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Forschung Qualifikation der Fahrer im Fokus

 Ladungssicherung Foto: Jens-Jochen Roth

Fahrer von Kleintransportern geraten immer wieder in die Schlagzeilen. Die Bundesanstalt für Straßenwesen hat daher analysieren lassen, wie sich die Verkehrssicherheit von KEP-Zustellern erhöhen lässt.

Fahrer von Kurier-, Express- oder Postdiensten (KEP) stehen häufig unter Zeitdruck. Viele sind als Subunternehmer von Subunternehmern unterwegs und werden schlecht bezahlt. Damit sich ihr Geschäft einigermaßen rechnet, müssen sie möglichst viele Sendungen pro Tag zustellen. Im Laufschritt eilen sie von Empfänger zu Empfänger. Aus Zeitmangel bleibt oftmals die Ladungssicherung auf der Strecke. Eine fehlende Grundqualifikation sowie eine geringe Fortbildungsquote machen den Fahrern von Kleintransportern zu schaffen. Ihr Image ist schlecht, sie geraten aufgrund mangelnder Verkehrssicherheit immer wieder in die Schlagzeilen.

Das Fahrpersonal von Kleintransportern ist bislang eher gering qualifiziert

Das hat die Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) veranlasst, das Steinbeis-Innovationszentrum Logistik und Nachhaltigkeit (SLN) aus Sinsheim mit einer Untersuchung zur Erhöhung der Verkehrssicherheit von Kleintransportern zu beauftragen. Das Forschungsvorhaben hat ergeben, dass es zwar einige Angebote zur Verbesserung der Verkehrssicherheit am Markt gibt, aber auch, dass das Fahrpersonal von Kleintransportern bislang eher gering qualifiziert ist.

Als Forschungsgrundlage dienten dem SLN die Unfallzahlen von Kleintransportern. Demnach sind seit dem Jahr 2001 die Unfallzahlen mit Kleintransportern nicht mehr so stark angestiegen wie davor, obwohl der Bestand der Kleintransporter über 2,8 Tonnen bis 3,5 Tonnen weiterhin deutlich gewachsen ist. So waren 2001 in der Fahrzeuggruppe über 2,8 Tonnen bis 3,5 Tonnen von 1.000 zugelassenen Kleintransportern im Durchschnitt 15,9 Fahrzeuge in Unfälle verwickelt. Diese Quote ist 2008 zwar auf 11,8 Fahrzeuge gesunken, im Vergleich zu Pkw mit 9,4 Unfallbeteiligten (2008) schneiden Kleintransporter aber immer noch schlechter ab. Allerdings weisen sie auch deutlich höhere Fahrleistungen auf.

Kleintransporter bis 3,5 Tonnen unterliegen keiner Geschwindigkeitsbegrenzung

Kleintransporter mit einem zulässigen Gesamtgewicht bis 3,5 Tonnen unterliegen keiner Geschwindigkeitsbegrenzung und sind aufgrund ihrer Motorisierung im Durchschnitt ähnlich schnell wie Pkw. Hinzu kommt, dass das Fahrpersonal keine spezielle Schulungen wie Ladungssicherung, Ladungsverteilung, Fahrsicherheitstraining oder Fahrphysik absolvieren muss. Hinweise über das Qualifizierungsniveau sind nicht vorhanden. Die fehlende Ausbildung des Fahrpersonals von Kleintransportern wirkt sich vermutlich auf die Verkehrssicherheit aus, berichtet das SLN.

Daher lautete das Ziel der BASt-Untersuchung, Handlungsempfehlungen für Unternehmen und Fahrpersonal zu erarbeiten und zu dokumentieren. Die Grundlage des Forschungsvorhabens bildeten neben einer Literaturrecherche insbesondere empirische Untersuchungen. Insgesamt hat das SLN unter der Federführung von Jens-Jochen Roth im Rahmen des Vorhabens 116 Personen befragt, darunter Fahrer, Unternehmen, Fahrzeughersteller und -vermieter sowie Institutionen, die Schulungen anbieten wie die Dekra Akademie oder die Verkehrsakademie Kulmbach.

Die gewerbliche Nutzung von Kleintransportern ist durch Sozialvorschriften geregelt

Die Literaturanalyse hat ergeben, dass für eine wissenschaftliche Aufarbeitung des Themas Kleintransporter in Zusammenhang mit dem Verhalten derzeit nur in sehr begrenztem Umfang Fachliteratur zur Verfügung steht. Zu gesetzlichen Rahmenbedingungen sowie Informationen zur Ladungssicherung bei Kleintransportern sind entsprechende Dokumentationen vorhanden. So ist die gewerbliche Nutzung von Kleintransportern durch die entsprechenden Sozialvorschriften geregelt. Hierzu gehören insbesondere das Arbeitszeitgesetz (ArbZG), das Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) und das Fahrpersonalrecht. Gewerblicher Güterkraftverkehr mit Kleintransportern sind nach dem Güterkraftverkehrsgesetz (GüKG) erlaubnisfreie Güterkraftverkehre. Wer einen Kleintransporter bis 3,5 Tonnen fahren will, benötigt eine Fahrerlaubnis Klasse B oder BE beziehungsweise Klasse 3 (alt). Weitere Auflagen sind jedoch nicht zu erfüllen.

