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iPhone und iPod Verwechslungsgefahr mit Folgen

iphone, ipod Foto: ©iuneWind/Fotolia, ©Ainoa/Fotolia, ©reeel/fotolia

Wie ein "I" dem anderen gleichen sich iPhone und iPod – zumindest optisch. Ihre Funktion ist aber unterschiedlich und während Telefonieren beim Fahren verboten ist, ist es das Musikhören nicht.

Meinen Mandanten Benjamin* und seine Frau treffe ich kurz vor acht Uhr morgens vorm Gericht. Beide sind sehr aufgeregt, auf 8:15 Uhr hat die Richterin unseren Fall terminiert. Zur Sicherheit kauen wir drei noch mal alles durch. Eine halbe Stunde später im Gerichtssaal wirkt Benjamin zum Glück schon etwas gelassener und er schildert ruhig und sachlich, dass er sich genau erinnern kann, wie er mit dem Lkw in Halle an einer Kreuzung stand. Er hatte seine Kopfhörer im Ohr. Das Lied, das aus seinem iPod dudelte, langweilte ihn aber. Weil er ohnehin vor einer roten Ampel stand, nahm er kurz seinen iPod in die Hand und drückte ein paar Lieder weiter. Dabei habe er sich allerdings schon irgendwie beobachtet gefühlt.

Er schaute nach rechts und entdeckte einen etwa 25 Meter entfernt stehenden Polizeiwagen. Schuldbewusst habe er mit den Schultern gezuckt und den Beamten angeschaut. Dann schaltete die Ampel und er setzte seinen Actros in Bewegung.

Nur Handybenutzung erfüllt Bußgeldbestand

Wenige Sekunden später setzte sich der Polizeiwagen mit Licht- und Lärmsignalen ebenfalls in Gang und verfolgte den Lkw. Benjamin war sich zuerst nicht ganz sicher, ob er bei so viel polizeilicher Energie wirklich gemeint war. Er hielt das irgendwie für etwas viel Einsatz für ein Tippen auf einem iPod. An einer Tankstelle hielt er dann vorsichtshalber an. Die Polizeibeamten, einer männlich und einer weiblich, standen sofort neben seiner Fahrertür. Er hielt schon alle Papiere parat und untermauerte sein unterwürfiges Verhalten mit einem "Ja, da habe ich wohl Mist gebaut".

Das reichte den Polizeibeamten schon als Schuldbekenntnis aus, über eine Handybenutzung wurde gar nicht mehr gesprochen. Die persönlichen Daten wurden aufgenommen und Benjamin unterschrieb, dass er zu der Tat, über die gar nicht geredet wurde, nichts sagen will. Die Richterin befragt Benjamin: "Haben die Polizeibeamten denn einen konkreten Tatvorwurf unterbreitet?" "Nein." "Was haben Sie denn in der Hand gehabt?" "Meinen iPod." "Wie groß ist der iPod?" "Genauso groß wie mein iPhone 5." "Sind Sie sich ganz sicher, dass es der iPod war?" "Ja, da bin ich mir ganz sicher." Die Verteidigung präsentiert Fotos, die die große Ähnlichkeit von iPod und iPhone zeigen. Die Richterin ermahnt, dass beides gleich gefährlich sei. Stimmt wohl, aber nur die Handybenutzung erfüllt einen Bußgeldtatbestand, wirft die Verteidigung klarstellend in den Raum. Nun scheint es mir der richtige Zeitpunkt, um auf einen rechtlichen Nebenschauplatz zu wechseln.

Beamter ist völlig irritiert

Der Lkw stand vor der Ampel und, egal ob iPod- oder iPhone-Benutzung, es gab keinerlei Gefährdung. Blöd nur, dass der Motor an war. Aber wie gesagt, völlig ungefährlich. Die Richterin will trotzdem die Zeugen hören. Mist! Denn was die sagen werden, scheint sonnenklar. Aber kein Verfahren ohne Überraschung. Der Polizeikommissar ist als Erster dran. Die Richterin weist ihn darauf hin, dass er nur das sagen soll, woran er sich erinnert, also nichts, was er durch Nachlesen weiß. Der Beamte ist völlig irritiert. Wie er das denn machen soll? Natürlich habe er sich vorbereitet und das könne er jetzt nicht mehr so auseinanderhalten. Aber eigentlich habe er ja gar kein konkretes Wissen, schwenkt er um.

Er wisse nur noch, dass er Beifahrer gewesen sei. Als Beifahrer hätte man ja ohnehin eher die schlechtere Erinnerung. Die Vernehmung ist völlig unergiebig. Die Richterin guckt auch etwas genervt. Der Zeuge wird schließlich entlassen. Im Hinausgehen fragte der aber dann doch, ob er noch etwas zur Sache sagen darf. Die Richterin bejaht. Er meint, er sei sich ganz sicher, dass da telefoniert worden sei, denn sie würden nur die glasklaren Fälle zur Anzeige bringen. Die Richterin schreibt eifrig mit.

