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Infrastruktur Finanzierungslücke von 50 Milliarden Euro

Lkw und Pkw auf einer Autobahn Foto: Alev Atas/ETM

Die Investitionsmittel reichen hinten und vorne nicht. Macht der Bund nicht mehr Geld für Straßen, Schienen und Wasserstraßen locker, vergrößert sich die Finanzierungslücke bis 2030 auf 50 Milliarden Euro.

Um die Lücke zu schließen, sind nach einem neuen Gutachten des Baden-Württembergischen Industrie- und Handelskammertags (BWIHK) 9,5 Milliarden Euro im Jahr erforderlich.

Die deutschen Verkehrswege sind dramatisch unterfinanziert. Mobilisiert die Bundesregierung für Erhalt, Neu- und Ausbau von Straßen, Schienen und Wasserstraßen nicht deutlich mehr Geld, droht bis zum Jahr 2030 eine Finanzierungslücke von mehr als 50 Milliarden Euro. Diese Zahlen hat der Baden-Württembergische Industrie- und Handelskammertag (BWIHK) am Dienstag in Stuttgart vorgelegt. Er beruft sich auf ein Gutachten, das Prof. Dr. Tobias Bernecker von der Hochschule Heilbronn und Prof. Dr. Frank Fichert von der Hochschule Worms erstellt haben.

"Die Infrastruktur ist durch dauerhafte Unterfinanzierung in Gefahr", warnte BWIHK-Präsident Dr. Peter Kulitz. Das beeinträchtige den Wirtschaftsstandort, die Wettbewerbsfähigkeit der Firmen, die Arbeitsplätze und den Wohlstand der Gesellschaft. Eine Erhöhung der Infrastruktur-Mittel für die Verkehrswege sei unabdingbar, um einerseits die Leistungsfähigkeit der Wirtschaft sicherzustellen und andererseits den Mobilitätsbedürfnissen der Bevölkerung gerecht zu werden. Dr. Gerhard Vogel, Präsident der Industrie- und Handelskammer (IHK) Rhein-Neckar, bezeichnete die Finanzierungslücke von 50 Milliarden Euro als alarmierend. "Es handelt sich um ein Schreckensszenario, auf das unsere Politiker sehenden Auges zusteuern", erklärte Vogel. Sein Haus ist bei Verkehrsthemen in Baden-Württemberg die federführende Kammer.

Auch Pkw-Maut verspricht keine Besserung

Selbst mit den zusätzlich erwarteten Einnahmen aus der Nutzerfinanzierung lässt sich die Lücke nicht schließen – sei es durch die geplante Absenkung der Lkw-Maut auf leichtere Fahrzeuge, ihre Ausweitung auf weitere Bundesstraßen oder durch die Einnahmen aus der Pkw-Maut nach Vorstellungen von Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU). Vogel hält diese Maßnahmen für Flickwerk beziehungsweise unzureichende Einzelmaßnahmen.
Wie viel Geld bräuchte Minister Dobrindt also konkret? Das Gutachten im Auftrag des BWIHK beziffert diese Summe allein für die Bundesfernstraßen auf mindestens 9,5 Milliarden Euro im Jahr. Sie bildet den durchschnittlichen Bedarf für die Jahre 2015 bis 2030, wobei die Summe anfangs bei 8,3 Milliarden Euro und am Ende aufgrund der Preissteigerungen beim Bau bei 10,6 Milliarden Euro liegt. Der Betrag setzt sich zusammen aus Investitionen zum Erhalt der Straßen sowie zur Finanzierung der restlichen Neu- und Ausbauprojekte aus dem Bundesverkehrswegeplan 2003. Hinzu kommen der Finanzierungsbedarf für gemischt finanzierte Projekte (ÖPP) sowie Kosten für den Betrieb der Verkehrsachsen.

Im Idealfall müsste der Bundesfinanzminister das zusätzliche Geld locker machen, erklären die Kammern im Südwesten. Sollte hier aber nichts zu machen sein, haben sie einen Plan B, wie die 9,5 Milliarden Euro mobilisiert werden können. Dreh- und Angelpunkt ist dabei die Einführung einer Pkw-Maut, die 4,7 Milliarden Euro im Jahr beisteuern würde – durch Einnahmen von in- und ausländischen Nutzern.

Kammer setzt auf Nutzerfinanzierung

Die "verkappte Variante" von Minister Dobrindt, die nur gebietsfremde Fahrer belastet und maximal 600 Millionen Euro im Jahr einbringt, lehnt der BWIHK ab. Er hatte schon voriges Jahr ein Modell vorgestellt, wonach alle Pkw-Fahrer, also auch die inländischen, einen Beitrag leisten, der bei 100 Euro im Fall einer Jahresvignette läge.

Weitere 4,6 Milliarden Euro an Einnahmen steuert im BWIHK-Finanzierungsmodell die Lkw-Maut bei. Und noch einmal 1,2 Milliarden Euro kämen durch  Einnahmen aus einer vom BWIHK angeregten Vignette für mittelschwere Lkw unter zwölf Tonnen zusammen. Macht zusammen 10,5 Milliarden Euro. Abzüglich einer Milliarde Euro an Systemkosten ergeben sich die genannten 9,5 Milliarden Euro.

Das Kammer-Modell setzt also ausschließlich auf Einnahmen aus der Nutzerfinanzierung, die nach BWIHK-Vorstellung auch zweckgebunden in die Straße zurückfließen müssen. Nach Ansicht von Prof. Bernecker hat dieser Ansatz für den Bund einen besonderen Charme: Er könnte die Haushaltsmittel, die er bisher in die Straße steckte, für Schiene und Wasserstraßen verwenden. Jährlich würden 1,8 Milliarden Euro an entsprechenden Mitteln frei. Den beiden alternativen Verkehrsträgern wäre damit auch geholfen. "Denn damit gelingt eine fast vollständige Schließung der bei Schienen und Wasserstraßen zu erwarteten Deckungslücke", sagte der Wissenschaftler. Unterfinanziert wäre dann also nichts mehr.

Konträres Modell zu Daehre

Die Zahl hat die Alarmglocken schrillen lassen: 7,2 Milliarden Euro sind jährlich allein für den Erhalt der Verkehrswege (Schiene, Straße, Wasserstraße) bei Bund, Ländern und Gemeinden erforderlich. Diese Zahl hat die Kommission unter Leitung des früheren sachsen-anhaltinischen Verkehrsministers Karl-Heinz Daehre (CDU) genannt. Doch nach Ansicht des Baden-Württembergischen Industrie- und Handelskammertags (BWIHK) greift die Konzentration auf Sanierungs- und Erhaltungsmaßnahmen zu kurz. "Sie führt dazu, dass ohne zusätzliche Finanzmittel hoch belastete Abschnitte des Verkehrsnetzes nicht mehr durch Aus- und Neubaumaßnahmen entlastet werden können", erklärte BWIHK-Präsident Dr. Peter Kulitz. Daher setzen die Kammern im Südwesten beim erforderlichen Investitionsbedarf bewusst eine Summe für Aus- und Neubauprojekte an, die 2015 bei 2,2 Milliarden Euro im Jahr liegt und inflationsbedingt bis 2030 auf 2,7 Milliarden Euro steigt. Dieser Betrag sei nötig, um die Aus- und Neubauprojekte des Bundesverkehrswegeplans 2003 auszufinanzieren.

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