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Kombinierter Verkehr Erfolgsgeschichte mit Zukunft

Schiene, kombinierter Verkehr, tankcontainer, hub, gate Foto: Matthias Rathmann

Der Kombinierte Verkehr hat sich in den vergangenen Jahren prächtig entwickelt. Doch noch immer prägt die Konkurrenz von Straße und Schiene das Bild. Dabei werden angesichts der erwarteten Zuwächse alle Kapazitäten gebraucht.

Der Kombinierte Verkehr (KV) in Europa hat sich in den vergangenen 25 Jahren insgesamt verdoppelt, kennzeichnend war ein weitgehend stetiges Wachstum. Die Zahlen der Gesellschaft für den kombinierten Verkehr Schiene–Straße (UIRR) zeigen einen Boom zwischen 2003 und 2008. Damals stieg der Verkehr der Mitglieder um 32 Prozent an, im internationalen Verkehr wurde sogar ein Plus von 42,3 Prozent verzeichnet. Dann verursachten die zwei Wirtschaftskrisen 2008 und 2012 herbe Einbrüche. Der KV-Gesamtverkehr ging 2009 um 17 Prozent zurück, 2012 um elf Prozent.
Inzwischen traut man sich einen vorsichtigen Optimismus zu. Zwar sei das Geschäftsumfeld 2013 schwierig gewesen, aber trotzdem gab es einen leichten Anstieg. UIRR-Operateure und Terminalbetreiber fertigten 3,8 Prozent mehr Sendungen ab, die Zahl der Tonnenkilometer wuchs um 4,3 Prozent. Die von der Politik gesetzten Parameter müssten die Entwicklung des Sektors unterstützen, denn das langfristige EU-Ziel ist eine Verkehrsverlagerung von 30 Prozent der Straßen-Tonnenkilometer bei Entfernungen über 300 Kilometern, 2050 sollen es 50 Prozent ein. Die zurückgelegte Durchschnittsentfernung einer Sendung im KV betrug voriges Jahr 722 Kilometer.

Anstieg des Transportaufkommens um 18 Prozent

Auf Deutschland bezogen wird im Güterverkehr bis 2030 verkehrsträgerübergreifend mit einem Anstieg des Transport­aufkommens um 18 Prozent und der Transportleistung um 38 Prozent gerechnet. In seiner Verkehrsverflechtungsprognose rechnet das Bundesverkehrsministerium mit einer Zunahme des gesamten Kombinierten Verkehrs per Bahn und Binnenschiff: auf der Basis des Aufkommens um 79 Prozent, bei der Verkehrsleistung um 73 Prozent. Damit entwickele sich der intermodale Verkehr deutlich stärker als die nicht im KV abgewickelten Transportgüter mit einem Plus von acht Prozent.
Besonders der mit dem Seehafenhinterlandverkehr in Verbindung stehende Kombinierte Verkehr wird mit 86 Prozent beim Aufkommen deutlich stärker ansteigen als der restliche KV, so die Prognose. Die Schiene soll sich dabei mit einem Aufkommenswachstum von 82 Prozent deutlich günstiger entwickeln als das Binnenschiff mit 72 Prozent. Im Jahr 2030 werden dem Papier zufolge fast ein Drittel des Transportaufkommens und fast die Hälfte der Transportleistung der Bahn im KV erbracht.

Straße soll bis 2033 auf 35 Prozent zurückgehen

Nicht nur aus Nachhaltigkeits-, sondern auch aus Kapazitätsgründen hat beispielsweise der Hafen Rotterdam vertraglich festgelegt, bei den Hinterlandverkehren Transporte über die Straße zu begrenzen und die Anteile von Schiene und Binnenschiff aufzustocken. So soll die Straße bis 2033 auf 35 Prozent (2003: 47 Prozent) zurückgehen, die Schiene soll 20 Prozent (2003: 13 Prozent) und das Binnenschiff 45 Prozent (2003: 40 Prozent) erreichen. Die Notwendigkeit zur Diversifizierung wird angesichts folgender Zahlen deutlich: Ein sehr großes Containerschiff kann derzeit pro Anlaufen etwa 10.000 Container (TEU) löschen und laden. Diese werden im Durchschnitt von 1.560 Lkw, 32 Binnenschiffen, zehn Feederschiffen und 19 Zügen gebracht und abgeholt. Kombinierte Verkehre können ein Teil der Problemlösung sein.

