Kriminalität Traurige Spitze

Sicherheits Parkplatz Foto: Juliane Bezold

Der Diebstahl von Fracht oder gar kompletter Lkw nimmt in Europa immer mehr zu. Deutschland ist einer der Brennpunkte.

Sie kommen nachts, häufig am Wochenende und sind bandenmäßig organisiert. Sie kommen, wenn die Fahrer schlafen, schlitzen Planen auf und nehmen sich, was wertvoll und gut wieder zu verkaufen ist. Deutschland ist bei den am meisten von Frachtdiebstahl betroffenen Ländern ganz vorn mit dabei, ungesicherte Parkplätze an den großen Transitstrecken sind der Schwerpunkt. Die gute Nachricht: Während in Frankreich und Italien Gewalt an der Tagesordnung ist, wird bei uns weitgehend "nur" geklaut.

Auf gemeldete Delikte bezieht sich die Sicherheitsvereinigung Transported Asset Protection Association (Tapa), und danach hat Deutschland in Europa 2014 den ersten Platz eingenommen, gefolgt von den Niederlanden, Großbritannien, Frankreich und Italien. Die 285 Fälle bedeuten im Vergleich zu 2013 einen Anstieg von 42,5 Prozent. Innerhalb Deutschlands war Nordrhein-Westfalen mit 82 registrierten Fällen Spitzenreiter, gefolgt von Hessen mit 36 Fällen. Die Summe der gemeldeten Schäden betrug insgesamt knapp 15 Millionen Euro, von einer hohen Dunkelziffer ist auszugehen.

Deutschland als europäischer Brennpunkt

Der kommerzielle Sicherheitsdienstleister Freightwatch International (FWI) sieht Deutschland in Europa auf Platz drei auf einer Liste von zehn Brennpunkten. Das geht aus dem Bericht 2014/15 hervor, den das Unternehmen nach eigenen Angaben mithilfe von Experten, Industrievertretern und Polizeibehörden erstellt hat. An der Spitze steht dort Frankreich, gefolgt von Italien. Auf Deutschland folgt Russland. Belastbares Zahlenmaterial zur Cargo-Kriminalität in Deutschland gibt es nicht. Die Delikte werden nicht als Frachtdiebstahl festgehalten, die Behörden tauschen sich nicht aus.
Deshalb hat Freightwatch verlässliche Zahlen aus Niedersachsen hochgerechnet und kommt deutschlandweit für 2014 auf rund 5.000 Diebstähle aus Trailern, einschließlich Treibstoffdiebstahl. Hinzu kommt der Diebstahl kompletter Fahrzeuge oder Anhänger. Deren Zahl lag FWI zufolge 2013 bei rund 1.700 Einheiten – im Vergleich zum Vorjahr ein Anstieg von 4,8 Prozent, die Dunkelziffer liege vermutlich weit höher. Zahlen für 2014 lagen beim Erstellen des Berichts noch nicht vor.

Bevorzugte Methode hierzulande: Planenschlitzen auf unbewachten Parkplätzen. Dabei ist es nicht ungewöhnlich, dass in einer Nacht mehrere Dutzend Fahrzeuge an einem Standort attackiert werden. Mitgenommen wird, was interessant erscheint. Diese Vorgehensweise machte laut Tapa 57 Prozent der Diebstähle insgesamt aus, gefolgt von Diebstählen aus Lagerhäusern (25 Prozent) und Fahrzeugdiebstahl (12,6 Prozent). Glücklicherweise gab es nur zwei Zwischenfälle, bei denen Gewalt ausgeübt wurde, wird berichtet. Bevorzugtes Diebesgut waren Autoreifen, Verbraucherlektronik, Werkzeuge und Metall.

A 2, A 4 und A 7 besonders betroffen

Die am meisten betroffenen Autobahnen waren nach Angaben von Freightwatch die A 2, die A 4 und die A 7 und hier insbesondere die Schnittstellen zwischen Ost-West und Nord-Süd-Achsen. Dort gebe es für die Banden die größte Auswahl an Fahrzeugopfern. Aufgrund seiner wirtschaftlichen Stärke und geostrategischen Lage sei Deutschland für die Kriminellen vermutlich das attraktivste Land in Europa.

