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Kombinierter Verkehr in Spanien Chemie ist König

KV-Terminal Bayonne

Das Baskenland und die Region Katalonien haben noch mehr Gemeinsamkeiten als das Streben nach Unabhängigkeit: Beide sind neben der Hauptstadtregion Madrid die wichtigsten Wirtschaftsregionen Spaniens und die Eingangstore für den Kombinierten Verkehr (KV) auf die Iberische Hauptinsel. Einer der Hauptakteure ist dabei der Frankfurter Operateur Kombiverkehr.

Dessen Züge aus Köln, Ludwigshafen und Dillingen versorgen die spanische Industrie und bringen Konsumgüter und Lebensmittel retour. Zwei Routen stehen dabei im Mittelpunkt: die Atlantikroute, die über Bayonne und Iran nach Madrid sowie Portugal führt, sowie die Mittelmeerroute über Port Bou nach Barcelona, Tarragona und Granollers. Letztere macht den Löwenanteil in den Verkehren aus: Allein von Januar bis August transportierte Kombiverkehr von und nach Spanien und Portugal mehr als 36.000 Sendungen, von denen rund 65 Prozent die südliche Route nahmen. 23 Prozent der Sendungen waren auf der Atlantikroute unterwegs und zwölf Prozent hatten das Ziel/den Start in Bayonne.

500 Sendungen für Bayonne

In dem grenznahen Terminal auf französischem Boden ist die französische Novatrans Hausherr über insgesamt vier Gleise à 400 Meter. Drei Züge wöchentlich kommen im Auftrag von Kombiverkehr hier an, die mit zwei mobilen Portalkränen und Reachstackern be- und entladen werden – insgesamt rund 500 Sendungen pro Monat, davon das Gros Chemieprodukte. Sie finden ihre Abnehmer im gesamten Baskenland und darüber hinaus, sowohl auf französischer als auch auf spanischer Seite.

Verschiedene Spurbreiten

Denn am Terminal Irun, das vom spanischen Unternehmen Adif (Administrador de Infraestructuras Ferroviarias) betrieben wird, sind Straßenabholungen aufgrund der mangelnden Stau- und Parkkapazitäten nicht möglich. Das Terminal ist dennoch ein wichtiger Knotenpunkt, weil die durch die DB-Tochter Euro Cargo Rail traktionierten Züge von Kombiverkehr, insgesamt 14 pro Woche, hier quasi andere Schuhe bekommen: Aufgrund einer abweichenden Spurbreite in Spanien (1.668 Millimeter statt 1.435 Millimeter nach UIC) müssen die KV-Behälter auf einen neuen Zug umgekrant werden. Der Zeitfaktor ist hierbei kein Problem – in rund zweieinhalb Stunden haben die Mitarbeiter den Wechsel vorgenommen, sagt Raul Justo, Operations Manager bei Adif.

Satellitenverkehre in die wichtigsten Städte

Die bis zu 36 Einheiten werden dabei in die richtige Reihenfolge gebracht – retour nach Deutschland sind die Container nach Dillingen in der Wagenreihung vorne, die mit Bestimmung Ludwigshafen in der Mitte und die nach Köln hinten. Im Import wird auf die richtige Reihung ebenfalls Wert gelegt: Bereits am Knotenpunkt Saarbrücken lässt Kombiverkehr zu einem zielreinen Zug zusammenstellen, denn Madrid ist nicht für alle Sendungen der Zielort. Von der spanischen Metropole aus ist Portugal (Viego, Porto und Lissabon) an das Kombiverkehr-Netz angebunden, außerdem gibt es Satellitenverkehre nach Zaragoza, Valencia, Murcia, San Roque und Sevilla.
Für diese sichere Weiterleitung von Gateway-Sendungen stehen auf der 600 Kilometer langen Relation Irun–Madrid zwölf Ganzzüge im Wochenplan – die höhere Anzahl der Züge ergibt sich daraus, dass die Renfe-Züge in kleineren Einheiten fahren, mit 1.000 Tonnen statt wie in Deutschland üblich bis zu 1.500 Tonnen Kapazität, und mit nur 398 Meter statt 500 Meter langen Zügen. Kombiverkehr führt Köln–Irun als AC-Verbindung mit einer Laufzeit von 30 Stunden, Irun–Madrid benötigt rund zehn Stunden.

Mittelmeerroute trägt die Hauptlast


Das Zugpferd des deutschen KV-Operateurs auf die Iberische Halbinsel ist jedoch die Route Richtung Mittelmeer: 26 Züge pro Woche zieht Traktionär SNCF dabei auf der Route, die in die katalonische Hauptstadt Barcelona beziehungsweise in das nahe gelegene Terminal Constanti führt. Die Zweigruppenzüge werden ab Ludwigshafen beziehungsweise Köln geladen und am Terminal Port Bou umgekrant und zu einem zielreinen Zug verbunden. Das Problem der Spurbreite umgeht eine weitere AB-Verbindung zwischen Ludwigshafen und Barcelona-Morrot, die über den Tunnel TPL mit entsprechend ausgebauten Schienen führt. Hier übergibt die französische SNCF auch an die spanische Eisenbahngesellschaft Renfe, die alle Kombiverkehr-Züge auf der Halbinsel traktioniert. "Das ist eine zukunftsträchtige Verbindung, die vor allem von unserer Tanker-Kundschaft gut angenommen wird", sagt Peter Dannewitz, Leiter Vertrieb bei Kombiverkehr.