Kombinierten Verkehr weiter fördern

Das Deutsche Verkehrsforum (DVF) attestiert dem KV insbesondere grenzüberschreitend Wachstumspotenzial und ruft in einem Grundsatzpapier dazu auf, diesen Bereich weiter zu fördern. "Finanziell unterstützt werden sollte vor allem der Ausbau der Terminalinfrastruktur, Betriebskostenbeihilfen haben sich in der Vergangenheit nicht bewährt", sagt DVF-­Geschäftsführer Thomas Hailer gegenüber trans aktuell. Die EU müsse dafür sorgen, dass bewährte Verfahren öffentlich gemacht, grenzüberschreitende Projekte gefördert und Lücken der nationalen Förderprogramme abgedeckt würden.
Alle redeten von intelligenten Lösungen für die wachsenden Verkehrsprobleme, stellt der Verkehrsausschuss-Vorsitzende im Europäischen Parlament, Michael Cramer (Grüne), fest. "Der Kombinierte Verkehr leistet schon heute genau das, indem er die Stärken der verschiedenen Verkehrsträger verbindet", sagt er gegenüber trans aktuell. Das EU-Parlament habe sich angesichts der ökonomischen und ökologischen Vorteile wiederholt für eine Stärkung des Kombinierten Verkehrs ausgesprochen.

Verkehrsträger in ein gemeinsames europäisches System integrieren

Das Verkehrsforum setzt darauf, dass nach dem Prinzip der Ko-Modalität alle Verkehrsträger partnerschaftlich und arbeitsteilig in ein gemeinsames europäisches Verkehrssystem integriert werden. Hier aber liegt der Hase im Pfeffer: Da jeder auf seinen Vorteil bedacht ist, gestaltet sich die Koopera­tion nicht immer einfach. Zwar überschneiden sich manchmal die Probleme, wie beim Sozial­dumping im Straßentransport. Denn hierunter leiden nicht nur die Lkw-Unternehmen, die sinkenden Frachtraten auf der Straße setzen auch den KV unter Druck. Gemeinsame Interessen sind aber eher selten.  Obwohl beide Seiten von der notwendigen Integrierung der Verkehrsträger sprechen, wird zumeist in Gegensätzen und Marktanteilen gedacht.

Annäherung an den Lang-Lkw

So versucht die Internationale Straßentransport Union (IRU) in einem Manifest für nachhaltigen Verkehr in Europa, den KV kleinzureden. Lkw in der Europäischen Union beförderten an einem Tag so viele Waren wie der intermodale Landverkehr im gesamten Jahr 2013, sie gelte es umweltfreundlicher zu machen und den Lang-Lkw zuzulassen, wird argumentiert. Da aber beispielsweise in Deutschland laut Verkehrsverflechtungsprognose vom gesamten absoluten Wachstum des Güterverkehrs aller Verkehrsträger 80 Prozent auf die Straße entfallen werden, könnte eine Entlastung durchaus willkommen sein.
Die KV-Vertreter ihrerseits haben lange gegen den langen Lkw gewettert. Bei der UIRR zeichnet sich nun eine vorsichtige Änderung der Sichtweise ab – zumindest, wenn das Fahrzeug zu einem Kombi-Terminal unterwegs ist (siehe Interview auf Seite 19). Ein Bahnexperte sagt gegenüber trans aktuell, es habe grundsätzlich wenig Sinn, sich gegen eine neue Technik zu stemmen. Aber wenn es längere Lkw gebe, müssten auch längere Züge zugelassen werden. Technisch möglich seien 800 bis 900 Meter, aber auf dem Korridor Rotterdam–Genua würden erst mal 750 Meter angepeilt. Auf dieser Strecke haben die großen Laster ohnehin keine Chance, da die Schweiz ihre Durchfahrt nicht erlaubt.