Verwechslung von iPhone und iPod

Jetzt kommt die Polizeikommissarin an die Reihe. Die hat schon vor dem Gerichtssaal nur geknurrt, als ich sie freundlich begrüßte. Vielleicht hat sie auch nur schlecht geschlafen, Polizisten sind ja schließlich auch nur Menschen. Kerzengrade sitzt sie auf dem Zeugenstuhl. Bestimmt und mit gestochen scharfer Stimme hämmert sie ihre Formalien in den Saal. Danach stellt sie sofort klar: "Ich kann mich an alles haarklein erinnern." Mit beiden Armen habe der Betroffene sich auf das Lenkrad gestützt. Er habe das Handy in beiden Händen gehabt. Auf meine Frage, wieso sie sich daran so genau erinnern könne, kommt ohne Zögern herausgeschossen: "Wegen der pinkfarbenen Handyhülle!"

Benjamin rutscht unvermittelt raus, dass er so etwas Scheußliches überhaupt nicht besitzt. Die Richterin fordert mich auf, mit der offiziellen Befragung der Zeugin zu beginnen. Das tue ich: "Wie weit war denn der Polizeiwagen vom Lkw entfernt?" "Ungefähr 20 Meter." "Was für ein Handy war es?" Das könne sie doch auf 20 Meter nicht gesehen haben. "Okay, wie groß war es denn?" Ob ich nicht kapiert habe, dass sie das nicht habe sehen können? "Nun, war es eher klein oder eher groß?" Die Beamtin rettet sich in "die Größe eines durchschnittlichen Handys. "Wie groß ist denn ein durchschnittliches Handy?" Die Beamtin erklärt, das habe sie noch nie gemessen. "Könnte es ein iPhone gewesen sein?" Die Beamtin erklärt, ja, das könne sein. "Kennen Sie auch die Größe eines iPods?" Nein, die kenne sie nicht. Sie habe auch mit Handyverfahren vor Gericht keinerlei Erfahrung.

Ohne Sorgfalt bei der Ermittlung kein Bußgeld

Ich beende die Vernehmung. Ich erkläre der Richterin, dass klar feststehe, dass die Polizeibeamten den Unterschied zwischen iPhone und iPod nicht haben feststellen können. Die Polizeibeamtin habe deutlich gesagt, dass sie auf 20 Meter Distanz noch nicht einmal etwas zur Größe sagen könne. Ich erläutere nochmals, dass iPhone und iPod ziemlich baugleich aussehen. Deswegen: Ich will einen Freispruch. Die Richterin will da nicht ran, sieht aber auch, dass sie ein Problem hat. Der Tatnachweis ist nicht erbracht. Ein hübsches Argument habe ich noch: "Im Bußgeldbescheid und im polizeilichen Aufnahmebogen ist außerdem das Kennzeichen falsch benannt. Statt einem Q beinhaltet es ein O."

Das sei ja mal ein Argument, sagt die Richterin! Wenn wir das beweisen könnten, würde sie das Verfahren einstellen. Sie würde schließlich Sorgfalt von der Polizei erwarten. Ohne Sorgfalt bei der Ermittlung kein Bußgeld! Wir garantieren, dass wir den Ausdruck von der Fahrerkarte noch am selben Tag beim Gericht einreichen. Die Richterin sichert zu, das Verfahren dann gemäß § 47 Abs. 2 OWiG ohne Bußgeld und ohne Punkte einzustellen. Am Nachmittag, als ich in mein Büro zurückkomme, liegt der Ausdruck der Fahrerkarte von Benjamin vor. Ich sende ihn sofort an das Gericht und drei Tage später liegt mir der Einstellungsbeschluss vor. Per Whatsapp geht der Beschluss sofort an meinen Mandanten. Minuten später klingelt das Telefon. Benjamin teilt mit, dass er abends zum Autohof Mellingen kommt, er will sich persönlich bedanken. Wir treffen uns, trinken ein Bier und feiern unseren Erfolg. So macht Autobahnkanzlei richtig Spaß!

Fernfahrertelefon

Rechtsanwalt Peter Möller sitzt am Fernfahrertelefon und steht euch mit Rat und Tat zur Seite. Hier ein Auszug von individuellen Fragen der Kollegen – und die Antworten des Juristen.

Freddie*: "Im Oktober 2015 erhielt ich einen Bußgeldbescheid. Der Vorwurf: Mit dem Pkw 27 km/h außerorts zu schnell. Gefahren bin damals Aber gar nicht ich, sondern mein Sohn. Weil ich Der Halter von dem Pkw bin und Mein Sohn damals noch in der Probezeit war, habe ich, als verständnisvoller Papa, den Punkt und das Bußgeld ,gefressen‘. Fünf Monate später, im Februar 2016, bin ich blöderweise selbst 30 km/h außerorts zu schnell gefahren. jetzt liegt ein Anhörungsbogen da. Was tun?"

