Erprobung neuer Reifen Reifentestanlage für Vorserienmodelle

Bevor Goodyear einen neuen Reifen ins Programm nimmt, müssen sich die Vorserienmodelle einer anspruchsvollen Prüfung in der Testanlage unterziehen.

Konzentriert nimmt Harald Habscheidt über die Spitze des gelben Pfeils an der Frontscheibe des Mercedes Atego die Markierung in der Mitte der künstlich beregneten Fahrbahn ins Visier. Goodyear gibt seinen Testfahrern für ihre Arbeit in der Reifentestanlage im luxemburgischen Colmar-Berg strenge Regeln vor. Eine davon besagt, dass die Messwerte für sämtliche Bremsmanöver stets unter gleichen Bedingungen erhoben werden müssen. Demnach steuert der mit Sandsäcken beladene Atego erst dann auf dem festgelegten Kurs, wenn Pfeil und Markierung exakt auf einer Linie liegen. Ein prüfender Blick auf den Tacho, der mit Tempo 65 genau die richtige Geschwindigkeit anzeigt, dann spannt sich für einen kurzen Moment der Körper des Fahrers, als er die Fuhre mit einem beherzten Tritt aufs Bremspedal zum Stehen bringt. Draußen schäumt die Gischt um die Reifen, nach wenigen Metern steht der Lkw still. Gelassen kontrolliert Habscheidt auf dem Display seines mit einem GPS-System ausgestatteten Messgeräts die Anzeige der gemessenen Bremsstrecke, dann steuert er den Mercedes zur nächsten Runde zurück auf die Startposition. Noch rund 40 Vollbremsungen stehen an diesem Tag auf seinem Dienstplan, dann ist die Messreihe für den Reifen im Kasten.
Die Bremsmanöver, die Habscheidt auf der Nassbremsstrecke in Vollendung zelebriert, sind Teil eines nach wissenschaftlichen Regeln aufgestellten Programms, mit dem Goodyear wesentliche Kenndaten zur Beurteilung der Reifeneigenschaften ermittelt. Dazu gehört zum Beispiel auch die Messung der Abrollgeräusche in einem speziellen Testfeld mit genormter Fahrbahn. Das Versuchsfahrzeug durchfährt dabei mit jeweils genau definierten Geschwindigkeiten zwischen 60 und 80 km/h eine Messstelle mit zwei rechts und links der Strecke aufgestellten Mikrofonen. Bevor der Lkw in die Messstrecke einfährt, schaltet der Fahrer den Motor aus, damit nur das Reifengeräusch aufgezeichnet wird.

»Wir betreiben einen enormen Aufwand für die Evaluation unserer Reifen«, berichtet Henk van Tuyl, der bei Good-year die Entwicklung der Nutzfahrzeugreifen verantwortet. Deshalb ist der Top-Manager auch stets darüber im Bild, was die Reifen im Portfolio von Goodyear bei Rollwiderstand, Abrollgeräusch und Nassbremsweg tatsächlich draufhaben. Das künftige EU-Label sieht er jedenfalls gelassen: »Wir können heute schon sagen, dass wir mit unseren neuen Produkten ein ausgezeichnetes Ranking erreichen werden.«
Bei den Ingenieuren und Wissenschaftlern im Goodyear Entwicklungszentrum (Innovation Center) kommen solche Botschaften gut an. Immerhin stecken in jedem neuen Reifen rund 18 Monate Arbeitszeit am Computer. »Wir rechnen im Schnitt 100 Reifen am Rechner durch, von denen am Ende vielleicht zwei gebaut werden«, sagt Henk van Tuyl. Was ein Prototyp dann in der Praxis leistet, das lässt der Reifenhersteller in aufwändigen Tests in Prüfständen, Labors und praktischen Erprobungen klären. Informationen aus erster Hand steuern auch die Feldversuche bei, für die Goodyear eine eigene Testflotte sowie Speditionen im internationalen Verkehr mit Testreifen ausstattet. Im Schnitt befinden sich konstant rund 5.000 Reifen des Herstellers in einem aktuellen Test.

Ein gewichtiges Wörtchen über die Eigenschaften eines Goodyear-Reifens hat auch Markus Gross mitzureden. Der Ingenieur ist seit 13 Jahren Testfahrer beim Reifenhersteller, seine Spezialaufgabe sind die subjektiven Tests, in denen er allein auf Basis von Know-how und Erfahrung beurteilt, wie sich ein Reifen zum Beispiel bei Geradeauslauf, Rückstellmoment, Seitenkraftaufbau und Lastwechseln in Kurven verhält. Einen ersten Eindruck über den Testkandidaten verschafft sich Gross, indem er damit rund 50 Kilometer Landstraße rund um Colmar-Berg unter die Räder nimmt. Anschließend geht’s mit einem bärenstarken Mercedes Actros V8 für zwei bis drei Runden auf die 4,6 Kilometer lange Teststrecke, die mit Steilkurve, unterschiedlichen Straßenbelägen und Abschnitten mit ausgeprägten Spurrillen aufwartet. Gross drückt dann mächtig aufs Gas, um die Testkandidaten bis zur Grenze ihrer Belastung zu fordern. Für die gezeigten Leistungen in den einzelnen Disziplinen vergibt er Punkte, die den Reifenentwicklern später genau Aufschluss für die Nacharbeit geben. Große Stücke hält Markus Gross übrigens auf die Fahrer in den Speditionen. »Ein guter Fahrer erkennt sofort, ob er mit einem guten Reifen unterwegs ist.«

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