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Kombinierter Verkehr Blaue Banane bringt Bewegung

Europa-Karte, blaue Banane Foto: Weinrich, Montage: Mannchen

Von der Globalisierung getrieben, sollen die intermodalen Transporte in Deutschland stark wachsen. Schwerpunkt ist die "blaue Banane", Europas am dichtesten bevölkerte und wirtschaftlich aktivste Zone entlang des Rheins. Aber es gibt auch Zweifel an dem Szenario.

Bis 2030 soll der Güterverkehr um 38 Prozent steigen. Die Bahn liegt in den Prognosen an der Spitze: Auf der Schiene soll die Güterverkehrsleistung um 43 Prozent zunehmen, gefolgt von der Straße mit einem Anstieg von 39 Prozent und dem Binnenschiff mit 23 Prozent. Auch wenn die Zahlen nicht so dramatisch ausfallen sollten, wie derzeit von der Bundesregierung angenommen, müssten alle Verkehrsträger ran, um das Aufkommen zu bewältigen. Neben dem Rhein als Wasserweg ist der alpenquerende Korridor Rotterdam–Genua die wichtigste Schienenstrecke und verbindet auf mehr als 1.200 Kilometern die großen Nordseehäfen mit Deutschland, der Schweiz und Norditalien.
Als die Wirtschaft noch brummte und das Wachstum fast grenzenlos schien, haben die Häfen Antwerpen, Rotterdam und Amsterdam massiv auf Ausbau gesetzt. Das war vor dem Krisenjahr 2008. Jetzt stehen dort Kapazitäten zur Verfügung, die für das Hinterland eine Herausforderung sind. Immer größere Schiffe bringen immer mehr Ladung an Land, die verteilt werden muss. Im Fokus steht dabei der Container.

Herausragende Rolle für die Schiene

Bei den zunehmenden Hinterlandverkehren müsse die Schiene eine herausragende Rolle übernehmen, erklärt Prof. Dr. Bernd Scholl vom Institut für Raum- und Landschaftsentwicklung der ETH Zürich. Aber auch das Binnenschiff sei wichtig. Bislang halten sich die Zuwachsraten beim Aufkommen aber in Grenzen. In Europas größtem Seehafen Rotterdam backt man für dieses Jahr kleine Brötchen. Man gehe von einem Anstieg von ein bis eineinhalb Prozent aus, sagt Hafen-Sprecher Minco van Heezen gegenüber trans ­aktuell. In Antwerpen werden offiziell immer noch Modelle präsentiert, die ein Wachstum von 50 Prozent in den nächsten fünf bis zehn Jahren zugrunde legen.

Engpässe an entscheidenden Stellen

Für Rainer Schäfer, Geschäftsführer beim Logistikverbund Rhein-Cargo, steht fest: "Wir müssen mit deutlich mehr Volumen rechnen." Die erwarteten Mengen an Containern seien mit der derzeitigen Infrastruktur, auch in den Häfen, nicht zu bewältigen. Bereits heute seien die Betuwe-Linie und die Montzen-Brabant-Route stärker in Anspruch genommen als 2012, es gebe an entscheidenden Stellen Engpässe.

Der Massengut-Transporteur ist in sieben Häfen, die auf 90 Kilometern am Rhein zwischen Köln und Düsseldorf verteilt sind, vertreten. Das Gemeinschaftsunternehmen der Firma Häfen und Güterverkehr Köln (HGK) und Neuss-Düsseldorfer Häfen betreibt eine der größten Gütereisenbahnen Deutschlands und ist deutschlandweit sowie im angrenzenden Ausland aktiv. Das Gesamtvolumen aus Eisenbahn- und Schiffs-Umschlagleistung betrug im vergangenen Jahr fast 50 Millionen Tonnen.

Zu wenig Flächen in den Häfen

"Wir gehen davon aus, dass wir auch in Zukunft noch stärker auf gebrochene Verkehre setzen können, weil die Kombination der Verkehrsträger ein Teil der Lösung des Problems sein könnte", sagt Schäfer. Ein Verkehrsträger allein werde die größeren Mengen nicht aufnehmen können, aber das Binnenschiff und die Eisenbahn hätten noch Kapazitäten.
Von 1992 (Gründungsjahr der HGK) bis 2013 habe man bei den Containern ein Wachstum von 415 Prozent verzeichnet, sagt Schäfer. Derzeit gebe es sechs Standorte, an denen rund 1,2 Millionen Container und Ladeeinheiten umgeschlagen werden. Schäfer geht von einem kontinuierlichen Wachstum von 3 bis 3,5 Prozent aus. Es gebe aber derzeit zu wenig Flächen in den Häfen, um Platz für Umschlagskapazitäten zu schaffen.

DB Schenker Rail setzt auf europäisches Einzelwagen-Netzwerk

Auf dem Korridor durch die Schweiz hat DB Schenker Rail in den ersten Monaten 2014 ein Wachstum verzeichnet, das im Wesentlichen auf den Bereichen Stahl und Papier beruht. Insgesamt gehe es sowohl im Einzelwagen- wie auch im intermodalen Verkehr aufwärts, sagt Boris Dobberstein, Service Design-Leiter des Korridors. Das Wachstum bei den intermodalen Verkehren sei größer, aber das Unternehmen setze auch "ganz klar auf ein europäisches Einzelwagen-Netzwerk". Der Einzelwagen sei eine sinnvolle Ergänzung zu dem Thema Terminal–Terminal–Verkehre. In Italien seien mehr als 50 Stationen aufgemacht worden, nachdem Trenitalia sich zurückgezogen habe, sagt Dobberstein.
In dem Zusammenhang schaffe die Eröffnung des Gotthard-Basistunnels für DB Schenker Rail neue Chancen für den Alpentransit. Zum einen könnten dann nur noch mit dem Verkehrsleitsystem ETCS Level 2 ausgestattete Lokomotiven die Strecke befahren. Für die Ausrüstung sei eigens ein Programm aufgesetzt worden. Außerdem werde ein entscheidender Produktivitätszuwachs erwartet. "Wir können dann in Doppeltraktion bis zu 2.000 Tonnen fahren", erläutert der Manager. Heute würden standardmäßig 1.400 Tonnen gefahren.