Wein aus Valencia

Überhaupt bestimmt die Chemie den größten Anteil der Kombiverkehr-Sendungen nach Spanien, entsprechend prägen Tankcontainer noch vor Planenaufliegern oder Wechselbrücken das Bild auf den Zügen. Natürlich sind auch Lebensmittel zu finden – aus den Regionen Murcia oder Valencia findet etwa spanischer Wein seinen Weg in den Norden, ebenso wie diverse verpackte Ware. Aber Chemie ist König: In Ludwigshafen starten die Züge im Herzen des Chemiestandorts Rhein-Main, im Terminal KTL, dessen Eigentümerin die BASF ist. Und auch in Barcelona-Morrot ist BASF der Empfänger. 2016 waren es deutlich weniger Sendungen für den Chemieriesen: Ein Unfall auf dem Werksgelände mit wochenlangem Produktionsausfall als Folge verursachte einen deutlichen Sendungsrückgang.

Terminal für Chemiecluster

Aber die Chemie bietet weitere Wachstumschancen für die KV-Verbindungen zwischen Deutschland und Spanien: Laut Dannewitz stehen der deutsche Chemiekonzern und eine internationale Betreibergruppe um ihn in den Startlöchern für ein neues „Combi Terminal Catalonia“ in Tarragona, von dem das dortige Chemie-Cluster rund um Firmen wie BASF, Bayer und Dow Chemical profitieren könnte. Auf vier Gleisen und mit zwei Portalkränen könnten hier künftig Sendungen bearbeitet werden.

Verzögerungstatktik der Regierung

BASF werde aber erst den Startschuss für den Baubeginn erteilen, wenn ein drittes Gleis für die Normalspur zwischen Barcelona und Tarragona gebaut werde – "und wann diese Strecke in Bau geht, ist ein sehr politisches Thema", sagt Dannewitz und verweist auf die Differenzen zwischen der spanischen Zentralregierung und der Regierung Kataloniens. Madrid will auch hier hinsichtlich der Unabhängigkeitsbestrebungen der Nordwest-Region Zeichen setzen – es fällt nicht schwer, dabei von einer Verzögerungstaktik für die 60 Kilometer zwischen Morrot und Tarragona zu sprechen. Erst wenn dieser Konflikt geklärt ist, ist auch die freie Fahrt in das geplante Terminal gewährleistet.

"Schiene muss punkten"

Nach Rastatt: Kombiverkehr-Geschäftsführer Breuhahn fordert eine Reform der Haftungsbedingungen

Die Spanier sind besser als ihr Ruf: "Streiks passieren inzwischen so gut wie nie, zumeist werden sie wenige Stunden vorher zuverlässig abgesagt", sagt Kathleen Zarse, Verantwortliche für Terminals und Operation Spanien/Portugal für Kombiverkehr. "Die Franzosen sind da ganz anders", sagt Zarse, die von Barcelona aus sowohl mit den Bahngesellschaften Euro Cargo Rail (ECR) und SNCF (beide Frankreich) und Renfe (Spanien) zusammenarbeitet.

Marktanteile steigern

Der Intermodalverkehr führt in Spanien im Vergleich zum Straßengüterverkehr noch eine ungeordnete Rolle: Vier Prozent beträgt der Marktanteil, im Vergleich zu 20 Prozent in Deutschland, sagt Francisco Gonzalez, Generaldirektor des Operateurs Combiberia aus Madrid. Das Unternehmen, an dem Kombiverkehr und andere Unternehmen Anteilseigner sind, will das im Rahmen einer "360-Grad"-Strategie durch Prozessinnovationen und eine Serviceinitiative ändern. Einfach wird das nicht: Die Landschaft der spanischen Transportunternehmer ist vielzählig und sehr kleingliedrig. Zudem ist nicht überall das Profil P400 garantiert einsetzbar, "jedenfalls nicht nachhaltig", sagt Kombiverkehr-Vertriebsleiter Peter Dannewitz. Der Einsatz von Megatrailern und Companytrains könnte das intermodale Wachstum weiter pushen.

Rastatt hat ganzes Netz beeinflusst

Schwer wiegt vor allem in Deutschland das Pfund, das der Kombinierte Verkehr nach Rastatt zu tragen hat. "Der Kommunikationsfluss war problematisch, die ganze Situation durch einen fehlenden Plan B mehr als unbefriedigend", sagt Dannewitz. Kombiverkehr-Geschäftsführer Robert Breuhahn geht in der Bewertung sogar noch weiter: Rastatt hat nicht die Verkehre durch den Schweizer Korridore beeinflusst, sondern das ganze Netz." Als Konsequenz fordert er eine Änderung der Haftungsbedingungen, "vieles ist da rein rechtlich jahrzehntealt". So solle endlich geklärt werden, ab welchem Zeitpunkt bei einer Lieferfristüberschreitung die Bahn für Verspätungen haftet – und dies auf Basis des aktuellen Fahrplans.

Imageschaden für das ganze System

Dass eine Haftung erst eintrete, wenn der Zug schon eine Woche stehe, sei nicht tragbar. "Kombiverkehr wird definitiv einen Umsatzverlust haben, aber noch viel schwerer wiegt der Imageverlust des Schienengüterverkehrs. Die Schiene muss bei Qualität und Leistung schnellstens wieder punkten. Wir wollen nicht die Schiene wieder zu einem System machen, dass nur in Spitzenzeiten genutzt wird", sagt Breuhahn.



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