Lage der Transportwirtschaft Lohnen sich Investitionen?

Olaf Meyers und Martin Fresemann Foto: Jan Bergrath

150 Millionen im Portemonnaie und eine Strategie der Stärke im Kopf. Olaf Meyers von CTJ möchte Speditionen kaufen. 

Die Stimmung in der deutschen Logistik- und Transportwirtschaft ist zu Beginn des neuen Jahres von einer großen Unsicherheit geprägt. Erste Indikatoren vom Herbst letzten Jahres weisen darauf hin, dass vor allem der Exportboom nach der heftigen Wirtschaftskrise 2008/2009 bald wieder vorbei sein könnte. Wirtschaftswissenschaftler warnen aufgrund der aktuellen Euro-Krise bereits vor einer möglichen Rezession.

Ob sie nun kommt oder nicht – auf derartige Entwicklungen reagiert die Transportwirtschaft in der Regel mit bis zu einem halben Jahr Verzögerung, weil viele Güter langfristig geordert werden und immer noch zum Kunden gebracht werden müssen, wenn die Firmen selbst kaum noch neue Aufträge in den Büchern stehen haben. Verhalten reagiert daher die Nutzfahrzeugbranche auf Prognosen. Nur Schmitz Cargobull hat bereits Konsequenzen gezogen und einem Teil seiner Leiharbeiter gekündigt. Kein gutes Zeichen und eigentlich eine ganz schlechte Zeit, um überhaupt in die Logistik zu investieren. Oder vielleicht gerade jetzt?

Viele mittelständische Unternehmen würden sofort verkaufen

Das jedenfalls glaubt Olaf Meyers, 44, Geschäftsführer der CTJ Janssen GmbH Spedition & Logistik aus Grevenbroich. CTJ ist ein mittelständisches Transportunternehmen mit einer eigenständigen Niederlassung, der TSL GmbH, in Weißandt-Gölzau. CTJ erzielt mit 130 Fahrzeugen, ausschließlich DAF, und 180 Mitarbeitern einen Umsatz von 23 Millionen Euro. Schwerpunkt sind Teil- und Komplettladungen mit Tautlinern im nationalen Fernverkehr. Meyers selbst ist seit mehr als 20 Jahren im Geschäft und er hört seit Jahren die Klagen der Kollegen. "In Deutschland", so schätzt er, "gibt es mindestens 150 mittelständische Unternehmer, die heute sofort verkaufen wollen, darunter etwa die Hälfte, weil sie einfach keine Lust mehr haben."

Das ist beachtlich. Laut der letzten Unternehmensstatistik des Bundesamts für Güterverkehr, BAG, haben von den rund 52.000 deutschen Transportunternehmen nur etwa 700 eine Flotte von 50 Lkw und mehr. So manchen steht das Wasser bis zum Hals. Ein immer brutaler werdender Wettbewerb mit einer extrem unbefriedigenden Marge von ein bis drei Prozent auf den hohen Kapitaleinsatz, also die eigene Flotte, die zudem im Zuge von strengen Umweltvorschriften ständig erneuert werden muss. "Und das", so Meyers, "in einer schwierigen Zeit, in der die Banken den Strick immer enger ziehen."

Die Anforderungen an den Beruf sind gestiegen

Aber nicht nur das: Nach Meyers Ansicht werden auch die Rahmenbedingungen für die Branche immer schlechter. Da ist zunächst der bald existenzbedrohende Fahrermangel, von dem auch CTJ nicht verschont bleibt. Meyers nennt das Problem klipp und klar beim Namen: "Wir stellen heute Fahrer ein, die schlicht nicht mehr den benötigten Qualifikationen entsprechen. Davon sind nach drei Monaten die meisten schon wieder weg, weil sie den gestiegenen Anforderungen an den Beruf nicht mehr gewachsen sind."

Dann kommt als weiteres Problem aus Unternehmersicht der digitale Tacho mit seinen eingeschränkten Lenkzeiten, die bei horrenden Bußgeldern, immer häufiger unkalkulierbaren Verkehrsverhältnissen und unflexiblen Kunden fast jeden Transportauftrag in der Disposition zu einem Vabanquespiel machen. "Mehr als 130.000 Kilometer Laufleistung im Jahr sind heute nicht mehr drin, wenn die Fahrer sich konsequent an die Gesetze halten. Das führt dazu, dass wir den Fahrern genau vorgeben müssen, wann sie losfahren und wo sie ihre Pause machen müssen." Doch das ist laut Meyers noch lange nicht alles. Er zählt auf: die Rampenproblematik, das Preisdumping durch Ausschreibungen, Zeitfensterbuchungen, die oft nicht funktionieren, Standzeiten, Palettentausch, Sendungsverfolgung, Mautdiskussion, Umweltvorschriften – und nun noch der ab 2012 vorgeschriebene Verkehrsleiter. "Das alles hat mit dem ursprünglichen Transportgewerbe nichts mehr zu tun."