Wachstumspotenzial für den Schienentransport

Auch Michail Stahlhut von SBB Cargo International sieht für den Schienentransport Wachstumspotenzial auf dem Korridor 1. Zusätzliches Aufkommen will er dabei der Straße abspenstig machen. "Hier gibt es eine riesige Chance für die Bahn, Mengenwachstum zu holen", sagt er. Dabei gehe es um großvolumige Trailer. Hilfreich wird dabei sein, dass man sich in Rotterdam zum Ziel gesetzt hat, den Modal Split zu verändern, und dies auch vertraglich festlegt. So soll der Straßenanteil von 54 Prozent bis 2033 auf 35 Prozent zurückgehen, für das Binnenschiff wurde ein Anstieg von 35 auf 45 Prozent festgelegt, die Schiene soll von 11 auf 20 Prozent wachsen.

"Es gibt ja kein zweites China"

Im Duisburger Hafen sieht man die Lage in Bezug auf das Mengenwachstum anders. Duisport-Vorstand Markus Bangen geht kritisch mit den Prognosen um. "Wir glauben an diese Wachstumsraten nicht", sagt er gegenüber trans aktuell. "Überall wird erzählt, das Wachstum aus Rotterdam und Antwerpen wird uns überrollen." Es sei aber überhaupt nicht nachvollziehbar, wo der Zuwachs in solchen Größenordnungen herkommen solle. "Es gibt ja kein zweites China."

Noch feiere jeder den Ausbau des neuen Hafens Maas­vlakte 2 in Rotterdam. "Nächstes Jahr wird das große Zähneknirschen kommen", vermutet der Duisport-Manager. "Denn auf einmal haben die 2,5 Millionen TEU Kapazität im Markt, aber nicht einen Container mehr." Das werde einen Preisverfall zur Folge haben. In Antwerpen werde gerade ein Terminal mit fünf Millionen TEU einfach zugemacht, um Kapazität aus dem Markt zu nehmen. Wenn Antwerpen derzeit über die Gesamtkapazität 55 Prozent Auslastung habe, sei das viel.

Aufschwung werde seit sechs Jahren verschoben

So werde der Beginn des Aufschwungs seit sechs Jahren jedes Jahr erneut verschoben. In Duisburg kann man sich durchaus vorstellen, dass es zu einem ruinösen Wettbewerb kommt, der sich auch ins Hinterland ausweiten kann − "mitsamt den Quersubventionierungen, die dann losgehen", wie Bangen sagt. Die würden im größten Binnenhafen Europas ganz und gar nicht auf Begeisterung stoßen, zumal das dortige neue Terminal Logport 3, das eine Menge Kapazität geschaffen hat, komplett privat finanziert ist. Für Duisburg sieht Bangen "sehr selbstbewusst" für die kommenden Jahre ein Wachstum von drei bis fünf Prozent erreichbar. "Damit wollen wir aber schon doppelt so stark wachsen wie die Seehäfen."

Kapazität für 5,2 Millionen TEU

Duisburg baut derzeit auf 5,2 Millionen TEU Kapazität aus, es werde aber kein neues Terminal gebaut, sondern Bestandsterminals aufgerüstet. Für Duisport sei auch die Vernetzung im Ruhrgebiet wichtig, sagt Bangen. "Wir fahren täglich nach Marl in die Chemieparks, wir betreiben das Terminal, wir fahren nach Dortmund, nach Gütersloh und jede Nacht nach Unna." Hinzu kämen die Ansiedlungen von Unternehmen, die einfach einen Zug mit sich brächten. "Wir schaffen schlicht und ergreifend Wachstum durch Ansiedlungen. Und das ist der Punkt, wo wir hinwollten."

Rotterdamer Hafen rüstet auf

Mit der Maasvlakte 2, der Erweiterung des Rotterdamer Hafens, wird dessen Containerkapazität bis 2035 mehr als verdoppelt. Der Hafen Rotterdam versucht, eine möglichst sinnvolle Streuung der Hinterlandtransporte über mehrere Verkehrsträger zu steuern. Die Kapazität von Binnenschiff und Schiene soll erhöht und der Transport von Containern über die Straße begrenzt werden. In Verträgen mit den Umschlagbetrieben wurde festgelegt, welcher Anteil von Containern für jeden Verkehrsträger zu erreichen ist. Etwa 30 Prozent aller mit Seeschiffen antransportierten Container werden direkt von Seeschiff zu Seeschiff umgeladen und zu anderen Seehäfen gebracht. Die übrigen 70 Prozent werden ins Hinterland transportiert.

2013 wurden in Rotterdam 440,5 Millionen Tonnen Güter umgeschlagen (2012: 441,5 Millionen Tonnen). Daran hatten Container einen Anteil von 121,3 Millionen Tonnen (2012: 125,4 Millionen Tonnen). So wird sich der Modal Split Prognosen zufolge bis 2033 ändern:




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