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Flottenmanagement-Systeme Immer im Visier des Chefs

Lkw und Pkw auf einer Autobahn Foto: Alev Atas/ETM

Transport- und Flottenmanagement-Systeme werden bei 
Unternehmen immer beliebter. Die Disposition behält den Überblick. Es lassen sich sogar Prämiensysteme damit etablieren. Doch der Fahrer muss über die Anwendungen zumindest informiert sein— so sieht es das Gesetz vor.

Moderne Transport- und Flottenmanagement-Systeme sind bei der täglichen Touren- und Routenplanung mittlerweile fast unerlässlich. Disponenten arbeiten mit Speditionssoftware und Telematikanbindungen schneller und genauer. Sie erfahren durch die Ortungsfunktion, wo sich die Fahrer gerade aufhalten. Mit Flottenmanagement-Systemen lässt sich zudem die Fahrweise der Fahrer einordnen. Dabei zeichnen die Geräte Daten wie Geschwindigkeit, Bremsverhalten, Stand- und durchschnittlichen Gesamtverbrauch auf.

Personendaten stehen unter Schutz

Nicht alle Informationen sollte der Unternehmer auch sehen. Das Datenschutzgesetz verbietet ihm grundsätzlich, personenbezogene Daten zu sammeln und auszuwerten. Nach Paragraf 3, Absatz 1 des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) sind dies Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse einer bestimmten oder bestimmbaren natürlichen Person.

Hat ein Transportunternehmen ein Ortungssystem, das die Position des Fahrzeugs permanent anzeigt, so fällt das unter das BDSG. Für Prof. Peter Wedde, Direktor und Leiter der Europäischen Akademie der Arbeit in der Universität Frankfurt am Main und Professor für Arbeitsrecht und Recht der Informationsgesellschaft, wäre das eine verbotene Totalkontrolle: "Es ist unzulässig, dass der Disponent die Fahrzeuge minutiös verfolgt. Es mag in der Praxis passieren, ist aber rechtlich nicht erlaubt."

Fahrer muss vor Prüfung informniert werden

Der Disponent habe aber das Recht, temporär die Position des Fahrzeugs zu prüfen, wenn der Fahrer darüber informiert sei, fügt Wedde hinzu. Wo genau die Grenze zwischen einer permanenten Beobachtung und einer temporären Kontrolle liegt, ist juristisch noch nicht bestimmt worden. Es fehlt an Grundsatzurteilen des Bundesarbeitsgerichts. Daher empfiehlt Wedde den Einsatz der Systeme nur für die Planung. Eine permanente Überwachung müsse hingegen entfallen.

Auf keinen Fall darf der Unternehmer ein System einbauen, ohne den Fahrer zuvor zu informieren. "Ich habe einige solcher Fälle erlebt", konstatiert Technologieberater Matthias Wilke, Geschäftsführer der Datenschutz- und Technologieberatung in Kassel. Solch ein Vorgehen sei jedoch rechtswidrig. Der Fahrer müsse aufgeklärt werden. Das verlangen die Fürsorge- und Rücksichtnahmepflichten des Unternehmers.

Betriebsrat bestimmt bei Technik mit

Ein Betriebsrat in der Firma hat umfassende Mitbestimmungsrechte bei der Einführung und Anwendung von technischen Einrichtungen nach Paragraf 87 Absatz 1, Nr. 6 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG). "Zweck des Mitbestimmungsrechts ist es, das Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers gegen anonyme Überwachungsmethoden des Arbeitgebers, die sich konkret aus dem Einsatz technischer Einrichtung ergeben, zu schützen. So definiert es das Bundesarbeitsgericht im Urteil vom 07.10.1987 (5 AZR 116/86)", erklärt Jan Dwornig, Fachanwalt für Transport- und Speditionsrecht bei der Kanzlei Busekist Winter & Partner.

