Die Seehandelsreform wirkt sich auch auf die Vertragsbedingungen für Transport und Logistik aus. Die Verbände reagieren unterschiedlich.
Einer ungleichen Ausgangslage sahen sich die Verbände nach der Reform des Seehandelsrechts durch den Bund im April ausgesetzt (siehe dazu auch trans aktuell 6/2013): Der Bundesverband Güterkraftverkehr, Logistik und Entsorgung (BGL) war danach einer der ersten der Branche, der seine Vertragsbedingungen (VBGL) den neuen Gegebenheiten anpasste. Und er verkniff es sich nicht, diesen Vorsprung in einer Mitgliedermitteilung gegenüber dem Deutschen Speditions- und Logistikverband (DSLV) auch herauszustellen.
Wichtigste Neuerung ist Thema Haftung
Denn dessen Vertragswerk, die Allgemeinen Deutschen Spediteurbedingungen (ADSp), sind weiterhin auf dem Stand von 2003 und bislang nur mit einem überarbeiteten Hinweis ergänzt, mit dem "bis Inkrafttreten einer Neufassung der ADSp" bestimmten Haftungsrisiken Rechnung getragen werden soll. Doch der DSLV hat gegenüber dem BGL ein Handicap: Er muss mit den ADSp-Trägerorganisationen DIHK, BDI, BGA und HDE über die Modernisierung verhandeln und ist daher in Puncto Zeit im Nachteil.
Wichtigste Neuerung im Rahmen des Seehandelsreform war für Spediteure und Frachtführer das Thema Haftung. Weil die gesetzliche Haftungsbefreiung des Verfrachters bei nautischem Verschulden und Feuer wegfiel, sollten Unternehmen diese Haftungsausschlüsse im Rahmen eigener AGB mit dem Kunden vereinbaren. Oder eben die – aktualisierten – Vertragsbedingungen der Verbände zu übernehmen.
Einheitliche Grundhaftung
Im Rahmen der Reform wurden auch die Anforderungen für Spediteure und Frachtführer, eine von der Regelhaftung von 8,33 Sonderziehungsrechten pro Kilogramm abweichende Vereinbarung mit dem Kunden treffen zu müssen, herabgesenkt. Auf die besondere, drucktechnische Hervorhebung kommt es nunmehr nicht mehr an.
Wie VBGL und ADSp das Thema Haftung angehen, beleuchtet für trans aktuell Rechtsanwalt Carsten Vyvers von der Kanzlei Arnecke und Siebold aus Frankfurt: "Die VBGL gehen weiterhin von einer einheitlichen Grundhaftung von 8,33 Sonderziehungsrechten pro Kilogramm im Falle der Güterbewegung aus", sagt er. Eine Unterscheidung wie in Ziffer 23 der ADSp (beispielsweise fünf Euro pro Kilogramm für Schäden während des Umschlags) findet sich hierin nicht.
Hubert Valder vom DSLV (siehe Kasten "Vier Fragen an") erklärt dies so: "Der Auftraggeber stimmt einer im Vergleich zum Gesetz reduzierten Haftung zu, dafür ist der Spediteur verpflichtet, seine Haftung nach den ADSp ausreichend zu versichern. Damit ist im Interesse der verladenden Wirtschaft sichergestellt, dass der Auftraggeber seinen Schaden unabhängig von der Zahlungsfähigkeit des Spediteurs, stets ersetzt bekommt."
ADSp sorgte für Überraschungen
Laut Rechtsanwalt Vyvers legen die ADSp gleichzeitig in Ziff. 23.1.2 fest, dass beim Beförderungsmittel das für die jeweilige Strecke geltende Haftungsregime Anwendung finden wird. "Daher kam es in der Vergangenheit zu manch überraschender Entscheidung, welche diesen Sinn der ADSp – Beschränkung der Haftung im gesamten Umschlagsbereich – ausgehebelt haben." Anstatt dass die fünf Euro pro Kilogramm für den gesamten Bereich des Lagers gelten, schützen diese den Spediteur somit nur bei "händischen Fehlern". Der Transport mit einem Gabelstapler wurde etwa laut Vyvers bereits als Beförderung angesehen, welche dem nationalen Transportrecht unterfällt und zu einer Grundhaftung von 8,33 Sonderziehungsrechten pro Kilo führte. "Zu solch einer Rechtsprechung wäre es wahrscheinlich gar nicht erste gekommen, wenn die ADSp – wie die VBGL – eine durchgängige, einheitliche Haftungsregelung getroffen hätten."
