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Hermes Transport Logistics "Der Kunde braucht nur die Idee"

Frank Rausch, Hermes Transport Logistics Foto: © Küppers

Nicht mehr der Transport, sondern Beratungsleistungen stehen bei Hermes Transport Logistics inzwischen ganz vorne. Hermes-Chef Frank Rausch berichtet, welche Rolle dabei eine neue Supply-Chain-Plattform spielt.

Zu den Kunden von Hermes Transport Logistics gehören die Wettbewerber des Mutterkonzerns, der Otto-Gruppe: etwa die Modeunternehmen Hennes Mauritz, Görtz, Deichmann oder die Handelskonzerne Amazon und Tchibo. "Da haben unsere Eigner, aber auch der Gesamtvorstand sehr viel Nachsicht mit uns", sagt Hermes-Transportlogistik-Chef Frank Rausch im Gespräch mit trans aktuell-Redakteurin Ilona Jüngst.

trans aktuell: Herr Rausch, wie verläuft 2013 bislang?

Rausch: Ich bin wirklich zufrieden. Zwar trübt sich der Markt in Europa und in Deutschland wieder ein, aber gegen den Trend haben wir in den ersten Monaten des neuen Geschäftsjahres annähernd um zehn Prozent gegenüber dem Vorjahr zugelegt. Das stimmt mich positiv für den Rest des Jahres.

Wie haben Sie das geschafft?

In erster Linie durch unsere neue Supply Chain Management-Plattform, weil sie über den Transport hinaus einen wesentlichen Mehrwert bietet – damit steigen wir voll in das Zeitalter der Informations­logistik ein. Auf der anderen Seite trägt auch unsere Serviceorientierung zum Wachstum bei – wir verstehen Logistik nicht als Massenprodukt von der Stange. Stattdessen haben wir kleine und mittelständische Unternehmen bis hin zum großen Mittelstand für unsere maßgeschneiderten Logistiklösungen im Fokus. Das danken uns die Kunden mit Aufträgen.

Warum die Plattform?

Weil sie die ganze Lieferkette des Kunden im Fokus hat – von der Auftragsverwaltung über den Einkauf der Ware bei einem Lieferanten, die Warenprüfung qualitativer, ethischer und technischer Art, den Transport bis zur Lagerverwaltung und später im zweiten Schritt die Distribution an die Haus­türe bis hin zur Retourenlogistik. Wir machen auf Wunsch auch den kompletten Webshop. Eigentlich braucht der Kunde nur die Idee
und den Vertrieb – wir machen den Rest.

Sie werben damit, dass die Plattform mehr Transparenz bietet.

Der Kunde kann Daten zu seinen Warenströmen in Echtzeit sehen und auch eingreifen, etwa, um den Transportmodus zu verändern: Wenn ein Lieferant mit seiner Bestellung früher fertig ist, aber eigentlich für die Waren Luftfracht gebucht ist, hat der Kunde über die Plattform Zugriff und kann das in Seefracht ändern. Das bedeutet Einsparungen auf der Kostenseite und Effizienzsteigerungen.

Setzt das voraus, dass alle an der Plattform beteiligt sind, etwa auch Lieferanten oder Transporteure?

Das wäre wünschenswert, muss aber nicht sein. Wir bieten ja die Plattform auch dann an, wenn wir nicht alle Mo­dule entlang der Lieferkette selbst übernehmen, jemand anderes etwa den Transport macht. So haben wir Görtz Schuhe gewonnen – über die Transparenz der Plattform. Der Trans­portauftrag war da eher Neben­sache.

Kann die Plattform auch helfen, etwa den Lieferanten zu finden, der bei der Herstellung am wenigsten CO2 verursacht?

Absolut, denn hinter der Plattform steht ein ganzes Supply Chain-Team. Wenn ein Kunde eine Idee hat, beispielsweise etwas in China herstellen zu lassen, eröffnet ihm unser Team das ganze Land: wo er die besten Lieferanten dazu findet, warum er etwa nicht in Nord-, sondern in Südchina produzieren lassen sollte und was das wiederum für ­Auswirkungen hat auf die Effizienz, die Transportzeiten und die Nachhaltigkeit in der Lieferkette.

Allen internationalen Lieferketten zum Trotz: Ist Hermes noch mit den üblichen ­Herausforderungen der Transportbranche konfrontiert – beispielsweise dem Thema Rampen­problem?

