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Eberhard Hipp Der Erfinder

Porträt: Eberhard Hipp
Foto: © MAN

Eberhard Hipp hat vor mehr als 20 Jahren den Abstandsregeltempomaten auf die Straße gebracht. Für sein Lebenswerk hat er unter anderem den Europäischen Sicherheitspreis Nutzfahrzeuge bekommen.

Es ist ein Kindheitstraum – welcher Junge hat nicht einmal mit dem Gedanken gespielt, ein Erfinder zu werden. Spätestens beim ersten Kontakt mit Walt Disneys Daniel Düsentrieb sind die meisten Kinder infiziert. Den Traum zum Beruf machen allerdings nur wenige, aber wenn, dann voller Inbrunst. Eberhard Hipp ist so einer, der sein ganzes Leben teilweise abwegig anmutenden Ideen gewidmet hat, die es irgendwann aber in den Lebensalltag geschafft haben. Und manch einem haben Hipps Erfindungen wohl schon das Leben gerettet. Denn der Ingenieur arbeitet seit fast vier Jahrzehnten an der Sicherheit von Nutzfahrzeugen.

Hipp trat eine einzige Stelle an - bei MAN in der Vorentwicklung

In Stuttgart hat Hipp den Grundstein für seine Karriere gelegt. An der Technischen Universität hat er Verkehrswesen studiert. Nach dem Abschluss verbrachte er vier weitere Jahre an der Uni und arbeitete an der Optimierung des Straßenverkehrs. "In der Zeit konnte ich auch ausprobieren, ob ich an der Uni bleiben will", erinnert sich der 64-Jährige. Aus heutiger Sicht ist der Münchner Fahrzeugbauer MAN sicher froh, dass Hipp sich gegen die akademische Karriere und für einen Job in der Industrie entschieden hat. "1978 habe ich meine erste und einzige Stelle angetreten, bei MAN in der Vorentwicklung."

Der Titel seines ersten Arbeitsbereichs sei nicht ganz korrekt gewählt gewesen, erzählt Hipp. Die Vorentwicklung ist eigentlich ein Bereich, der sich schon mit seriennahen Fahrzeugen beschäftigt. Hipp indes ist ein Forscher, ein Tüftler, der Ideen liefert und zeigt, dass diese funktionieren. Heute trägt der Bereich den Namen Research – Forschung eben.

Erste Gehversuche mit dem Spurbus

Die ersten Gehversuche bei MAN machte Hipp mit dem sogenannten Spurbus. Gemeinsam mit seinen damaligen Kollegen erdachte und konstruierte er einen Stadtbus, der automatisch in einer eigens dafür gebauten Fahrspur unterwegs ist. Das Projekt fand seinen vorläufigen Höhepunkt, als die Firma Züblin in Zusammenarbeit mit der australischen Stadt Adelaide den Spurbus am anderen Ende der Welt auf eine 30 Kilometer lange Strecke setzte. Bis heute verkehren mit den Fahrzeugen dort Menschen zwischen dem Stadtrand und der Innenstadt. 1984 gab es auch in Fürth einen deutschen Versuch mit Spurbussen. Hierzulande konnte sich das System allerdings nicht etablieren.

Das gelang Hipp und seinen Mitstreitern dafür mit den Früchten eines 1987 von einem Industriekonsortium ins Leben gerufenen Projekts. "Das Forschungsprojekt Prometheus hat die gesamte europäische Autoindustrie umfasst." Man habe einen riesigen "Think Tank" – eine Ideenschmiede – geschaffen, an dem sich auch die Zulieferer der Autoindustrie beteiligt hätten, sagt Hipp. Dort seien die ersten Fahrerassistenzsysteme auf dem Reißbrett entstanden. Das Ergebnis: Sechs Jahre später präsentierte der Ingenieur den ersten Radar-gestützten Abstandsregeltempomaten sowie einen Spurhalteassistenten. Beides sind Systeme, die die EU ab kommendem Jahr zur Pflicht in Neufahrzeugen erklärt.

