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Haftung Drum prüfe, wer sich an Lkw binde

Lkw und Pkw auf einer Autobahn Foto: Alev Atas/ETM

Die Branche hat die neue Rechtsprechung zur Schadensabwicklung bei Gespannen noch nicht verdaut. Vor der neuen Legislaturperiode wird sich nichts daran ändern.

Oberflächlich scheint alles ruhig zu sein: Seit einem Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) im Jahr 2010 ist die Schadenabwicklung bei Gespannen geteilt. "Die Branche schläft den Schlaf der Gerechten", sagt Ralph Feldbauer, Geschäftsführer der Beratungsgesellschaft Risk Guard. Das Aufwachen könnte unsanft werden – nämlich, wenn die Prämien zum Januar 2014 steigen.

Alter Rechtszustand vor dem Urteil erreichen

Bis zuletzt hatten alle Beteiligten darauf gehofft, dass es eine Umkehr zur Praxis vor dem BGH-Urteil gibt. "Jeder hat sich darauf verlassen, dass nach dem 1. Januar 2013 wieder der Alt-Zustand herrscht", berichtet der Versicherungsprofi. Direkt nach dem BGH-Urteil hatten der Verband der Automobilindustrie (VDA) und der Gesamtverband der deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) gemeinsam angestrebt, den alten Rechtszustand zum Zeitpunkt vor dem Urteil wieder zu erlangen.

VDA für Rechtsänderung

Dazu wird es so schnell aber nicht kommen: Gegenüber trans aktuell erklärt der VDA, dass das zuständige Bundesjustizministerium den erforderlichen Gesetzentwurf zur Änderung der Rechtslage bei der Anhängerhaftung bislang nicht fertigstellt habe. Der VDA werde sich aber auch in der neuen Legislaturperiode für eine Rechtsänderung einsetzen.

Bei bestehenden Versicherungen sind laut Feldbauer die Prämien noch so kalkuliert, dass das Schadenrisiko der Sattelzugmaschine angerechnet wird. Mit dem BGH-Urteil hätten sich aber die Schadenaufwände verschoben. "Alle Schadenaufwendungen haben bei einer individuellen Flottenprämie Auswirkungen", sagt Feldbauer, "das belastet einmal die Rentabilität, zum anderen führt das je nach Vertragsmodell zur Beitragserhöhung im Folgejahr."

Wer seine Anhänger etwa im Rahmen von Kooperationen an Partner oder an Subunternehmen ausleiht, steht besonders im Fokus: "Prämienerhöhungen  drohen in allen Fällen der Anhängerüberlassung, etwa bei Trailervermietungen und der Überlassung von Anhängern und Aufliegern an Dritte", sagt Rechtsanwalt Tom Petrick aus Bayreuth. Dies gelte auch für nicht versicherungspflichtige, aber freiwillig versicherte Anhänger, da auch hier eine Doppelversicherung bestehe. "Zu differenzieren ist im Einzelfall dann, wenn der nicht versicherungspflichtige Anhänger im Rahmen einer allgemeinen Betriebshaftpflichtversicherung mitversichert ist."

Unternehmen müssen Risiko-Überlegung anstellen

Seit dem BGH-Urteil fragen die Versicherungen bei Neuzeichnungen, ob ein Anhänger weitergegeben werden soll. "Dabei besteht dann das Risiko, dass die Versicherung mehr kostet oder Verwendungsklauseln beziehungsweise Strafklauseln eingeführt werden, die etwa ein Sonderkündigungsrecht für alle Verträge beinhalten oder ein Verleih des Anhängers untersagen", sagt Feldbauer. Er kennt Vertragsgrundlagen, die Strafbeträge bis zu 2.000 Euro vorsehen, die bei Missachtung der Klausel fällig werden. Was also tun? "Unternehmen müssen eine Risiko-Überlegung anstellen", sagt Feldbauer. Kann ein Anhänger überlassen werden? Wenn ja, wann und an wen? Vielleicht nur an ausgewählte Partner und Subunternehmer, um das Restrisiko zu senken?

Haftungsvereinbarung verhandlen

Eine weitere Möglichkeit zur Regressbegrenzung bietet eine Haftungsvereinbarung, die der Berater nach eigenen Angaben in ersten sehr komplexen Fällen verhandelt hat. Wie eine Haftungsvereinbarung funktioniert, erklärt Anwalt Petrick: "Ziel ist die Erlangung einer Erklärung des Haftpflichtversicherers der Zugmaschine des Entleihers gegenüber dem Überlassenden, bei Unfällen mit dem Gespann auf den Regress beim Versicherer des Anhängers zu verzichten beziehungsweise den Trailerversicherer bei dessen Inanspruchnahme durch den Geschädigten freizustellen." Ausnahmen werden laut Petrick gelten müssen, wenn der Unfall auf Umständen beruht, die der Sphäre des Überlassenden zuzurechnen sind, etwa bei technischen Mängeln des Anhängers.

Verzicht auf Regress bei Schadeneinzelsummen von bis zu 50.000 oder 100.000 Euro

Aktuell denken laut Feldbauer die Versicherer darüber nach, auf einen Regress zu verzichten, allerdings nur bei Schadeneinzelsummen von bis zu 50.000 oder 100.000 Euro. Den Verzicht bei solchen Frequenzschäden lassen sie sich dann mit einem Beitragszuschlag ausgleichen, der je nach Kunde und Risiko festgelegt wird. Echte Großschäden führen aber laut Feldbauer im Regelfall zu weiterem Regress, was im Rahmen von Compliance und auch Rückversichungsthemen nachvollziehbar erscheine.





Was das Gesetz sagt

Urteil des BGH vom Oktober 2010 (Az.: IV ZR 279/08): "Bei der Doppelversicherung eines Gespanns aus einem Kraftfahrzeug und einem versicherungspflichtigen Anhänger haben im Regelfalle nach einem durch das Gespann verursachten Schaden der Haftpflichtversicherer des Kraftfahrzeugs und der des Anhängers den Schaden im Innenverhältnis je zur Hälfte zu tragen." Die Entscheidung des BGH sei die Konsequenz aus der seit August 2002 geänderten Rechtslage, mit welcher der Gesetzgeber im Straßenverkehrsgesetz (StVG) die Gefährdungshaftung für Kfz-Anhänger eingeführt hat. "Sie mag für viele überraschend gewesen sein, juristisch ist die Entscheidung allerdings überzeugend", sagt Rechtsanwalt Tom Petrick aus Bayreuth.

Verlagerung ins Ausland

Eine Verlagerung der Anhänger ins Ausland führt auch nicht weiter, gibt Rechtsanwalt Tom Petrick zu bedenken: "»Auch wenn der Anhänger im Ausland unter Umständen nicht versicherungspflichtig ist, müssen gemäß Paragraf 1 des Gesetzes über die Haftpflichtversicherung für ausländische Kraftfahrzeuge und Kraftfahrzeuganhänger (AuslPflVG) Anhänger haftpflichtversichert sein, wenn sie in Deutschland am Straßenverkehr teilnehmen." Auch insoweit gilt laut Petrick die Beteiligungspflicht nach Paragraf 78 des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG). Ebenso liegt es bei Unfällen mit einer ausländischen Zugmaschine und einem in Deutschland zugelassenen Anhänger, unabhängig davon, ob der ausländische Versicherer der Zugmaschine dort Deckung für den Trailer leisten muss oder nicht. Gleiches gilt bei komplettem ausländischen Gespann: Die ausländischen Versicherer können gegenseitig den Regress nach Paragraf 78 VVG nehmen, wenn sich der Unfall in Deutschland ereignet hat.

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