Eine einheitliche Richtung vorgeben

Zu all diesen Unwegbarkeiten kommt noch der entscheidende Generationswechsel hinzu. Selbst in manchen gut geführten mittelständischen Unternehmen wollen die Kinder den Betrieb jetzt oder in absehbarer Zukunft nicht weiterführen, weil sie sich beispielsweise beruflich ganz anders orientieren oder ein Unternehmen mit all seinen Herausforderungen schlicht nicht übernehmen wollen. Genau hier setzt Meyers an: Eine eigene Unternehmensgruppe von mittelständischen Speditionen mit einer verfügbaren Flotte von mehreren 100 Fahrzeugen und einem Umsatz von 150 bis 200 Millionen Euro ist sein Ziel. Dabei will er sich ganz bewusst von den Ladungskooperationen unterscheiden. Denn deren Problem, so sieht es Meyers, ist ähnlich wie in der Europäischen Union: "Zu viele große Partner wollen mitreden. Deshalb wollen wir die geeigneten Unternehmen lieber kaufen und die einheitliche Richtung vorgeben."

Das Geld dazu ist da. Um genau zu sein: 150 Millionen Euro. Dieses Kapital kommt aus einem Fonds, den der Finanzdienstleister Auctus aus München neu aufgelegt hat, das notwendige logistische Fachwissen soll nun Olaf Meyers mitbringen. Im Mai 2011 wurde in Grevenbroich die TH Transportation Holding gegründet.Der Geschäftsführer Martin Fresemann, 42, ist seit 21 Jahren im Logistikgeschäft aktiv, die letzten 16 Jahre in leitender Funktion. Er ist für die operative Auswahl der Zukäufe und deren Steuerung verantwortlich.

Der Transportmarkt steht vor gravierenden Veränderungen

Im letzten November wurde bereits die erste Absichtserklärung zum Kauf eines mittelständischen Transportunternehmens mit 50 Fahrzeugen unterschrieben. Ende Januar 2012 rechnet man mit dem Vertragsabschluss. Das gekaufte Unternehmen soll dabei in seinem Kern erhalten bleiben. Das logistische Ziel des potenziellen neuen Zusammenschlusses ist bereits klar formuliert – eine schlagkräftige Gruppe mit starker Marktpositionierung, die sich durch Synergieeffekte beim Einkauf, operative Effizienz, breite geografische Abdeckung und ein nachhaltiges Wachstum auszeichnet – das soll entstehen.

"Das bedeutet für uns natürlich auch", so Meyers, "im Wettbewerb der nahen Zukunft um die besten Fahrer entsprechende attraktive Fahrzeuge einzukaufen, diese gut auszustatten und die Löhne anzupassen."Fünf bis sechs mittelständische Unternehmen sollen bald eingebunden werden. Auf der Suche nach geeigneten Partnern sind Meyers und Fresemann mit ihrer finanzstarken Holding aber nicht alleine. Ein Logistikkonzern, die Rhenus AG, ist derzeit ebenfalls auf Einkaufstour. Was die Zukunft auch immer bringen wird – der Transportmarkt in Deutschland steht vor gravierenden Veränderungen.

Wo das Geld herkommt

Jedes Unternehmen braucht Kapital, um weiter investieren zu können. Im mittelständisch strukturierten Transportgewerbe sind diese Geldgeber in der Regel die Banken, die Kredite gewähren. Nach zwei EU-Richtlinien, Basel I und II, wurden die Eigenkapitalvorschriften für Banken verschärft, sodass diese ihre Risiken ganz genau abwägen. Bei geringen Margen und großer Insolvenzgefahr ist das Transportgewerbe kein attraktiver Partner für die Banken mehr, die zudem durch die aktuelle Euro-Krise zum Teil selbst angeschlagen sind.

Viele Nutzfahrzeughersteller bieten eine eigene Finanzierung wie zum Beispiel Leasingverträge an. Die wiederum erhöhen bei schlechter Auslastung den Druck, jede Fracht annehmen zu müssen, um die laufenden Raten weiter zu zahlen. Eine andere Möglichkeit, an Kapital zu kommen, sind Beteiligungsgesellschaften (Private- Equity- Fonds) wie Auctus (www.auctus.com). Sie investieren mit dem Geld ihrer Anleger meist in mittelständische Betriebe.

Sie unterscheiden sich von den "Heuschrecken", den Hedgefonds, die besonders gern Tochterfirmen kaufen, die ein Konzern gerne loswerden möchte. Hedgefonds geht es dabei meist nicht um den Erhalt der Firma, sondern um Profitmaximierung: Um die geforderten Gewinnmargen von 15 bis 20 Prozent zu erreichen, erfolgen meiste brutale Kostensenkungen zu Lasten der Beschäftigten durch massiven Stellenabbau, Lohnkürzungen und den Einsatz billiger Leiharbeiter.

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