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Europa-Wahlen Das planen die Parteien in der Verkehrspolitik

Europa Parlament, EU, Brüssel Foto: Europäisches Parlament

Von den Wahlen am 25. Mai hängt nicht nur ab, wer José Manuel Barroso als Kommissionspräsidenten ablöst. Es wird auch über die Zusammensetzung des EU-Parlaments entschieden. trans aktuell sprach mit Mitgliedern des Verkehrsausschusses über ihre Vorstellungen und Ziele.

Welches sind die wichtigsten Aufgaben für das neu gewählte EU-Parlament (EP)? Die Verkehrsexperten der großen Parteien sind sich grundsätzlich einig, was die bedeutende Rolle des Verkehrs für die Strategie Europa 2020 angeht. Aber bei allem Konsens über Verkehrssicherheit, der Ablehnung von Sozialdumping und der Bedeutung von Umweltschutz bleiben die Konturen scharf.

Abbau von Abschottung im EU-Binnenmarkt

Überholte Abschottungen im EU-Binnenmarkt müssten abgebaut werden, fordert Dieter-Lebrecht Koch (CDU). Eine weitere Liberalisierung des Straßengüterverkehrs unter den jetzigen Rahmenbedingungen dürfe es aber nicht geben, hält er fest. "Es gibt auf dem Markt zu viele schwarze Schafe, die Briefkastenfirmen gründen oder Tachographen manipulieren." Verstärkte Kontrollen und höhere Strafen wären für Koch die ersten wirksamen Maßnahmen, die auch ohne neue Gesetze gangbar wären. "Wir müssen das durchsetzen, was jetzt schon gilt. Dann ist das Problem sicher noch nicht völlig gelöst, aber wir wären im Sinne unserer Unternehmen einen ganzen Schritt weiter gekommen", sagt er.

Flexibilisierung und Modernisierung der Lenk- und Ruhezeiten

Koch kann sich auch eine Flexibilisierung und Modernisierung der Lenk- und Ruhezeiten vorstellen. Dabei gehe es um die Sicherung von Wettbewerbsgerechtigkeit sowie eine bessere Arbeitsplatzqualität für Fahrer ohne Sicherheitsverlust. Wichtig ist ihm ein Ausbau intelligenter Verkehrssysteme (ITS) zur Steuerung des Verkehrsaufkommens, und am Herzen liegt ihm hierbei die Entwicklung eines elektronischen Parkplatzinformations- und Reservierungssystems für Lkw und Busse.  "Es kann nicht sein, dass Fahrer bestraft werden, weil sie nicht rechtzeitig einen Parkplatz finden", betont Koch, der auch den grenzüberschreitenden Verkehr von Lang-Lkw befürwortet, wenn die jeweiligen EU-Staaten damit einverstanden sind.

Zusammen mit Koch ist der CSU-Mann Markus Ferber in Brüssel in der Europäischen Volkspartei (EVP) organisiert, die derzeit die größte Fraktion im EP stellt. Er will im Verkehrsbinnenmarkt einen ausgewogenen Ansatz verwirklicht sehen, "der den Anforderungen unserer Wirtschaft, der Begrenztheit der Ressourcen und den Umweltbelangen" gerecht wird. Der steigende Bedarf an Mobilität und Waren wirke sich ja aufgrund von CO2-Emissionen auf die Lebensqualität und Gesundheit der Menschen aus.

Reduzierung von CO2 und Verlagerung des Straßengüterverkehrs

Zwei Themen sind für ihn zu Beginn der kommenden Legislaturperiode vorrangig: zum einen die Reduzierung von CO2 und Verlagerung des Straßengüterverkehrs auf andere Verkehrsträger, zum anderen eine Verbesserung von Beschäftigungs- und Sozialpolitik im Straßengüterverkehr. »Wir brauchen klarere Regeln, strengere und häufigere Kontrollen und mehr Zusammenarbeit zwischen den Staaten, um bei Verstößen gegen die Arbeits- und Sozialvorschriften im Güterverkehr besser durchgreifen zu können«, sagt er.
Schließlich habe auch die EU-Kommission in ihrem Bericht zur Lage im Sektor (siehe trans aktuell 10/2014) festgestellt, dass die Verstöße gegen die Sozialvorschriften nicht effektiv verfolgt werden konnten, worunter Beschäftigte und der europäische Wettbewerb leiden. "Deshalb hat die Kommission angekündigt, Änderungen für die Verordnungen zur Kabotage in der neuen Legislaturperiode vorzuschlagen."

