JansBlog BGH-Urteil: Sanktionen gegen Rechtsverstöße

Polizei Kaiserslautern, Lkw, Plane Foto: Polizei Kaiserslautern
Meinung

Bereits im April hat der Bundesgerichtshof beschlossen, dass auch im internationalen Transport der gesamte Umsatz einer Tour bei einem Verstoß gegen die deutschen Straßenverkehrsvorschriften einbehalten werden kann.

Die Pressemitteilung der Polizeidirektion Kaiserslautern vom 21. März 2017 ist kurz und bündig: Am Montagnachmittag führten Beamte der Schwerverkehrsüberwachung auf der A6 mobile Schwerverkehrskontrollen durch. Das besondere Augenmerk der Polizeibeamten galt den Lkw-Fahrern und ihren Fahrzeugen. Neben diversen technischen Beanstandungen wurde auch zwei Lkw-Fahrern die Weiterfahrt untersagt. Ihre Fahrzeuge überschritten aufgrund ihrer Ladung die zulässige Höhe bzw. die zulässige Breite. Gegen die Firmeninhaber wurden Verfahren der Vermögensabschöpfung eingeleitet. Das beigefügte Foto zeigt einen grauen Auflieger, der bis unter das Dach mit Boxen gestapelt ist. Und ebenjenes Dach ragt weit über das erlaubte Maß von vier Metern in die Höhe.

Viele Auflieger für die Automobilindustrie sind zu hoch

Bereits in der Ausgabe 9/2016 des FERNFAHRER (siehe PDF im Anhang) habe ich in der Rubrik Recht Aktuell zusammen mit dem Heilbronner Fachanwalt für Verkehrsrecht, Matthias Pfitzenmaier, das Thema der Gewinnabschöpfung oder des Verfalls am Beispiel der vielfach zu hohen Auflieger für die Automobilbranche erläutert. Sollte als Zugmaschine nicht gerade ein Lowliner zum Einsatz kommen, besteht die Gefahr, dass den bei von der Automobilindustrie meist geforderten drei übereinander gestapelten Gitterboxen der Auflieger über die maximal erlaubte Höhe reicht.

"Nach der derzeitigen Rechtsprechung ist es nicht zu beanstanden, dass der gesamte Bruttotransporterlös geltend gemacht wird", sagte Pfitzenmaier damals. "Kosten oder Aufwendungen, die mit dem Transport verbunden sind, bleiben bei der Betrachtung des Verfallsbetrags außer Betracht. Abgeschöpft wird damit nicht nur der Gewinn, sondern faktisch der Bruttoumsatz, der sich aus der Tat ergibt."

Wertvoller Diskussionsbeitrag

Beim Truck Grand Prix habe ich mit geladenen Gästen eine Podiumsdiskussion zum Thema Verbot der regelmäßigen wöchentlichen Ruhezeit und Sozialdumping geführt. Einer meiner Gäste auf der Bühne war Jürgen Cierniak, Richter im 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) in Karlsruhe. Mitten in der Runde über effektive Kontrollen und unterschiedliche Höhen von Bußgeldern in Belgien und Deutschland brachte er einen sehr wertvollen Beitrag ein: "In Deutschland ist das eigentlich scharfe Schwert gegen Rechtsverstöße nicht die Geldbuße sondern das, was wir bisher Verfall und in Zukunft Einziehung nennen werden."

Genau dazu habe der BGH im April einen wichtigen Beschluss getroffen. Er lautet, hier im Wortlaut aus dem Beschluss selbst: "Bei einem unter Verstoß gegen deutsche Straßenverkehrsvorschriften durchgeführten internationalen Transport kann bei Vorliegen der sonstigen hierfür erforderlichen Voraussetzungen  nach  § 29a  OWiG der Verfall in Höhe des gesamten Transportlohns angeordnet werden."

Der Beschluss des Bundesgerichtshofs

Es lohnt sich wirklich, diesen Beschluss des BGH genauer zu studieren. Zugrunde lag zunächst der klassische Verstoß: An einem Sonntag war ein polnischer Sattelzug auf dem Weg von Polen nach Spanien auf der A30 in eine Kontrolle geraten. Der Fahrer konnte, was leider keine Seltenheit mehr ist, keine Sonntagsfahrgenehmigung vorweisen. Im Zuge des Verfalls wurde durch das Amtsgericht Nordhorn der gesamte Frachterlös von 2.300 Euro gefordert.

