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Fahndung EU prüft drakonische Strafen in Frankreich

Fahrertest  Foto: Jacek Bilski

Unklare Regelungen zu den Ruhezeiten am Wochenende sorgen für große Unruhe in der Branche. Die EU-Kommission hat es bisher nicht vermocht, hier für
Ordnung zu sorgen. So kocht jeder sein eigenes Süppchen.

Der ausgeschiedene Verkehrskommissar Siim Kallas war in puncto Straße vor allem auf eine weitere Liberalisierung der Märkte und die Aufhebung der Kabotageregelungen fixiert. Seine Nachfolgerin, die Slowenin Violeta Bulc, hatte sich bei ­ihrer Befragung vor dem Europäischen Parlament klar gegen Sozialdumping und prekäre Arbeitsbedingungen ausgesprochen. Auch wenn sie noch nicht völlig eingearbeitet sein kann, hat sie einen Apparat hinter sich, der mit dem Thema wohl vertraut sein sollte.

30.000 Euro und ein Jahr Gefängnis

Derzeit untersucht die EU-Kommission jedenfalls, ob die von Frankreich vorgesehenen drakonischen Strafen angemessen sind, bestätigte Kallas Ende Oktober. Danach könnte es 30.000 Euro kosten und für den im Unternehmen Verantwortlichen ein Jahr Gefängnis bedeuten, wenn die reguläre wöchentliche Ruhezeit von 45 Stunden in der Fahrerkabine verbracht wird. "Auf der Basis von uns zugeleiteten Erläuterungen werden wir die Rechtmäßigkeit der Maßnahmen genau analysieren, ebenso wie die Praxistauglichkeit der Durchsetzung und ihre Verhältnismäßigkeit", schrieb Kallas. Außerdem dürften die französischen Behörden niemanden diskriminieren.

Der Kommissar hatte mit seiner Erklärung auf eine schriftliche Anfrage der konservativen portugiesischen Abgeordneten Cláudia Monteiro de Aguiar reagiert. Sie wollte von ihm wissen, ob die neuen Gesetze in Frankreich und Belgien europäisches Recht verletzten und ob es nicht grundsätzlich besser wäre, wenn überall einheitliche Regelungen angewandt würden, um insbesondere in Ländern der Peripherie Europas Marktverzerrungen zu verhindern.

Anstieg von Überfällen auf Lkw-Fahrer

Hintergrund für die Anfrage der Abgeordneten war eine Warnung des portugiesischen Transportverbands Antram. Seitdem Frankreich und Belgien nicht mehr erlaubten, die wöchentliche Ruhezeit in den Fahrzeugen zu verbringen, habe es einen deutlichen Anstieg von Überfällen auf Lkw-Fahrer gegeben. Die Sicherheit auf Straßen und Parkplätzen sei immer mehr gefährdet, ­hatte Antra dargelegt.

Kallas betonte, die Kommission habe sich voll dem Ziel verschrieben, die Verkehrs-sicherheit und die Arbeitsbedingungen der Fahrer zu verbessern. Es gebe hier eine enge Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten. Die Anstrengungen der Behörde, die Sicherheit auf den Lkw-Parkplätzen zu verbessern, würden fortgesetzt. Die Verordnung 561/2006 lege aber nicht fest, wo der Fahrer seine reguläre wöchentliche Ruhezeit verbringen müsse, so Kallas. "Nichtsdestotrotz ist es im Geist der Verordnung, dass ein Fahrer nicht von seinem Arbeitgeber gezwungen werden sollte, seine reguläre wöchentliche Ruhezeit im Fahrzeug zu verbringen."

Wenn man in Betracht ziehe, dass "Ruhezeit"  definiert sei als ein "Zeitraum, währenddessen ein Fahrer frei über seine Zeit verfügen kann", sollten Fahrer die Möglichkeit haben, ihre reguläre wöchentliche Ruhezeit am Heimatstandort oder auch anderswo zu verbringen, wenn sie dies wollten, schrieb Kallas. Die Durchsetzung der Rechtsordnung und Strafen seien vorrangig Sache der Mitgliedstaaten. Artikel 19 (1) der Verordnung fordere die Mitgliedstaaten auf, dafür zu sorgen, dass Strafen "wirksam, verhältnismäßig, abschreckend und nicht diskriminierend" seien.

Die Drohungen Frankreichs und Belgiens haben zu Verunsicherung in der Branche geführt und Bewegung in die von Brüssel vernachlässigte Thematik gebracht. Zur Selbsthilfe haben unterdessen auch die Niederlande und Luxemburg gegriffen und zusammen mit Belgien Anfang Oktober einen Vertrag unterzeichnet, der zwischen den beteiligten Staaten die Kontrollen des Straßengüterverkehrs vereinheitlichen und eine grenzüberschreitende Zusammenarbeit gewährleisten soll.

Unterschiedliche Regelungen bringen Nachteile für Spediteure

Wenn das Papier von den nationalen Parlamenten ratifiziert worden ist, können die Kontrolleure gemeinsam vorgehen. Auch wenn ein großer Teil der Regelungen in Europa harmonisiert sei, blieben ­insbesondere die Kontrolle der Lenk- und Ruhezeiten, der Überladung und des Transports gefährlicher Güter in nationaler Verantwortung, heißt es in einer Mitteilung. Daraus resultierten Unterschiede zwischen den Ländern, die Nachteile für die Transportunternehmen mit sich brächten. Außerdem verspricht sich die Benelux-Koalition von der Zusammenarbeit Einsparungen in Bezug auf Material und Personal. "Der Vertrag ist ausdrücklich offen für ­andere Länder, die sich beteiligen möchten", schreiben die drei in einer Mitteilung und sehen sich innerhalb der EU in einer Vorreiterrolle.

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