Die befragten Fahrer aus der KEP-Branche und auch Handwerker gaben an, im Allgemeinen über keine spezifische Qualifikation in Bezug auf das Führen eines Kleintransporters zu verfügen. In den vergangenen fünf Jahren hat zwar jeder zweite Fahrer eine Schulung besucht, aber nicht in den spezifischen Themen. Sie würden Schulungen zu Ladungssicherung, aber auch Erste Hilfe und Fahrsicherheit befürworten.

Akademien und Schulungseinrichtungen bieten eine Reihe von Qualifizierungsmaßnahmen auch für Fahrer von Kleintransportern an. Die befragten Einrichtungen berichteten aber von einer eher geringen Teilnahme dieses Personenkreises. Fahrpersonal vor allem im Bereich der KEP-Dienste bleiben häufig keine Freiräume für Schulungen, da sie zu sehr in die logistischen Prozesse eingespannt sind. Hinzu kommen wirtschaftliche Zwänge der Branche.

KEP-Dienstleister bieten Seminare für die Ladungssicherung

Die KEP-Dienstleister haben ausgesagt, dass sie verschiedene Seminare anbieten und vor allem der Ladungssicherung einen besonderen Stellenwert beimessen. Allerdings geht es ihnen dabei weniger um die Verkehrssicherheit, sondern darum die Schadensquote zu senken und Kundenreklamationen zu vermeiden. Und so wundert es nicht, dass die Mehrzahl der Befragten angibt, dass es bei internen Schulungen schwerpunktmäßig um Zustellerschulung, Zustellqualität sowie Kundenorientierung geht.

Die Fahrzeug- und damit Verkehrssicherheit ist hingegen aus Sicht der Hersteller von zentraler Bedeutung, hat das Forschungsvorhaben ergeben. Ihren Angaben zufolge verfügen Kleintransporter bereits serienmäßig über Antiblockiersysteme, Antischlupfregelungen und elektronische Stabilitätsprogramme. Auch in Bezug auf die laderaumbezogene Sicherheitsausstattung werden Transporter auf Kundenwunsch mit Verzurrschienen am Boden, Verzurrösen an den Seitenwänden oder Trennwänden hinter dem Fahrer ausgestattet. Allerdings hat sich gezeigt, dass die Kunden in vielen Fällen nicht bereit sind, für die fahrzeugspezifische Verkehrssicherheit einen höheren Kaufpreis zu entrichten.

Das Fahren mit einem Kleintransporter ist nicht mit dem Fahren eines Pkw vergleichbar

Einen Beitrag zur Verbesserung der Verkehrssicherheit von Kleintransportern in der Logistik- und Transportbranche leisten insbesondere die Fachverbände und Interessengruppen wie der Bundesverband der Transportunternehmen (BVT), die Interessengemeinschaft von selbstständigen Subunternehmern im Transportgewerbe (Issit) oder der Bundesverband Internationaler Express- und Kurierdienste (BIEK). Sie veröffentlichen entsprechende Positionspapiere. Darüber hinaus sind zum Thema Kleintransporter zwischenzeitlich entsprechende Portale im Internet verfügbar.

Die Verkehrssicherheit von Kleintransportern lässt sich nur verbessern, wenn allen Akteuren bewusst wird, dass das Fahren mit einem Kleintransporter nicht unmittelbar mit dem Fahren eines Pkw vergleichbar ist. Obwohl deren Sicherheitsniveau mittlerweile dem von Pkw angeglichen wurde. Das Forschungsvorhaben hat weiter ergeben, dass das Fahrpersonal erhebliche Wissenslücken aufweist und daher künftig gezielt qualifiziert werden sollte mit dem Ziel deren Image zu verbessern. Der vollständige Bericht ist bei der BASt (www.bast.de) erhältlich.

Handlungsempfehlungen

Die Untersuchung "Maßnahmen zur Erhöhung der Verkehrssicherheit von Kleintransportern" gibt auf Basis der Projektergebnisse und Expertenvorschlägen folgende Empfehlungen.

  • Gesetzliche Ebene: Einführung einer Grundqualifikation ähnlich dem Berufskraftfahrerqualifizierungsgesetz für das Fahrpersonal von schweren Lkw und Omnibussen.
  • Unternehmerebene: Arbeitszeiten sind so zu gestalten, dass sie die gesetzlichen Vorgaben einhalten und die wöchentliche Höchstarbeitszeit nicht dauerhaft überschreiten.
  • Fahrerebene: Fahrpersonal muss seine Grundeinstellung zur Ausübung ihrer Tätigkeit ändern. Sie sind ein wichtiges Glied in der Kette und sollten nicht nur zuverlässig, sondern auch sicher unterwegs sein.
  • Verbandsebene: Sie sollten helfen, zukunftsorientierte Arbeitsplätze für die Fahrer der KEP-Branche zu schaffen sowie eine gleich bleibende Fahrerqualität (Einführung einer Grundqualifikation) sicherzustellen.
  • Herstellerebene: Sie sind aufgerufen, neben Ausstattungspaketen wie Licht-Paket, Office-Paket oder Sicherheits-Paket ein spezielles KEP-Ausstattungspaket mit Verzurrschienen an Decken und Wänden sowie Antirutschmatten in ihr Angebot aufzunehmen.
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