Der Unternehmer hatte dagegen Rechtsbeschwerde eingelegt. Er wollte nur für die anteilige Strecke auch den anteiligen Verfall bezahlen. Das Oberlandesgericht Oldenburg wies das aber zurück mit der Begründung, ohne die unerlaubte Sonntagsfahrt durch Deutschland  wäre der Transport gar nicht zustande gekommen. Und so landete der Fall zur Klärung beim BGH. Denn in der Tat gibt es zu diesem Fall zwei Meinungen.

Oldenburg gegen Braunschweig

Das Oberlandesgericht Braunschweig vertritt in dem betreffendenUrteil aus 2015 zu zu einem überhohen Lkw eine komplett andere Auffassung. "Bei internationalen Transporten darf nur der auf den inländischen Streckenanteil entfallende Frachtlohnanteil bei der Bestimmung des Verfallsbetrages im Rahmen von § 29a Abs. 1 und 2 OWiG herangezogen werden. Dieser Frachtlohnanteil lässt sich ermitteln, indem man die (geplante) Inlandsstrecke durch die (geplante) Gesamtfahrstrecke dividiert und das Ergebnis mit dem Gesamtfrachtlohn multipliziert."

Das hat der BGH nun revidiert. "Nicht ausgeschlossen werden kann", erläutert Matthias Pfitzenmaier, "dass sich der BGH für die Lösung, den gesamten Frachtlohn zu berücksichtigen, und nicht nur den anteilig im Inland angefallenen Lohn, auch aus Praktikabilitätsgründen zur Verfahrensvereinfachung entschieden hat. Die Argumentation des aufgehobenen Urteils des OLG Braunschweig ist jedenfalls in sich nicht weniger schlüssig."

Konsequenzen für die Verlader

Welche Konsequenzen hat das nun für die Transporte für die Automobilindustrie? Dazu noch einmal Matthias Pfitzenmaier: "Der Beschluss des BGH betrifft in der Tat nicht nur den Verstoß gegen das Sonntagsfahrverbot. Das Oberlandesgericht Oldenburg, das sich mit seiner Vorlage an den BGH gewandt hatte, wollte ja gerade von einer Entscheidung des Oberlandesgerichts Braunschweig abweichen, der ein Verstoß gegen die höchstzulässige Fahrzeughöhe (§ 32 Abs. 2 StVO) zugrunde lag. Diese Entscheidung des BGH trifft damit auch die klassischen Fälle der Überbreite, des Überschreitens der zulässigen Höhe und natürlich auch Überladungsfälle wie Überschreiten der zulässigen Achslast und Überschreiten des zulässigen Höchstgewichts."

Grundsätzlich gilt: Die Regelung des Verfalls gilt, da Bundesgesetz, natürlich im ganzen Bundesgebiet. Allerdings ist bei der Bemessung der Höhe des Verfalls den Gerichten ein nicht unerheblicher Ermessensspielraum eingeräumt, so dass sich von daher Unterschiede in der Rechtsprechung ergeben können – diese aber natürlich nur gestützt auf sachlich gerechtfertigte Erwägungen. Das heißt: Auch die internationalen Transporte für die deutsche Automobilindustrie sind von dem diesem BGH-Beschluss betroffen – und davon gibt es seit der Verlagerung etlicher Produktionskapazitäten nach Mittel- und Osteuropa ja sehr viele.

Ein Schelm, wer nun denken mag, der Spruch des OLG Braunschweig wäre vor allem der regionalen Autoindustrie sehr gelegen gekommen. Aber ob das scharfe Schwert  des Verfalls auch in diesem Teil der Logistik überhaupt wirklich schneidet, muss die Zukunft weisen. Ein vertrauenswürdiger Fahrer, der seit Jahren bei einem Automobillogistiker aus Niedersachen und Sachsen beschäftigt ist, aber aus gutem Grund nicht genannt werden möchte, sagte mir neulich: "Bei uns wurden in der Vergangenheit bereits über 70 Bußgeldbescheide wegen überhoher Lkw schon in der ersten Instanz eingestellt."

Download FERNFAHRER 9/2016, Recht aktuell (PDF, 0,55 MByte) Kostenlos
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