Er ergänzt: "Zu dem Begriff ‚technische Einrichtung’ gibt es eine separate Definition: Es ist ein jedes optisches, mechanisches, akustisches oder elektronisches Gerät, welches in der Lage ist, das Verhalten oder die Leistung des Arbeitnehmers zumindest teilweise der menschlichen Wahrnehmung zugänglich zu machen." Darunter fallen auch Systeme fürs Transport- und Flottenmanagement. Diese objektive Möglichkeit der Arbeitnehmerüberwachung reicht aus, um das Mitbestimmungsrecht wirksam werden zu lassen (BAG v. 14.05.1974, 1 ABR 45/73).

Unternehmer darf Hersteller alleine bestimmen

Dieses Recht geht sogar so weit, dass der Betriebsrat Einfluss auf die Auswahl des Systems hat. "Hier gibt es aber eine Einschränkung. Er darf nicht den Hersteller oder das Modell mitbestimmen. Das ist allein Sache des Unternehmers", sagt Dwornig. Doch dafür kann der Betriebsrat im Einzelnen über Zugriff, Speicherung und Löschung der Fahrdaten mitbestimmen. "Es ist dem Betriebsrat möglich, in einer Betriebsvereinbarung weitgehend Einfluss auf die Programmierung der Software zu nehmen. Er kann letztendlich bestimmen, welche Daten genutzt werden dürfen", erläutert Prof. Wedde. In letzter Konsequenz könne der Betriebsrat das gerichtlich erzwingen. Er hat damit ein sehr starkes Recht, wenn es um solche Systeme geht.

Ein weiteres datenschutzrechtlich relevantes Thema ist die Kontrolle des Fahrverhaltens. Der durchschnittliche Kraftstoffverbrauch ist ein wichtiger betriebswirtschaftlicher Faktor, den der Fahrer mit seiner Fahrweise wesentlich beeinflusst. Daher setzen immer mehr Unternehmen auf Flottenmanagement-Systeme, die die Fahrweise ihrer Angestellten bewerten. Teilweise lassen die Betriebe die Ergebnisse mit in Prämiensysteme einfließen. Doch auch hier gibt es datenschutzrechtliche Bedenken. "Eine detaillierte Auswertung der einzelnen Daten ist nicht erlaubt. Das wäre eine ständige Verhaltens- und Leistungskontrolle" sagt Wedde. Möglich sei jedoch eine allgemeine Auswertung durch das Programm, auch für einzelne Bereiche.

Einbinden des Personals erhöht Akzeptanz

Grundsätzlich befinden sich die Transportunternehmen auf der sicheren Seite, solange sie mit offenen Karten spielen. Es ist am Besten, von Beginn an das Personal mit in die Entscheidungen einzubinden. Dann wird solch ein System auch eher auf Akzeptanz stoßen.

Auch in Zukunft werden die Transportunternehmen vorsichtshalber ihre Fahrer informieren, denn eine eindeutige Regelung des Datenschutzes ist nicht in Sicht. Zwar liegt ein neues Beschäftigtendatenschutzgesetz als Referentenentwurf vor. Ob dieses in dieser Legislaturperiode noch den Bundestag passiert, bleibt aber fraglich. Zumindest wäre dann auch in Paragraf 32 Absatz g die Verwendung von Ortungssystemen erwähnt. Demnach darf ein Unternehmen diese Systeme nutzen, soweit dies aus betrieblichen Gründen erforderlich ist. Dazu gehören die Sicherheit des Beschäftigten oder die Koordinierung des Einsatzes des Beschäftigten. Falls es aber Anhaltspunkte gibt, dass durch die Datenerhebung, -verarbeitung oder -nutzung die schutzwürdigen Interessen des Beschäftigten verletzt würden, hätte dies mehr Gewicht.

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Markus Werner Fachanwalt für Arbeitsrecht
Harry Binhammer, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Harry Binhammer Fachanwalt für Arbeitsrecht
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