Größte Schleuse der Welt eröffnet Leinen los für die Zukunft

Kieldrechtsschleuse Foto: Ilona Jüngst

Antwerpen eröffnet die größte Schleuse der Welt – Hinterlandverbindungen weiter wichtiges Thema

Unter offizieller Beteiligung des belgischen Königs, mit Champagner und Häppchen hat der Hafen Antwerpen die Eröffnung der Kieldrechtschleuse gefeiert. Als erstes Schiff durfte die "Grande Lagos" der Reederei Grimaldi durchfahren. Die Inbetriebnahme der "weltweit größten2 Schleuse setzt eine Reihe von Umzugsaktivitäten im Hafen in Gang – und betrifft auch Transporte von und nach Deutschland.

Direkter Zugang zum linken Scheldeufer


Denn jetzt können Schiffe, die von der Nordsee über die Schelde  den Hafen Antwerpen anpeilen, direkt das große Hafengelände entlang des Waaslandkanals auf dem linken Flussufer erreichen, statt die  kleinere und seit Langem überlastete Kalloschleuse weiter südlich nutzen zu müssen.

Filip von Kerchove  von Rhenus Logistics Foto: Ilona Jüngst

Mehr und vor allem auch größere Schiffe sollen Zugang zum Hafen haben – wie die MSC Zoe mit insgesamt 19.224 TEU. 2016 rechnet der Hafen insgesamt mit rund 400 Schiffen der Größenklasse 10.000 TEU und mehr.

Als Folge zieht der größte Kunde des Hafens, der Großreeder MSC, vom rechten Scheldeufer nach links. Das Unternehmen avisiert ein Wachstum von drei bis vier Prozent pro Jahr und will künftig noch mehr Schiffe der Panamaklasse einsetzen. Auch der Reeder Grimaldi zieht seine Tochter RCL auf die linke Seite um – hier wird künftig sein Hub für Transshipments seinen Platz haben. Das betrifft auch Sendungen, die für Deutschland bestimmt sind.

Der Schleusenbau ist eines von mehreren Infrastrukturprojekten, mit denen die Regionalregierung und die Hafengesellschaft den zweitgrößten Hafen Europas für die Zukunft positionieren. Dabei spielt das linke Scheldeufer eine tragende Rolle. Weitere 940 Hektar Fläche im Norden des Hafengebiets verspricht die Entwicklungszone Saeftinghe. "Die Zukunft für Container liegt auf der linken Seite", sagt auch Eddy Bruyinckx, Vorstandsvorsitzender der Antwerpener Hafengesellschaft.

Reger Verkehr nach Deutschland

Von dem Wachstum profitiert ebenso die deutsche Wirtschaft: 2014 sind nach Angaben von Dr. Dieter Lindenblatt, deutscher Vertreter der Hafengesellschaft, rund 63,5 Millionen Tonnen von Antwerpen nach Deutschland sowie von Deutschland über Antwerpen befördert worden, bis 2030 rechnen die Verantwortlichen gar mit insgesamt 90 Millionen Tonnen.

Die Straße bleibt von und nach  Deutschland der Hauptverkehrsträger. Es stellt sich die Frage, wie das Mehr an Containern im Hafen vom linken aufs rechte Ufer befördert und zudem auf dem nachgelagerten Straßennetz sinnvoll weitertransportiert werden kann. Zwar sollen bis 2017 zwei weitere Brücken im Hafen gebaut werden, um den lokalen Verkehr und den Durchfahrtsverkehr zu trennen. Zudem erweitern die Containerterminals ihre Öffnungszeiten für Lkw, um  den Straßenverkehr in und um den Hafen Antwerpen flüssiger zu gestalten. Das Verkehrschaos rund um den Antwerpener Ring dürfte dies allerdings nicht beenden.


"Das Problem muss endlich gelöst werden", sagt Filip von Kerchove von Rhenus Logistics. Er ist in der Antwerpener Niederlassung des deutschen Logistikdienstleisters zuständig für Stahllogistik und den Landverkehr. "Wir wissen es zu schätzen, dass in Antwerpen viel investiert wird – die neue Schleuse bedeutet größere Schiffe und damit auch für uns mehr Wachstum." Aber genau deswegen sei es wichtig, die Hinterlandverbindungen zu verbessern.

Mit dem Binnenschiff ins Ruhrgebiet


Für viele Kunden nutzt die Rhenus-Niederlassung das Binnenschiff, um Güter aus oder in den Hafen zu transportieren. Im Import befrachtet Rhenus sogar eigene Binnenschiffe. Etwa 50 Prozent der Importmengen in das 400 Kilometer entfernte Ruhrgebiet werden über den Rhein befördert. Auch Stahlkunden in Stuttgart oder Mannheim werden per Binnenschiff und im Nachlauf per Lkw just in time beliefert. Retour erledigt Rhenus etwa für den Fahrzeugbauer GM/Opel per Binnenschiff den Export über Antwerpen. Im Export sollen zudem verstärkt Container mehrerer Kunden konsolidiert werden – verantwortlich hierfür zeichnet die Rhenus-Tochter Contargo.


Autobahn ist Flaschenhals


Der Autobahnring rund um Antwerpen ist für die Wirtschaft ein Flaschenhals. Hier treffen Verkehr aus dem Hafen und Transitverkehr zusammen. Wenn MSC und damit auch viele Containerstauereien auf dem linken Schelde­ufer agieren, muss laut von Kerchove dringend die vorhandene Infrastruktur erweitert werden.

Zumindest sind aber im Lkw-Bereich die Preise aufgrund der vielen Dienstleister aus Osteuropa niedrig. Gleichzeitig sinkt damit die Attraktivität des Bahnverkehrs weiter. "Nicht nur ist der Transport pro Tonne 20 bis 25 Prozent teurer als mit dem Lkw", sagt von Kerchove. Auch die mangelhafte Verfügbarkeit von Waggons und fehlende Flexibilität seien Gründe dafür, warum weniger auf der Schiene und unvermindert viel auf der Straße befördert werde.

Dabei setzt der Hafen durchaus auf die Schiene: Seit 2014 ist der Liefkenshoek-Eisenbahntunnel in Betrieb, der in 40 Meter Tiefe unter die Schelde führt und linkes und rechtes Ufer miteinander verbindet. Laut Lindenblatt hat dies die Hinterlandtransporte etwa nach Deutschland deutlich beschleunigt.

Drittels Gleis Aachen-Düren

Für die weitere Ertüchtigung der Hinterlandverbindung würde man in Antwerpen gerne bis Mitte der 2020er-Jahre ein drittes Gleis zwischen Aachen und Düren zur Kapazitätssteigerung sehen. Das deutsche Bundesverkehrsministerium setzt aber im Bundesverkehrswegeplan 2030 mit der
sogenannten Viersener Kurve auf den Ausbau der Brabant-Linie zwischen Venlo und Krefeld. "Doch wir rechnen auch mit mehr Zuwachs als das deutsche Verkehrsministerium", sagt der Hafenrepräsentant Lindenblatt. "Für uns ist das noch nicht zu Ende diskutiert – wir haben ja auch noch 14 Jahre Zeit."

Ausmaße der Kieldrechtschleuse:

  • 68 Meter breit und 500 Meter lang, mit 17,80 Meter Wassertiefe
  • 22.000 Tonnen Stahl und 755.000 Quadratmeter verstärkter Beton wurden in fünf Jahren verbaut
  • Die Baukosten von 382 Millionen Euro tragen die flämische Regierung (zu 75 Prozent) und die Hafengesellschaft Antwerpen (25 Prozent)
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