Eigentlich fragen Sie da den Falschen. Aber ich habe eine persönliche Meinung dazu: Man muss nur in Richtung Automobilindustrie schauen – die haben das doch auch über intelligente Yard-Management-Systeme gelöst bekommen, sonst wären Entwicklungen wie just in time und just in sequence gar nicht möglich gewesen. Daher sind jetzt Industrie respektive der Handel gefragt. Man muss begreifen, dass Standzeiten ein signifikanter Kostenfaktor für die Transportunternehmen sind. Es ist ein Unding, dass die großen Händler da noch keine Lösung geschaffen haben. Aber das ist auch ein Problem des Transportmarktes an sich: Würde es weniger Logistiker geben, hätten die auch mehr Kraft, um gewisse Dinge durchzusetzen.

Die Branche ist also zu zersplittert?

Sie ist schon fast atomisiert in den Strukturen. Von der in der Vergangenheit viel zitierten Marktbereinigung kann ich nichts erkennen. Ich rede nicht gern gegen meine eigene Branche, aber es täte gut, wenn es den einen oder anderen ­weniger gebe.

Warum?

Der Logistiker ist immer massiv unter Kostendruck und bei diesem großen Angebot an Logistikdienstleistern bekommt man die Preise nicht in eine Dimension, in der die Logistik auch auskömmlich bezahlt wird.

Wie sieht es dann Ihrer ­Meinung nach in zehn Jahren aus – wird der Markt dann übersichtlicher sein?

Hermes wird es weiter geben, weil wir uns über den reinen Transport hinaus aufgestellt haben. Wir sind global agierend, wir haben vernetzte Services, wir beschäftigen uns vertikal mit den Kunden.

Wie sehen Sie dann die Zukunft der Transportbranche?

Transport wird Massenware sein. Es wird auch Nischen und Nischenanbieter geben, keine Frage. Aber die Zukunft sehe ich in der Intelligenz um die Transportleistung herum.

Was muss sich ändern?

Zum einen gibt es zu viel Luftfracht – da ist der Leidensdruck noch nicht groß genug, das zu ändern. Auf der anderen Seite ist die Infrastruktur nicht beliebig ausdehnbar, der Bahnverkehr hat nicht immer die benötigten Kapazitäten. Deswegen sollten wir uns als Anfang ein hartes Ziel setzen. Ich sehe beispielsweise kein Pro­blem darin, auf langen Distanzen zusammen mit einem anderen Dienstleister zu fahren, so lange auf der letzten Meile das Fahrzeug das Hermes-Branding trägt.

Sie plädieren also für mehr Kooperation zwischen den Logistikunternehmen – so wie es manche Verlader machen?

Viele Firmen müssen noch das Gesamtbild erkennen: "Kann ich mir überhaupt vorstellen, so ein Konzept zu denken? Wie könnte ich so etwas organisieren?" Auch spielen zu oft Animositäten und Eitel­keiten eine Rolle.

Muss der Leidensdruck noch größer werden, um etwas zu ­bewegen?

Manchmal bewegt sich sicherlich erst etwas, wenn der Druck zu groß ist. Ich kann nur sagen: Hermes steuert jeden Tag ein Netzwerk mit 1.800 Fahrzeugen, das zen­tral mit einer hochgerüsteten IT produziert wird. Ob dieses System jeden Tag 1.800 Ein­heiten effizient bewegt oder 4.000, spielt keine Rolle. Am Ende des Tages geht es doch bei jedem um Leerkosten und da können Ideen helfen, wie man auf gewissen Hauptverkehrsrelationen gemeinsam unterwegs sein kann.

Ist das eine Aufforderung an die anderen Unternehmen?

Keine Aufforderung – aber eine Einladung.

Zur Person

Frank Rausch fing nach Positionen etwa bei Schenker und Danzas 2003 als Geschäftsführer bei der Hermes Logistik-Gruppe an. 2008 übernahm er den Vorsitz der Geschäftsführung und die Leitung der Hermes Transportlogistik, die seit 2009 als Hermes Transport Logistics (HTL) eigenständig ist. Darüber hinaus ist er Mitglied der Geschäftsführung von Hermes Europe, der Dachorganisation aller Hermes-Geschäftsfelder.

Das Unternehmen

Hermes Transport Logistics (Hamburg) ist eine Tochtergesellschaft der Otto-Gruppe und hat in Deutschland neun Standorte. Der Logistikdienstleister beschäftigt 266 Mitarbeiter. Das Unternehmen wickelt nach eigenen Angaben pro Jahr rund 1,1 Millionen Einzelaufträge im Landverkehr, 25.000 Seefrachtsendungen und 20.000 Luftfrachtsendungen ab. Im Landverkehr sind 1.800 Fahrzeuge und  6.500 Wechselbrücken für Hermes unterwegs. Neben Frank Rausch gehören auch Christian Bartelheimer (Internationaler Straßentransport) sowie Eckhardt Fechtner (Luft- und Seefracht) der Geschäftsführung von Hermes Transport Logistics an.

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