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Fahrverbote sind hoch im Kurs Die Gefahr in der Hand

Fotolia Foto: Photographer: S.Engels

Ohne Smartphones geht nichts mehr - der 55. Deutsche Verkehrsgerichtstag ist in Sorge wegen der Ablenkung am Steuer.

Das Smartphone ist für viele in allen Lebenslagen dabei – und führt durch die Ablenkung des Fahrers vom Verkehrsgeschehen zu einer erheblichen Gefährdung. Der Umgang mit dem Smartphone im Verkehr war daher, wie vor zwei Jahren schon, ein wichtiger Diskussionsgegenstand bei den 55. Deutschen Verkehrsgerichtstagen in Goslar. Die rund 2.000 Teilnehmer berieten sich in acht Arbeitskreisen über wichtige Themen des Verkehrsrechts.

Gesetzentwurf zu Smartphone am Steuer


Ganz konkret ging es bei der Diskussion über das Smartphone am Steuer zu: Die Teilnehmer nahmen Stellung zum Referentenentwurf des Bundesministeriums für Verkehr, Infrastruktur und digitale Netze (BMVI) zur Änderung des Absatzes 1a des § 23 der Straßenverkehrsordnung (StVO). Ändern muss sich auf jeden Fall etwas: 60 Euro Bußgeld und ein Punkt in Flensburg halten keinen Fahrer davon ab, das Smartphone beim Fahren in die Hand zu nehmen.

Eine offizielle Statistik gibt es nicht, aber Prof. Mark Vollrath vom Lehrstuhl für Ingenieurs- und Verkehrspsychologie der TU Braunschweig konnte zumindest mit einer Befragungsstudie von 2010 und einer Beobachtungsstudie von 2016 dienen. "Jeder 10. auf der Autobahn und jeder 20. im Stadtverkehr ist beim Fahren mit dem Smartphone beschäftigt", sagte er. Das Problem: Allen Warnungen zum Trotz nehmen die Betroffenen das Risiko der Ablenkung vom Verkehrsgeschehen entweder nicht wahr oder stufen es als nicht gefährlich ein. "Wenn nichts passiert, ist das jedes Mal die Bestätigung, das alles in Ordnung geht."

100 Euro Bußgeld


Der Referentenentwurf gehe zumindest in die richtige Richtung, sagte Christian Kellner, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Verkehrssicherheitsrats (DVR). In dem Entwurf sei das Verbot auf alle elektronischen Geräte ausgeweitet, die der Kommunikation und Unterhaltung dienen, außerdem auch eine Erhöhung des Bußgeldkatalogs vorgesehen: auf 100 Euro und einen Punkt bei einem einfachen Verstoß, auf 150 Euro plus zwei Punkte plus ein Monat Fahrverbot bei einem Unfall oder Schaden.

Der Arbeitskreis setzte in seiner Empfehlung auf die gesellschaftliche Ächtung des Tippens auf dem Smartphone hinter dem Steuer, etwa durch Kampagnen. Zudem solle das Thema auch in der Verkehrserziehung und der Fahrausbildung besser zur Sprache kommen. Zudem könnte, so empfahlen die Experten in Goslar, im Wiederholungsfall innerhalb eines Jahres eine Nachschulung oder sogar ein Fahrverbot verhängt werden.

Fahrverbot als Nebenstrafe


Ein Fahrverbot ist für viele Menschen mehr noch als ein Bußgeld eine empfindliche Strafe. Die Bundesregierung regt daher als Nebenstrafe ein Fahrverbot von bis zu sechs Monaten als zusätzliche Sanktionsmöglichkeit an, wenn jemand wegen einer Straftat zu einer Freiheitsstrafe oder einer Geldstrafe verurteilt wurde – und zwar auch, wenn dies nicht wie bisher mit dem Fahren eines Fahrzeugs zusammenhängt. Hierzu liegt bereits ein Gesetzentwurf (§ 44 neue Fassung) vor, dem die Teilnehmer des Verkehrsgerichtstages aber so nicht zustimmen wollten.

"Kein praktisches Bedürfnis" lautet das Verdikt aus Goslar. "Der Arbeitskreis hat keine Defizite entdeckt, die nicht auf Basis des geltenden Rechts abgedeckt werden können", so das Fazit von Kay Nehm, dem Präsidenten des Verkehrsgerichtstags. Für Straftäter, die sich von einer Geldbuße nicht abschrecken lassen, empfahl der Arbeitskreis, die Bußgelder zu erhöhen. Ob der Bund von der Gesetzesverschärfung ablässt, ist jedoch in diesem Fall fraglich – schließlich steht das Vorhaben so in der Koalitionsvereinbarung.

Eine Strafverschärfung droht auch Handy-Gaffern, die Rettungskräfte am Unfallort behindern. Den entsprechenden Entwurf (Neufassung § 115 Strafgesetzbuch) diskutierten im Streitgespräch, der Abschlussveranstaltung in Goslar, Christoph Frank, Oberstaatsanwalt in Freiburg, und Knut Lindenau, Landespolizeidirektor von Niedersachsen. Der Jurist war dagegen, der Polizeibeamte dafür. Einig waren sie sich darin, dass das Phänomen Smartphone auch ein moralisch-ethisches Problem ist.

Weitere Empfehlungen

Weitere Empfehlungen des Verkehrsgerichtstages, die auch die Transport- und Logistikbranche betreffen:

  • Damit sich die Polizei besser auf ihre Aufgaben konzentrieren kann, ist die Polizei von der Begleitung von Großraum- und Schwertransporten zu entlasten. Von der Möglichkeit zur Übertragung auf ausgebildete Dritte sei zeitnah Gebrauch zu machen.
  • Zur Verhinderung von Radverkehrsunfällen soll sich der Bund auf europäischer Ebene intensiv für eine zeitnahe Einführung geeigneter Fahrassistenzsysteme wie Lkw-Abbiegeassistenten einsetzen.
  • Als Konsequenz aus dem Abgasskandal soll die Möglichkeit einer Musterfeststellungsklage die Rechte der Verbraucher stärken. Für den Einzelnen sei somit die Teilnahme an einem kostenlosen Klageverfahren möglich, außerdem wäre die Verjährung unterbrochen. Gleichzeitig sollen die Behörden mehr als bisher sich auch für den Verbraucherschutz engagieren.
  • Für die autonome Schifffahrt sind rechtliche Rahmenbedingungen – national und international – zu schaffen, auch in Fragen der Haftung.
Unsere Experten
Markus Werner Fachanwalt für Arbeitsrecht
Harry Binhammer, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Harry Binhammer Fachanwalt für Arbeitsrecht
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