Möller: "Dein Familiensinn in allen Ehren, jetzt musst du allerdings damit rechnen, dass du aufgrund von § 4 II BKatV als Wiederholungstäter ein Fahrverbot kassierst. Aber ein Schlupfloch gibt es: § 4 II BKatV fordert nämlich, dass du zweimal der Führer eines Kraftfahrzeuges warst. Einmal war es aber ja tatsächlich dein Sohn. Also bist du nur einmal und nicht zweimal über dem Grenzwert von 26 km/h zu schnell gefahren. Die Altakte muss im Gerichtsverfahren beigezogen werden und du musst beweisen, dass du nur einmal zu schnell warst. Vielleicht geht das ja anhand des Tatfotos. Die Richter finden solche Art von Argumenten zwar nicht sehr nett, aber im Gerichtssaal ist man ja nicht zum Liebhaben."

Karl-Otto*: "Könnte ich nicht einfach den Bekannten Meines Schwagers aus Lettland als Fahrer angeben auf dem Anhörungsbogen zur Tat?"

Möller: "Diese Strategie ist, mit Verlaub, einfach nur Schrott. Einen anderen als Fahrer anzugeben, erfüllt einen Straftatbestand. Eine Straftat zu begehen, verbietet sich von selbst. Denk einfach mal drüber nach, ob Geldstrafe oder Freiheitsstrafe dafür stehen. Mein Rat: Finger weg von ,falscher Verdächtigung‘, auch wenn es der Bekannte eines Schwagers in Lettland ist, bei dem du glaubst, dass die den eh nicht vorladen können. Über ein Gutachten können sie aber sehr wohl rausfinden, dass du der Fahrer warst und kein Dritter."

Kleine Fälle

Punktefrei unterm Christbaum

Ronald* hat einen Punkt, der im Dezember getilgt wird. Darum ist ihm der Erfolg unserer Verhandlung vor dem Amtsgericht Bad Hersfeld besonders wichtig. Ronald fährt generell im Schwerlastverkehr. Auch an diesem Tag fuhr er hinter dem Begleitfahrzeug. Da der Fahrer des Begleitfahrzeugs es hat einfach rollen lassen, wurde der Abstand etwas zu groß. Damit sich niemand dazwischensetzt, ist Ronald aufgerückt. Genau in dieser Beschleunigungsphase blitzte es dann. Vor dem Richter argumentiert Anwalt Möller auf besondere, schuldmindernde Tatumstände nach § 1 II BKatV. Der Richter schließt sich an und urteilt 55 Euro aus. Ronald hat beste Chancen, an Weihnachten punktefrei zu sein.

AG Bad Hersfeld Az.: 70 OWi 36Js 7457/16

Einstellung des Verfahrens durch widerstreitende Tatorte

Carmen* soll in Niederaula gegen ein Überholverbot verstoßen haben. In der Verhandlung konfrontiert Autobahnanwalt Möller den Polizeibeamten mit dem Erfassungsbeleg, liest jede einzelne Tatsache vor und lässt sie von dem Beamten abnicken. Das macht der auch beim Tatort. Nach der Vernehmung weist Möller darauf hin, dass soeben Neuenstein als Tatort bestätigt wurde. Im Bußgeldbescheid stehe aber Niederaula. Die widerstreitenden Tatorte sind nicht in Einklang zu bringen. Der Richter stellt das Verfahren sanktionslos ohne Punkte ein.

AG Bad Hersfeld Az.: 70 OWi 34 Js 2360/16

Messung an ungültiger Stelle

Michael* ist kurz vor dem Ziel, als er ein Tempo-30-Schild mit Zusatzschild "10 % Gefälle" passiert. Nach dem Gefälle wird Michael geblitzt: 61 km/h. Ein Monat Fahrverbot und zwei Punkte drohen. Bei der Verhandlung führt Anwalt Möller aus, dass an der Messstelle Tempo 30 gar nicht mehr gilt. Das sei so bei der Verbindung vom Beschränkungs-Verkehrszeichen 274 mit einem Gefahrenzeichen. Der Rechtsanwalt legt nach: Das Ortsausgangsschild war auch nur 50 Meter von der Messstelle entfernt. Dies ist laut einschlägiger Verwaltungsrichtlinie in Thüringen nicht erlaubt. Der Richter verurteilt wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung von 11 km/h zu 25 Euro.

AG Stadtroda Az.: 335 Js 33987/15 8 OWi

LURZ-Verstöße

ACHTUNG: Bußgeldbescheide wegen möglicher LURZ-Verstöße genau prüfen! Durch ein Versäumnis des bundesdeutschen Gesetzgebers ist bezüglich Verstößen im Rahmen von Lenk- und Ruhezeiten ein rechtsfreier Raum entstanden. Bußgeldbescheide, die Verstöße in diesem Bereich betreffen, die vor März 2016 begangen wurden, sollten keinesfalls ohne Einspruch akzeptiert werden. Der Gesetzgeber hat versäumt, die deutsche Fahrpersonalverordnung an die EU-Verordnung Nr. 165/2014 anzupassen. Den Bußgeldbescheiden fehlt so die gesetzliche Grundlage. Einsprüche sind erfolgversprechend, denn erste Gerichte bestätigen diese Rechtsauffassung bereits!

*Alle Namen von der Redaktion geändert

Dieser Artikel stammt aus diesem Heft
FF 10 Titel
FERNFAHRER 10 / 2016
8. September 2016
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8. September 2016
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