Faszination Truck Race Masse kontra Kraft

Faszination Truck Race Foto: Dustin Schaber 20 Bilder

Truck Racing ist ein Erlebnis fürs Auge und fürs Ohr – spektakulär, laut und mitreißend. Wie bannt man das auf Papier? Ein Versuch.

Fünfeinhalb Tonnen Stahl, Aluminium, Blech, Fieberglas, Elektronik, Diesel, Öl und Wasser – gegossen in die Form einer windschnittig getrimmten Zugmaschine. Die steht auf der Startgeraden einer Europameisterschaftsstrecke.

Der Motor läuft und sägt, gurgelt und grummelt gänzlich unberührt von der ihm eigenen Leistungskennzahl vor sich hin: „Schrabschrabschrab.“ Leerlauf. 800 Umdrehungen etwa. Im Cockpit, festgezurrt im passgenauen Schalensitz, der Rennfahrer. Noch drei Minuten, dann geht es los.

Die Chassisverkleidung, ja, das ganze Gefährt, vibriert. Wie leichter Schüttelfrost vielleicht. Die einzige Bewegung. Dass im Aggregat des Renntrucks durchschnittlich 1.140 PS danach gieren, via Gasfuß aus Ventilen, Kolben, Pleuel und Kurbelwelle befreit zu werden, lässt sich nicht wirklich erahnen.

So klingen 1.140 PS?

Da hat ein ordentlicher V8er in einem Scania aber mehr hörbaren Bums. Doch eine sachte Neigung im rechten Fußgelenk des Piloten genügt schon, um diesen Gedanken förmlich aus den Hirnwindungen zu stanzen. Wenn Renndiesel und verdichtete Luft aus dem Turbolader in die Brennkammer der Maschine schießen, reißt das, was dabei herauskommt, ein schwarzes Loch in die akustische Umgebung.

Unwirklich und zäh wirkt der kurze Moment, in dem die schiere Kraft förmlich in der Luft steht. Ungenutzt. Bis der Fahrer den Gang einlegt, den linken Fuß von der Bremse nimmt und dem Pace-Truck folgt, der die Kontrahenten in die Einführungsrunde zum fliegenden Start geleitet.

Der ganze Pulk an Rennfahrzeugen rauscht in einer geschlossenen Melange aus dumpfem, grollendem Wummern an der Boxengasse und der Tribüne vorbei. Wer seinen Ohren nicht trauen mag, bekommt von seinen Fußsohlen und dem bebenden Asphalt darunter eine ergänzende Rückmeldung.

Fahrer benötigen Zehenspitzengefühl

Mit den Trucks biegt der Pegel um die erste Kurve und verliert sich zu einem immer ferner klingenden Dröhnen. Es ist fast Stille, die sich für die wenigen Minuten, die es zur Umrundung der Strecke braucht, das Ohr zurückerobert. Das Beben im Untergrund legt sich. Durchatmen. Gespannt sein. Was kommt jetzt? Gänsehaut.

Denn während das Auge in der Ferne des Kurveneingangs zur Start- und Zielgeraden wahrnimmt, wie das Führungsfahrzeug in die Boxengasse abbiegt, kriecht langsam durch den Boden das Beben zurück in den Körper und dumpfes Rauschen flutet den Gehörgang.

Dann fährt das Feld auf die Gerade ein und der Blick des Beobachters weiß gar nicht, was er fixieren soll: Die Startampel oder diese Wand, die da stampfend in einem Wabern aus Motorabwärme und verdampfendem Bremsenkühlwasser heranwalzt. Wie in Zeitlupe. Irreal. Der Start ist ein Moment purer Anspannung. Für die Maschinen und die Menschen gleichermaßen.

Letztere brauchen viel Zehenspitzengefühl, denn sie geben mit dem rechten Fuß Gas und stehen mit dem Linken auf der Bremse. So klettert der Ladedruck des Turbos nahe ans Maximum. Ein Tick zu viel Gas: Dann drehen die Hinterräder durch und die Vorderräder blockieren, werden unlenkbar. Ein Tick zu wenig Gas: Der Ladedruck fällt ab, der Start ist verschenkt. Sekundenbruchteile entscheiden.

Bremspunkt wird meist optimistisch spät gewählt

Wenn die roten Lichter der Startampeln ausgehen und damit das Rennen freigeben, ist Schluss mit maßvollem Taktieren. Nur das Bodenblech bietet noch Einhalt. Vollgas. Volllast. Mit brachialen 5.500 Newtonmeter Drehmoment reißt die Kardanwelle am Hinterachsdifferenzial.

Einen winzigen Augenblick lang zerren Massenträgheit und Vortrieb in entgegengesetzten Richtungen an dem ächzenden Fünfeinhalbtonner. Dessen Heck klebt am Asphalt, der beinahe die Pneus von den Hinterradfelgen zu ziehen scheint. Dann siegt Kraft über Masse. An Eindrücklichkeit überbieten kann dieses Spektakel der Leistungsentwicklung eigentlich nur noch eines – seine physikalische Umkehr.

Gas weg, Bremse zu. Deren Backen packen die vier dazugehörigen Scheiben und zwingen dem Truck und seinem Insassen ihre Verzögerungswirkung augenblicklich und ohne Gnade auf. Die Kühlung über die Innenbelüftung der Bremsscheiben hält die ungeheure Reibungswärme, die dabei entsteht, gerade noch so im Zaum. Zischender Wasserdampf zeugt davon.

Die sechs Reifen dokumentieren zeitgleich ihr Ringen mit Schub und Fliehkraft quietschend mit blauem Qualm und schwarzen Abriebmustern auf der Strecke. Den Bremspunkt wählen die Piloten in der Regel so optimistisch spät – unbedarfte Mitfahrer spüren da den Magen in Richtung Halsschlagader wandern und Zuschauer knirschen schon seit ein paar endlos erscheinenden Augenblicken nervös mit den Zähnen.

Meisterlich beherrschte den Umgang mit der Fahrphysik in Form von Beschleunigung und Verzögerung in dieser Saison MAN-Pilot Jochen Hahn. Der Schwabe holte sich nach einem furiosen Auftakt in Donington und Misano und ein paar Rückschlägen zur Saisonmitte wie dem Crash am Nürburgring mit beharrlicher Konstanz zum Ende hin den EM-Titel 2011. Er erfüllte sich damit nach eigenen Angaben einen Lebenstraum und bestätigte seine Teammitglieder in ihrer Faszination für den Truckrennsport.

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