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Die Zukunft: vernetzt, elektrisch, autonom Wie sich Logistik wandelt - Tops und Flops

Mercedes-Benz urban eTruck Foto: Daimler

Der Zukunftsforscher Dr. Bernhard Albert wagt den Blick in die Kristallkugel: Wie sich Logistik in den nächsten 25 Jahren wandelt. Die Tops und Flops aus heutiger Sicht.

Wer davon ausgeht, dass sich in der Logistik in den nächsten 25 Jahren nicht viel verändern wird, läuft Gefahr, den Anschluss zu verlieren. Die aufkommenden technologischen und strukturellen Veränderungen sind im Kleinen längst Realität. "Jedes Unternehmen, das Dienstleistungen anbietet, Produkte herstellt oder im Handel aktiv ist, hat bereits neue Anforderungen aus den Märkten umgesetzt. Oder aber es hat sich proaktiv auf den Weg gemacht, um auch in Zukunft ganz vorn dabei zu sein", erklärt Dr.  Bernhard Albert, Geschäftsführer von Foresight Solutions, im G­espräch mit trans aktuell.

Viele Logistiker wollen den Wandel nicht wahrhaben

Noch heute würden viele Logistiker den Kopf schütteln, wenn man ihnen sagt, dass der Start führerloser Fahrzeuge vor der Tür stehe, berichtet der Zukunftsforscher. Dabei sei damit in vielen Ländern im Laufe der nächsten Jahre zu rechnen. Ebenso heftig falle oft die Abwehrreaktion von Ingenieuren aus, wenn von diesel-elektrischen Antrieben, der Elektrifizierung des Antriebsstrangs, der Brennstoffzelle oder dem Radnabenantrieb für den Lkw gesprochen wird.

"Doch schaut man sich die Entwicklungen im Detail an, dann sieht man im Cockpit gelangweilte Piloten auf den Autopiloten starren, liest von Geisterschiffen ohne Kapitän und sieht Videos von Lkw-Fahrern, die die Beine hochlegen." Ohnehin sei Automatisierung ein alter Hut: Kontraktlogistiker betreiben vollautomatisierte Lagerhallen und Industrieroboter lösen immer schneller immer komplexere Aufgaben Hand in Hand mit Menschen.

Elektrifizierung in der Logistik schreitet unaufhaltsam voran

In den Häfen, im Güterverteilverkehr und bei den KEP-Dienstleistern sind Elektro-fahrzeuge bereits alltäglich. Auf Deutschlands Autobahnen werden die ersten Oberleitungen eingerichtet, damit das nach Expertenansicht wirtschaftlichste Konzept zur Elektrifizierung des Fernverkehrs in den Versuchsbetrieb gehen kann. Während die einen Experten noch begeistert vom phänomenalen Wirkungsgrad sprächen, würden die anderen bereits von der Sparsamkeit, Präzision und Zuverlässigkeit des elektrischen Antriebs schwärmen."Bis zum Jahr 2042 werden die neuen Technologien an Boden gewinnen. Doch wo sich Arbeitsvorgänge stetig verändern und ­einiges an Kopfarbeit erforderlich ist, wird auch in 25 Jahren niemand auf den Menschen verzichten", ist sich Albert sicher.

Einsatz von Drohnen und Zustellrobotern lohnt nur in Einzelfällen

Den aktuellen Hype um den Einsatz von Lieferdrohnen und Zustellrobotern sieht er hingegen eher kritisch. Denn was zur Versorgung in ländlichen Regionen beiträgt, werde in der Stadt zum Problem: Drohnen machen Lärm und erhöhen die Unfallrisiken in verdichteten Räumen. Roboter hingegen könnten sich durchsetzen, wenn Arbeitskräfte fehlen oder wenn mit ihrer Hilfe kostengünstiger geliefert werden kann.Eine weitere Herausforderung sieht er daran, dass die Infrastrukturen bereits über ihrem Limit belastet sind. Eine wachsende Weltbevölkerung sowie eine zunehmende Nachfrage nach unterschiedlichsten Gütern würden das noch weiter verschärfen.