Auf längeren Strecken wettbewerbsfähig

Generell wird davon ausgegangen, dass der KV am ehesten auf längeren Strecken wettbewerbsfähig ist. In der Tat sind nach UIRR-Angaben 49 von 50 Sendungen auf Routen über 300 Kilometer unterwegs. Aber der Schweizer Einzelhändler Coop kann als Beweis dafür dienen, dass sich auch eine kürzere Distanz lohnen könne. Im Rahmen seines Projektes City Cargo Genève setzt er seit Juli 2013 für die Belieferung von 42 Verkaufsstellen im Großraum Genf auf den KV. Dabei werden von der Verteilzentrale bei Lausanne aus lediglich 67 Kilometer mit der Bahn zurückgelegt, aber insgesamt 1,4 Millionen Lkw-Kilometer auf der stauträchtigen Autobahn Lausanne–Genf eingespart. Der CO2-Ausstoß sank um 1.128 Tonnen. Insofern entlastet der KV die Straße und schont zugleich die Umwelt.



Die Position der Bundesregierung

Die Bundesregierung hält eine Zusammenarbeit der Verkehrsträger im Rahmen eines integrierten Verkehrssystems mehr denn je für erforderlich. »Das bedeutet: Durch ihre Zusammenfassung und Verknüpfung bringen die jeweiligen Verkehrsträger ihre jeweils spezifischen Stärken genau dort ein, wo sie gebraucht werden«, so das Ministerium gegenüber trans aktuell. Der KV verbinde in idealer Weise durch den Transport von genormten Ladeeinheiten wie Containern, Wechselbehälter und Sattelanhängern die Vorteile von Bahn und Binnenschifffahrt über größere Entfernungen mit der örtlichen und zeitlichen Flexibilität des Lkw auf der Zu- und Abfahrt in der Fläche. »Vor diesem Hintergrund ist die weitere Förderung des KV mit besonderem Schwerpunkt auf der Verbesserung der Schnittstellenproblematik ein Ziel der Bundesregierung.« Der Bund fördert neben KV-Umschlaganlagen der DB den Neu- und Ausbau von privat betriebenen Anlagen. Aktuell stehen 92,7 Millionen Euro für private Anlagen zur Verfügung.

Vier Meter für Sattelauflieger

Megatrailer sind im KV auf dem Vormarsch: Die Schweiz finanziert Ausbaumaßnahmen in Italien, damit Sattelauflieger mit vier Metern Eckhöhe per Bahn über die Gotthard-Achse durchgehend bis zu den Umladeterminals in Norditalien befördert werden können. Auf der sogenannten Luino-Linie sollen bis 2020 Arbeiten im Umfang von 120 Millionen Euro sichergestellt werden, wurde abschließend vereinbart. Der Ausbau der Gotthard-Eisenbahnachse auf ein größeres Profil ist ein wichtiges Element der schweizerischen Verlagerungspolitik, da immer mehr Sattelauflieger mit einer Eckhöhe von vier Metern eingesetzt werden. Insgesamt werden in der Schweiz zwischen Basel und der Alpensüdseite 170 Ausbaumaßnahmen, darunter Tunnelanpassungen, Fahrstrom- und Signalanlagen im Umfang von 820 Millionen Euro umgesetzt. Das Lichtraumprofil der Strecke zwischen Chiasso und Mailand wird für rund 40 Millionen Euro von Italien auf vier Meter erweitert.

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