Projekt Stadtlastwagen 2000

Parallel zum unternehmensübergreifenden Projekt Prometheus hatte Hipp auch bei MAN ein spannendes Forschungsprojekt laufen – den Stadtlastwagen 2000. Während Deutschland noch geteilt war, bekam Hipp die Aufgabe gestellt, einen 7,5-Tonner zu entwickeln, der in den engen Innenhöfen West-Berlins noch wenden konnte. Das war für den Ingenieur eine besondere Herausforderung. "Zum allerersten Mal durften wir ein Fahrzeug von null an aufbauen."

Der Verteiler-Lkw war sieben Jahre später so weit, dass MAN den Entwurf des Stadtlastwagen 2000 auf der IAA präsentierte. Das Fahrzeug hatte Frontantrieb. Allradlenkung und Motor sowie vollautomatisches Getriebe waren unterflur verbaut. Der Fahrer kann von der Kabine in den Laderaum direkt durchsteigen, wobei die Kabine dennoch kippbar ist. Was nach einem Entwurf für einen zeitgemäßen Verteiler-Lkw klingt, wurde während der Krise der Nutzfahrzeugbranche 1993 eingestellt.

MAN TGA trägt Züge des Stadtlastwagens

"Solche Krisen können das Ende von Forschungsprojekten bedeuten", erzählt der Ingenieur. Und die Krise 1993 sei für MAN wesentlich schlimmer gewesen als die im Jahr 2008. Damals habe sich das Unternehmen gerade im Umbruch befunden. Da sei die Krise ein harter Schlag gewesen, erinnert sich Hipp. "2008 hatte MAN lauter neue Fahrzeuge fertig entwickelt. Da trifft einen die Krise nicht so hart." Für den Stadtlastwagen 2000 gab es dennoch keine Rettung. Nur das Design hat teilweise überlebt. Denn der damalige Designer entwarf später auch den ersten MAN TGA, der die Züge des Stadtlastwagen 2000 trug.

Als ob Fahrerassistenzsysteme und Stadtlastwagen 2000 nicht genug wären, arbeitete Hipp zu dieser Zeit auch an den ersten alternativen Antrieben und forschte im Bereich der alternativen Kraftstoffe. Hybridisierung von Fahrzeugen gehörte ebenso zu seiner Arbeit wie neue Ideen zum Umgang mit Wasserstoff in Fahrzeugen. Manches davon gehört heute zum alltäglichen Straßenbild, beispielsweise Lkw und Busse mit Hybridantrieb.
Ebenfalls Alltag ist heute die Kommunikation zwischen Fahrzeugen und Satelliten. Als Hipp erstmals mit dem Thema in Berührung kam, war das alles andere als alltäglich. "Damals gab es keine Laptops und noch nicht einmal PCs und wir haben mit Satelliten kommuniziert", erzählt Hipp. Das sei sicher das Kurioseste in seiner bisherigen Laufbahn gewesen. Wobei Hipp betont: "Das Exotische ist unser Alltag." Dass es sich bei Hipps Arbeit aber nicht nur um abwegige Dinge handelt, bestätigt ihm die Würdigung der Europäischen Vereinigung für Unfallforschung und Unfallanalyse. Diese beschloss zusammen mit der Prüforganisation Dekra und dem Deutschen Verkehrssicherheitsrat, Hipp 2012 für seine bisherigen Verdienste mit dem Europäischen Sicherheitspreis Nutzfahrzeuge zu ehren.

Hipp verantwortet bei MAN den Forschungsbereich

Die Ehrung erreichte Hipp, während er gerade in das nächste Großprojekt einstieg. 2012 nahm auf seine ­Initiative hin eine neue Forschungs­gruppe ihre Arbeit auf – zum Thema Fahrerassistenzsysteme im urbanen Raum. Das Projekt namens "Urban" wird vom Wirtschaftsministerium gefördert. Hipp verantwortet bei MAN den Forschungsbereich, der 100 Mitarbeiter umfasst. Pausen gibt es da nur wenige.

Aber wenn, dann ist der Ingenieur mit einer regelmäßig wartungsbedürftigen Jolle auf dem Tegernsee anzutreffen. Und selbst da lässt ihn seine Arbeit nicht in Ruhe. Für die teilweise unerfahrenen Bootslenker auf dem Tegernsee könnte er sich beispielsweise ein eigenes Verkehrsleitsystem vorstellen – ein Forscher mit Leib und Seele eben.

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