Im Gegenzug erschweren verdichtete Ballungsräume den Ausbau der Straßen und Schienenwege. "Und auf See konkurriert die Gewinnung von Energie und Rohstoffen mit dem zunehmenden Schiffsverkehr, während extreme Wetterereignisse infolge des Klimawandels die Transportrisiken erhöhen", erläutert Albert. Auch der Luftraum über den globalen Ballungsräumen werde eng. Selbst bei der Binnenschifffahrt gebe es kaum noch Ausbaupotenziale. Zudem sei die Finanzierung oft ein Problem. Ob eine Privatisierung hier Abhilfe schaffen könne, sei hingegen unklar.

Die IT durchdringt und vernetzt alle Arbeitsbereiche – nicht nur der Logistik

Sicher sei allerdings, dass die Informationstechnologie zunehmend alle Bereiche durchdringe. Das wiederum führe nicht nur zu zunehmend fließenden Übergängen zwischen den Wertschöpfungs- und Lieferketten, sondern verändere auch die Vorstellungen davon grundlegend. "Logistikdienstleister produzieren für Unternehmen und übernehmen das Fulfillment für den Handel, Händler drängen in die Zustellung und werden zum Hersteller von Eigenmarken, Produzenten reintegrieren Logistikleistungen und Endkunden gestalten Produkte mit", skizziert der Zukunftsforscher den aktuellen Trend, der sich auch weiter fortsetzen werde.

Noch führen Schnittstellen zu Medienbrüchen in der Lieferkette

Momentan würden allerdings fehlende Schnittstellen häufig zu Medienbrüchen führen – etwa beim Frachtbrief. Doch überall dort, wo die Integration gelinge und die neuesten Lösungen eingesetzt würden, werde es einfacher und übersichtlicher. Die erforderlichen Informationen zu jedem Gut, jedem Bestand, jedem Transportmittel und ihrem jeweiligen Zustand lassen sich dann mühelos erfassen und abrufen oder werden eigenständig zugeliefert.

"Verstärkt wird diese Entwicklung durch das Internet der Dinge, in dem faktisch jedes Objekt in Kommunikation mit anderen Objekten oder mit den darunter liegenden Datenstrukturen und Prozessen treten kann", erklärt der Zukunftsforscher. Diese fließenden Übergänge in den Wertschöpfungs- und Lieferketten eröffnen neue Möglichkeiten für innovative Dienstleistungen und verbessern die Aussichten des Logistikmittelstands, ist sich Albert sicher.

3D- und Filament-Druck könnten den Transportbedarf einschränken

Eine mögliche Antwort auf die steigenden Transportvolumen wiederum sind nach seiner Ansicht neue Fertigungstechnologien. Die reichen vom 3D-Druck über den Filamentdruck mit Kunststoffen bis hin zum Laserauftragschweißen mit Metalllegierungen. Andere Lösungen liegen im Einsatz lernfähiger Roboter und modularer Produktionseinheiten, die hochflexibel selbst für die kundenindividuelle Fertigung eingesetzt werden können. "Mit ihnen wird die Produktion umweltverträglicher, leiser und kostengünstiger", erklärt der Wissenschaftler.

Immer mehr Fertigungsaufgaben, die in verdichteten urbanen Räumen früher undenkbar schienen, könnten damit ohne Widerstand von Anwohnern realisiert werden. Verstärkt werde diese Entwicklung durch die schon heute überlasteten Infrastrukturen, die global steigenden Lohnkosten und erhöhte Transportkosten infolge der Endlichkeit fossiler Brennstoffe. Produziert wird, wo es sich am meisten rechnet. "Und das kann in Zukunft auch wieder mitten in Europa sein", sagt Albert.

Protektionistische Maßnahmen zum Wohl der Umwelt

Erhöht werde der Druck in diese Richtung durch die protektionistischen Maßnahmen einer wachsenden Zahl von Ländern. "Hinzu kommt die fortschreitende Regulierung zum Wohle der Umwelt, die auch in 25 Jahren noch die Basis wirtschaftlichen Handelns und der weiteren Entwicklung der Menschheit ist", sagt er. Noch ein Grund, sich heute schon zu bewegen, um nicht den eingangs erwähnten Anschluss zu verlieren.

Das Unternehmen

  • Foresight Solutions aus Frankfurt gibt es seit 2008
  • Das Institut ist Teil der Advanced Foresight Group mit insgesamt 16 Mitarbeitern
  • Schwerpunkte sind industrielle Zukunftsforschung, Scouting und Ideenwettbewerbe sowie marktorientierte Wertewandelforschung
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