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Lang-Lkw Maße Lange umstritten

Meyer und Meyer, Mercedes, Lang Lkw Foto: Michael Hehmann

Beim Lang-Lkw gibt es in Brüssel weiterhin keine einheitliche Linie. Während EU-Kommissar Siim Kallas die großen Fahrzeuge über Grenzen hinweg rollen sehen will, ringt das EU-Parlament noch um seine Position.

Europa tut sich mit langen Fahrzeugeinheiten weiter sehr schwer – das gilt auch für das Europäische Parlament (EP). Die kürzlich im Verkehrsausschuss vorgestellte Studie "The Impact of Megatrucks" (Die Auswirkungen von Lang-Lkw) blieb in ihrer vorläufigen Version unscharf, kommt aber zu einem positiven Ergebnis. Nach dem Willen der Abgeordneten soll die Untersuchung nachgebessert werden. Viele Parlamentarier und neutrale Gutachter kritisieren, dass wichtige Themen wie grenzüberschreitende Fahrten nicht angesprochen wurden. Auch hätten die Forscher nur auf 8 von 29 bereits vorliegenden Studien zurückgegriffen, die alle vor 2010 erstellt wurden und damit keine neuen Ergebnisse liefern konnten.

Studie: Mit dem Lang-Lkw fallen die Preise pro Tonnenkilometer

Das EP hatte das Gutachten bei der Unternehmensberatung Steer ­Davies & Gleave in Auftrag gegeben, um sich mehr Durchblick zu verschaffen. "Aber aus diesem Papier kann man keinen politischen Schluss ziehen", sagt Berichterstatter Jörg Leichtfried gegenüber trans aktuell. "Jeder Cent, der dafür ausgegeben wurde, war verschwendet, die Ausführung ist mangelhaft", erklärt der Sozialdemokrat.

Die Studie kam zu dem wenig überraschenden Ergebnis, dass mit Lang-Lkw die Preise pro Tonnenkilometer fallen. Nicht zuletzt dadurch werde es auch eine Verlagerung von der Schiene und dem Binnenschiff auf die Straße geben, auch könne die Nachfrage nach Transporten zunehmen. Insgesamt sei die Sachlage jedoch wenig eindeutig, da es kaum Praxisuntersuchungen gebe.

Mit der Einführung von Megatrucks – so die von den Autoren verwendete Begrifflichkeit – werde die Infrastruktur höher belastet, besonders Brücken müssten wahrscheinlich verstärkt und Tunnel nachgerüstet werden. "Wenn es infolge der modalen Verschiebung mehr Lkw auf den Straßen gibt, werden hier natürlich die Kosten steigen", sagt der Vertreter der Unternehmensberatung. Auch für die Verkehrssicherheit hatten die Autoren der Studie kein eindeutiges Ergebnis parat. Angenommen wurde, dass sich durch den Einsatz von Lang-Lkw die Zahl der Fahrzeuge verringere und es deshalb weniger, aber eventuell schwerere Unfälle geben könnte. Zum Thema Treibhausgasemissionen seien weitere Untersuchungen notwendig. Abschließend hieß es: "Die Datengrundlage ist recht lückenhaft."

"Komplett tendenziöse Studie"

Berichterstatter Leichtfried kritisiert nicht nur die Auswahl der verwerteten Studien. Schließlich argumentierten sechs von ihnen für den Lang-Lkw und eine bleibe neutral. Zu Deutschland, Frankreich und Spanien gebe es keine Untersuchungen. Unsinnig sei es, Australien mit europäischen Verhältnissen zu vergleichen. "Das ist meines Erachtens eine komplett tendenziöse Studie", sagt der Österreicher Leichtfried. Neben einer betriebswirtschaftlichen Berechnung müsse die volkswirtschaftliche Berechnung eine Rolle spielen, verlangt seine grüne Landsmännin Eva Lichtenberger. Es könne nicht nur um den Profit einzelner Firmen gehen.

"Diese Studie hilft uns nicht weiter", sagt auch der grüne Europa-Abgeordnete Michael Cramer und ist damit auf einer Linie mit dem SPD-Abgeordneten Ismail Ertug. "Wir werden einen Modalshift haben, dass uns Hören und ­Sehen vergeht", sagt Ertug. Die Kosten auf der Straße würden schließlich um bis zu 30 Prozent sinken.

Um welchen Lkw geht es?

Der CDU-Abgeordnete Dieter-Lebrecht Koch will geklärt wissen, um welchen Lkw es überhaupt gehe. Bei bis zu 44 Tonnen fielen viele Argumente der Gegenseite schlicht weg. "Ich will nicht einfach ein bestehendes Fahrzeug länger machen", sagte er. Es gehe um einen ganz neuen Lkw mit allen vorstellbaren Sicherheitssystemen. Mehrere Mitglieder des Verkehrsausschusses kritisierten, dass die EU-Kommission keine Folgeabschätzung in die Wege geleitet hat, dies sei ein großer Fehler.

Eindeutige Fronten sind im Ausschuss nicht zu erkennen. Zwar gehören Sozialdemokraten, Grüne und Linke zu den Gegnern der Lang-Lkw und Konservative sowie Liberale zu ihren Befürwortern. Aber in Ländern wie Österreich und Frankreich schlagen sich auch Konservative auf die ablehnende Seite. "Es wird keine Riesen-Mehrheit dafür und keine Riesen-Mehrheit dagegen geben", sagt ein Beobachter.

Bei fehlender Position geht die Debatte zurück ins Parlament

Denkbar sind mehrere Szenarien, von denen ein europaweites Verbot und eine europaweite Erlaubnis für die langen Einheiten die Extrempositionen wären. Auch die Beibehaltung der derzeitigen Situation, bei der jeder in seinem Land macht, was er für richtig hält, wäre eine Option. Dass der Gesetzesvorschlag komplett an die Kommission zurückgegeben wird, ist unwahrscheinlich, da er auch die Themen Aerodynamik und Sicherheitsdesign der Fahrerkabine abhandelt. Wenn das Plenum vor den Europawahlen im Mai keine abschließende Position findet, wird die Debatte im neuen Parlament wieder ganz von vorn anfangen müssen. Die EU tut sich eben schwer.

Lang-Lkw in Europa

Die sechs größten Märkte für den Straßengüterverkehr sind laut der neuen Lang-Lkw-Studie Deutschland, Frankreich, Spanien, Großbritannien, Italien und Polen. Sie machen zusammen 80 Prozent des Gesamtwerts für die Europäische Union aus. In Schweden und Finnland sind Lang-Lkw bereits standardmäßig zugelassen. Dort habe der Marktanteil für die langen Fahrzeuge 2010 bei 90 beziehungsweise bei 73 Prozent der Tonnenkilometer gelegen. In Deutschland sind aktuell 50 Lang-Lkw zugelassen. Auf dänischen Straßen fahren schätzungsweise 600 der Fahrzeuge, wobei der Versuch seit Ende 2008 läuft. Der niederländische Versuch begann 2001, im Januar 2010 gab es dort 196 Unternehmen mit mehr als 400 Langfahrzeugen.

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