Grenze seinen Lang-Lkw umkoppeln

Beispiel: Nordrhein-Westfalen. Ein Blumenspediteur muss an der deutsch-niederländischen Grenze seinen Lang-Lkw umkoppeln, weil er die fehlenden zwei Streckenkilometer in Nordrhein-Westfalen nicht mit dem Gespann fahren darf. "Diese Logik muss mir einer erklären", sagt Scheuer. Er hat etliche Briefe von Spediteuren auch aus diesem Flächenland, die gern mitmachen möchten. Er kann aber nur auf die Entscheidungshoheit der jeweiligen Bundesländer verweisen.

Ähnlich wie dem Blumentransporteur geht es der Spedition Schwarz aus Herbrechtingen in Baden-Württemberg. Ihr fehlen nur 14 Kilometer, damit ihre beiden Lang-Lkw vom Kunden in Giengen zum A7-Rastplatz Lonetal kommen. Also bleibt ihr nichts anderes übrig, als in Baden-Württemberg mit konventionellen Lkw zu operieren und sie auf dem A7-Parkplatz zum Lang-Lkw zusammenzuführen oder zu trennen. Das bedeutet nicht nur zusätzliche Fahrkilometer, sondern auch rund eine Stunde mehr Arbeitszeit. Gerade wegen der Umweltdiskussion kann Spediteur Thomas Schwarz nicht begreifen, warum sich ausgerechnet eine grün-rote Landesregierung gegen den Feldversuch sperrt.
Staatssekretär Scheuer sieht allein deshalb dringenden Gesprächsbedarf – und kündigt Spitzengespräche an. Das erste wird voraussichtlich im April mit den Güterverkehrs- und Logistikverbänden sowie den Herstellern und der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt), die den Versuch wissenschaftlich begleitet, stattfinden. In dieser Runde sollen erste Themen abgearbeitet werden. Daran soll sich eine Gesprächsrunde mit den teilnehmenden Befürworterländern anschließen, an dem auch kommunale Spitzenvertreter teilnehmen. Konkret geht es dann auch um das Thema letzte Meile. "Denn die Behörden vor Ort müssen den Spediteuren die Genehmigung dafür erteilen. Das ist eine Einzelentscheidung", sagt Scheuer und macht deutlich, dass es auch in diesem Punkt noch Aufklärungsbedarf gebe.

Der Feldversuch dauert ja bis 2017

Wenn sich alles in ein paar Monaten eingespielt habe, will sich Scheuer auch zum Dialog mit den Ländern treffen, die nicht an dem Feldversuch teilnehmen. Teilweise ist er mit ihnen schon im Einzelgespräch. Das betrifft etwa Bremen und Mecklenburg-Vorpommern. Vor allem hätte er auch gern die Flächenländer Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen mit im Boot. "Sie haben ja nicht aus fachlichen, sondern aus politischen Gründen abgesagt", sagt er. Insgeheim hofft er, dass  im Laufe der Zeit die bisherigen Neinsager ihre Position überdenken.

Der Feldversuch dauert bis 2017

In den Startlöchern steht auch der Logistikdienstleister Hellmann aus Osnabrück. Voraussichtlich ab Mitte April wird im Zwei-Schichtbetrieb ein Fahrzeug auf der Strecke Osnabrück–Bramsche rollen. "Durch die Erfahrungen aus dem Feldversuch im Jahr 2007 gab es technisch keine Probleme, den Lang-Lkw zu konzeptionieren", sagt Sprecherin Kirsten Willenborg.

Sie bedauert, dass noch keine offizielle Streckenfreigabe durch das Verkehrsministerium vorliegt. Gern würde Hellmann auch auf anderen Strecken Lang-Lkw einsetzen. "Doch wir sind durch die geografische Lage von Osnabrück und der Nichtteilnahme der Bundesländer Nordrhein-Westfalen und Bremen stark in den Möglichkeiten eingeschränkt", sagt Willenborg – zumal es auch keine Transitmöglichkeiten durch diese Länder gebe.

Baden-Württemberg bleibt beim nein

Das baden-württembergische Verkehrsministerium wird Lang-Lkw auch im Vor- und Nachlauf zur Schiene oder auf nur kurzen Teilabschnitten nicht dulden. »Erstens kann es im Sinne einer einheitlichen Entscheidung auch für kurze Strecken keine Ausnahmen geben«, teilt es gegenüber trans aktuell mit. Zudem geht es davon aus, dass das Bundesverfassungsgericht den Feldversuch kippen wird. Die Bundestagsfraktionen von SPD und Grünen hatten zu Monatsbeginn Klage gegen das Projekt eingereicht, weil der gewählte Weg über die Ausnahmeverordnung ihrer Ansicht nach gegen das Grundgesetz verstößt.


Auch Baden-Württembergs Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) bereitet für die Länder eine entsprechende Klage vor. "Wird der Modellversuch gerichtlich gestoppt, ist die Frage von Anschlussverkehren sowieso hinfällig", teilt Hermanns Behörde mit. "Damit erübrigt sich aktuell auch die Frage eines Kombiverkehrs mit Lang-Lkw." Zuvor hatte der Logistikdienstleister Ansorge bei Hermann angefragt, ob eine Öffnung des Straßenkorridors zum Kombiterminal Ulm möglich wäre. Seit einem Monat ist Ansorge bereits mit Lang-Lkw von Biessenhofen zum Terminal München-Riem unterwegs. Die Spedition befördert Sanitärgüter per Bahn nach Köln, die Anfahrt zum Terminal Ulm wäre ab Biessenhofen kürzer als nach München.

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Jan Bergrath Jan Bergrath Journalist
Carsten Nallinger Carsten Nallinger Lkw-Navigation
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