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Kraftstoff Weg von den Ölscheichs

Kraftstoff, Gewerbe, Dieselpreise, Kraftstoffstrategie Foto: © Quelle: MWV; Rathmann; Grafik: Frieser

Das Gewerbe muss sich aus der Abhängigkeit vom Öl befreien, fordert der Bundesverband Güterkraftverkehr, Logistik und Entsorgung. Die Kraftstoffstrategie der Bundesregierung geht ihm nicht weit genug.

Die Bundesregierung sieht den Lkw in der Dieselfalle. Das will das Transportgewerbe nicht hinnehmen. Gefordert wird ein stärkeres Engagement bei neuen Antrieben und Kraftstoffen und eine ernst zu nehmende Strategie. "Man hört allenthalben, dass wir im Transportgewerbe die nächsten 20, 30 Jahre keine Alternative zum Dieselmotor haben. Das ist uns zu wenig", sagt Prof. Dr. Karlheinz Schmidt, Geschäftsführendes Präsidialmitglied des Bundesverbands Güterkraftverkehr, Logistik und Entsorgung (BGL). "Wir können nicht darauf bauen, dass es Dieselkraftstoff noch 40 Jahre gibt, und wir müssen  überlegen, was kostet er in zehn, was kostet er in 20 Jahren."

Regenerative Quellen sichern

Der Straßengüterverkehr müsse sich regenerative Quellen sichern. Schmidt kritisiert die Mobilitäts- und Kraftstoffstrategie (MKS), die das Bundesverkehrsministerium präsentiert hat. Gerade in Bezug auf den Straßenschwerverkehr sei sie erstaunlich wenig konkret. "Was dort schriftlich dokumentiert ist, ist weniger als das, was tatsächlich in Arbeit ist", sagt Schmidt. "Wir finden das bedauerlich, weil Akzente gesetzt werden müssen."

Zu begrüßen seien Ansätze beispielsweise hin zur Wasserstofftechnologie oder das vom Umweltministerium betriebene Projekt Enuba, bei dem ein Lkw über eine Oberleitung mit Strom fährt. "Wir wünschen uns so schnell es geht eine Erprobung der technischen Machbarkeit, um loszukommen von der Bindung an den Dieselmotor und an die Ölscheichs." Bei Stillstand werde angesichts von Entwicklungszeiten von 10 bis 20 Jahren die Zukunft verspielt.

Verkehr sollte Beitrag zum Klimaschutz und zur Energiewende leisten

Ähnlich sieht das Dr. Patrick Thiele vom Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK). "Die Mobilitäts- und Kraftstoffstrategie der Bundesregierung ist eine Faktensammlung und damit lediglich der Ausgangspunkt für eine Diskussion über Forschungsschwerpunkte und Maßnahmen, die jetzt dringend geführt werden muss", sagt er. "Auch der Verkehr sollte danach einen Beitrag zum Klimaschutz und zur Energiewende leisten. Da aber die Nachfrage nach Kraftstoff weltweit tendenziell steigt, wird sich dies auf die Preise niederschlagen." Thiele fordert:  "Wir brauchen weiterhin genügend Energie für den Verkehr und diese muss auch bezahlbar bleiben."

Noch schärfer formuliert es Eckhard Kuhla von der Mobilitätsinitiative Moin. Die Bezeichnung Mobilitäts- und Kraftstoffstrategie sei ein Etikettenschwindel, der den Verkehrssektor "zum Erfüllungsgehilfen der Klimaschutzpolitik" mache. So führe die Annahme der Bundesregierung, dass für den Nutzfahrzeugbereich "ölbasierte Kraftstoffe in den nächsten Jahrzehnten weiterhin maßgeblich" seien kaum zu der notwendigen Priorisierung der Entwicklung von Alternativen zum Dieselöl. Dazu habe die Regierung auch keinen Plan B. Die potenziell-kritische Angebotssituation der Lkw-Kraftstoffe wegen der derzeit fehlenden Alternativen zum Diesel verlange eine besondere Aufmerksamkeit für den Lkw und seiner Bedeutung.

Verkehrssektor ist zu 90 Prozent vom Erdöl abhängig

Derzeit ist der Verkehrssektor zu mehr als 90 Prozent vom Erdöl abhängig. Die Bundesregierung stellt zudem in fest, dass die Versorgungssicherheit mit Dieselkraftstoff auf wackeligen Beinen steht. Und das nicht nur, weil Ölquellen versiegen könnten und die Erschließung neuer Vorkommen teurer wird. "Es besteht die Sorge, dass die Anzahl an Raffinerien in Deutschland weiter abnimmt und so die Importabhängigkeit bei Erdölprodukten weiter steigt", heißt es. Vor dem Hintergrund, dass weltweit immer mehr Diesel und weniger Benzin nachgefragt wird, beide aber in der Produktion aneinander gebunden sind, wird die Produktion von Dieselkraftstoff künftig als eine zunehmende Herausforderung gesehen.

Um den Klimazielen der Regierung Rechnung zu tragen, soll der Verkehrssektor seinen Energieverbrauch bis 2020 um rund zehn Prozent und bis 2050 um rund 40 Prozent gegenüber 2005 senken. Besonders im schweren Straßengüterfernverkehr verzeichnen die Ministerien aber ein "dynamisches Verkehrswachstum", das weitere Effizienzmaßnahmen kompensiert.

Realität der Märkte im Blick behalten

Matthias Wissmann, Präsident des Verbands der Automobilindustrie (VDA), wünscht sich, dass Richtlinien, Gesetze und Vorschriften stärker die Realität der Märkte im Blick behalten. Lärmgrenzwerte, Kraftstoffverbrauch und Schadstoffemissionen werde die Industrie weiter optimieren. "Aber die Physik lässt sich nicht überlisten. Überall gleichzeitig neue Bestimmungen zu erlassen – das wird nicht zur Mobilität, zum Güterverkehr oder zum Nutzfahrzeug von morgen führen", so Wissmann. Daimler-Vorstand Wolfgang Bernhard gibt zu bedenken: "Was sich für unsere Kunden nicht rechnet, wird auch nicht gekauft und ist damit auch für die Umwelt wertlos." Beide Partner müssten sich aufeinander verlassen können. "Nur so ist gewährleistet, dass das Beste für alle herauskommt."

Immer mehr Verkehr

Der Güterverkehr in Deutschland hat kontinuierlich zugenommen. Von 1994 bis 2011 gab es eine Steigerung der Güterverkehrsleistung auf der Straße von 273 auf 469 Milliarden Tonnenkilometer. Das entspricht einer Zunahme um 72 Prozent. Der Anteil der Straße an der Güterverkehrsleistung hat in diesem Zeitraum von 64,5 auf 71,8 Prozent zugenommen, stellt die Bundesregierung in ihrer Strategie fest. Zwar ist es zu Effizienzsteigerungen beispielsweise durch optimierte Rundläufe oder neue Belieferungskonzepte mit verstärkten Bündelungseffekten gekommen; diese konnten jedoch das steigende Güterverkehrsaufkommen und zunehmende Wegelängen nicht kompensieren.

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