Die Banden kämen meist aus zentral- und osteuropäischen Ländern, hielten sich aber häufig permanent in Deutschland auf. Osteuropa ist auch der wichtigste Verkaufsplatz für das in Deutschland gestohlene Diebesgut.

Nach Angaben der niedersächsischen Polizei ist dort der Frachtdiebstahl um 17 Prozent von 574 Fällen im Jahr 2013 auf 672 Fälle 2014 angestiegen. Von einem Anstieg muss man wohl auch für Deutschland insgesamt ausgehen. Und der könnte sich in Zukunft noch verstärken. Ursächlich dafür ist nicht nur der Mangel an sicheren Parkplätzen. Der verstärkte Preiskampf auf dem Transportmarkt könnte dazu führen, dass bei steigendem Transportaufkommen an Sicherheitsvorkehrungen in Fahrzeugen und Lagern gespart und das Fahrertraining vernachlässigt werde, meint FWI. Werden Lagerhaltung und Distribution aus Kostengründen fremdvergeben, könnten sich ebenso Angriffspunkte ergeben.

"Wir brauchen eine geschlossene Front"

Der Polizei fehlen nicht nur in Deutschland die Kapazitäten zur Strafverfolgung, sondern häufig auch die entsprechenden Mittel. Eine Cargo-Crime-Einheit in Großbritannien  war 2012 zunächst Sparzwängen zum Opfer gefallen. Laut Tapa gab es bei den Briten 2014 mit 98,8 Prozent den größten Anstieg bei Cargo-Kriminalität.

Inzwischen wurde bei der Polizei eine Einheit namens Navcis Freight (National Vehicle Crime Intelligence Service) geschaffen. Sie hat sich die niederländischen Ermittlungsbehörden zum Vorbild genommen, schließt sich mit Kollegen in Belgien kurz und wird von Interpol und Europol unterstützt. Es hänge alles von schnellen Informationen ab, sagt Sergeant Mark Colley. Ermittler, Industrie und Versicherer müssen zusammenarbeiten:  "Wir brauchen eine geschlossene Front."

Sicher abgestellt

Ein mittelständisches Unternehmen aus Bayern hat sich dem Bau von
Sicherheitsparkplätzen verschrieben. Die Traspal Deutschland aus Ober­haching bei München betreibt derzeit zwei Sicherheitsparkplätze – einen in der Nähe von Gau-Bickelheim bei Mainz an der A 61 sowie einen zweiten am Hermsdorfer Kreuz an der A 4. In den nächsten zwei Jahren sollen 20 weitere Stationen für Lkw, Transporter und Pkw errichtet werden, sagt Geschäftsführer Lukianu Caftantzis trans aktuell. Außerdem sei der Sprung ins europäische Ausland geplant. Es gebe bereits Anfragen von Spediteuren und Autohofbetreibern aus Österreich, Spanien und Polen. Die Kosten für einen sicheren Platz auf dem eingezäunten, alarm- und videoüberwachten Gelände liegen – je nach Lkw-Länge – zwischen 89 Euro und 149 Euro pro Nacht. Traspal investiert für einen Parkplatz mit acht Lkw- und vier bis sechs Pkw-Stellplätzen etwa 500.000 Euro. Alle Sicherheitsparkplätze von ESPORG sind übrigens in der FERNFAHRER Autohöfe-App enthalten.

Die aktuellen Zahlen

Die Sicherheitsvereinigung Tapa hat die Zahlen der Frachtdiebstähle im 1. Quartal 2015 herausgegeben. Demnach ereigneten sich 78 Prozent von 206 gemeldeten Vorfällen in Großbritannien, den Niederlanden und Deutschland. In Deutschland betrug der Schaden bei sechs Diebstählen mehr als 100.000 Euro. Es wurden dort zwar insgesamt nur 20 Fälle gemeldet, Tapa geht aber davon aus, dass die tatsächliche Zahl wesentlich höher liegt. Der spektakulärste Fall ereignete sich in Frankreich nahe einer Maut­station. Dort wurden Fahrzeuge gekapert, die Diamanten, Edelsteine und Kunstgegenstände im Wert von rund neun Millionen Euro beförderten.
Quelle: Tapa Emea

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