Gute Bedingungen für alle Verkehrsträger

Andere Schwerpunkte setzt Gesinde Meißner, die sich für die FDP im EP um Verkehrsthemen kümmert. Sie ist der Ansicht, dass die EU-Verkehrspolitik bisweilen das eigentliche Ziel, nämlich gute Bedingungen für alle Verkehrsträger innerhalb Europas zu schaffen, aus den Augen verliert. Die Diskussionen in Brüssel seien oft dominiert von umweltpolitischen oder sozialen Fragestellungen, wie Emissionsgrenzen, Barrierefreiheit für behinderte oder ältere Menschen oder die Anbindung entlegener Regionen. "Es ist gut und richtig, dass die EU hier eine Vorreiterrolle übernimmt", sagt sie. "Aber über die Bedingungen, die Verkehrsunternehmen brauchen, um profitabel arbeiten zu können, wird viel zu selten gesprochen."

4. Eisenbahnpaket sowie Maße und Gewichte von Lkw

Nach der Wahl müssten noch einige große Gesetzgebungsprojekte beendet werden, die nicht mehr abgeschlossen werden konnten, wie das 4. Eisenbahnpaket oder das Thema Maße und Gewichte von Lkw, sagt Meißner. "Hier sind große Widerstände aus dem Ministerrat zu erwarten, gerade was die verpflichtende Einführung von Gewichts-Sensoren für Lkw angeht, um Überladung zu kontrollieren." Auf keinen Fall sollten Innovationen auf der Straße behindert werden.

Marktwirtschaft im Verkehrsbereich in Kraft setzen

Der Verkehrsexperte der Grünen, Michael Cramer, will die Marktwirtschaft im Verkehrsbereich wieder in Kraft setzen und das angebliche Ungleichgewicht zwischen der Behandlung der umweltfreundlichen Schiene einerseits und anderen Verkehrsträgern andererseits aufheben. Er kritisiert, dass die seiner Ansicht nach klimaschädlichen Airlines jährlich Steuergeschenke von 30 Milliarden Euro bekämen, weil sie von der Energie- und auf Auslandsflügen auch von der Mehrwertsteuer befreit seien. "Kein Wunder, dass unsere Bahnnetze darben", sagt Cramer.

Kritik an sozialen Bedingungen im Straßentransport

Cramer, wie auch sein SPD-Kollege im Verkehrsausschuss, Ismail Ertug, kritisieren die sozialen Bedingungen im Straßentransport aufs Schärfste. Briefkastenfirmen müssten verboten werden, fordert Ertug. Die bestehenden Gesetze zur Kontrolle könnten mit Durchführungsrichtlinien noch einmal angeschoben und die Mitgliedstaaten in die Pflicht genommen werden. Die EU-Kommission habe zum Teil kein Interesse daran gehabt, auf der Einhaltung von Bestimmungen zu bestehen, weil sie andere politische Interessen verfolgt habe, stellt Ertrug fest. Deshalb setzt er auf die neue Kommission.
Ertrug plädiert für einen branchenspezifischen europäischen Mindestlohn, der sich prozentual am Einkommen des jeweiligen Landes orientiert.

Lohnkosten nicht allein wettbewerbsentscheidend

"Politik ist dazu da, dass wir ordentliche Gesetze machen, die die Arbeitnehmer schützen ohne die Wettbewerbsfähigkeit zu unterminieren", erklärt er. Die Lohnkosten seien eben nicht allein wettbewerbsentscheidend. "Wir werden nie die Standards so weit senken wie in Indien, China, Indonesien oder Malaysia, denn dann würden wir alle Hungers sterben." Deutschland sei trotz seiner Kostenstrukturen stark, weil es eigene Stärken wie Qualität, Innovationskraft und Zuverlässigkeit habe.

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