Beide Vertragsarten eignen sich für Speditions- und Transportunternehmen
Und für wen eignen sich nun die beiden Vertragsarten? Nach Ansicht des Rechtsanwalts eignen sich grundsätzlich beide, ADSp und VBGL, für Speditions- und Transportunternehmen. Die Schaffung der Logistik-AGB habe jedoch gezeigt, dass die ADSp in ihrer ursprünglichen Fassung nicht mehr das gesamte Tätigkeitsspektrum eines Speditions- und Logistikunternehmens abgedeckt haben. Auch neuere, in den vergangenen Jahren hinzugekommene Tätigkeiten wie das Röntgen von Luftfracht würden durch die ADSp noch nicht oder nur bedingt abgebildet.
"Die VBGL gehen einen Schritt weiter, indem sie auch logistische Zusatzdienstleistungen mit erfassen und hierfür Regelungen treffen", sagt Anwalt Vyvers. Bei Zurufgeschäften sind seiner Meinung nach ADSp und VBGL sowie gegebenenfalls die Logistik-AGB grundsätzlich verwendbar. Bei größeren Projekten oder einer angestrebten, längerfristigen Zusammenarbeit empfehle es sich, dies in einem Rahmenvertrag zu dokumentieren.
Vier Fragen an
Hubert Valder ist Geschäftsführer und Justiziar des Deutschen Speditions- und Logistikverbands (DSLV).
trans aktuell: Herr Valder, welche Änderungen des Seehandelsrecht müssen in neuen Vertragsbedingungen festgehalten werden?Valder: Mir erscheint es vor allem wichtig, einen Haftungsausschluss für Fälle des nautischen Verschuldens und Feuer an Bord in den Vertragsbedingungen festzuschreiben, da sich hier existenzgefährdende Haftungsrisiken ergeben können.
Das schmeckt den Verladern doch sicher nicht. Welche Argumente führen Sie dafür ins Feld?Nach wie vor geben die Haag Visby Rules den internationalen Haftungsstandards bei Seebeförderungen vor. Danach trifft den Verfrachter eine Haftung für nautisches Verschulden oder Feuer an Bord nur, wenn ihn ein eigenes Verschulden trifft. Nachdem sich das neue deutsche gesetzliche Seehandelsrecht in diesen beiden Punkten von dem internationalen Haftungsstandard losgelöst hat, muss ein Speditions- und Logistikunternehmen darauf achten, hier nicht in die Haftungsfalle zu laufen.
Diese ergibt sich insbesondere dann, wenn es mit ausländischen Reedern zusammenarbeitet, für die weiterhin die Haag Visby Rules mit den genannten Haftungsausschlussgründen Anwendung finden. Ohne eine entsprechende Vereinbarung mit ihrem Auftraggeber würde die Spedition das wirtschaftliche Risiko in diesen Fällen tragen, weil ein Regress beim Schadensverursacher ausgeschlossen ist. Die ADSp, die ein gemeinschaftliches Empfehlungswerk der verlandenden Wirtschaft und der Spedition sind, beinhalten in diesem Punkt einen Kompromiss im Sinne eines Interessenausgleichs.
Wie können Transport- und Logistikunternehmer sicherstellen, auf der sicheren Seite zu sein?Sie müssen insbesondere darauf achten, die ADSp beziehungsweise den ADSp-Hinweis zur wirksamen Vertragsgrundlage zu machen. Im Kern sind die Anforderungen an eine wirksame Einbeziehung von Vertragsbedingungen im unternehmerischen Verkehr nicht hoch, da anders als bei Verbrauchergeschäften weder eine Übergabe des AGB-Textes noch ein Aushang in Geschäftslokalen verlangt wird. Probleme bei der Einbeziehung treten aber immer dann auf, wenn auch der Auftraggeber seinerseits auf vorformulierte Vertragsbedingungen verweist oder mehrere Vertragsklauselwerke nebeneinander zur Anwendung kommen sollen.