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Die Folgen der Rheintalbahn-Sperrung Kein Notfallplan, kein Erfolg

Rastatt - Reparaturarbeiten Hochrheinstrecke Foto: DB AG/Armin Skierlo

Trotz einer blühenden Wirtschaft hat sich das Güteraufkommen auf Europas wichtigstem Bahnkorridor zwischen Rotterdam und Genua 2017 verringert. Maßgeblich verantwortlich ist dafür die Sperrung der Rheintalbahn im vergangenen Sommer. Die Folgeschäden waren riesig, aber ein ernst zu nehmendes Notfallmanagement gibt es offenbar nach wie vor nicht.

Obwohl der Schienengüterverkehr in Europa im vergangenen Jahr mit einem Anstieg um zwei Prozent die höchste Wachstumsrate seit 2011 verzeichnete, war die Entwicklung  auf der Rheinschiene negativ. Das Verkehrsaufkommen ging hier im Vergleich zu 2016 um 3,2 Prozent zurück, hält die Korridorgesellschaft Rhine-Alpine in ihrem Jahresbericht fest. Positiv hätten sich immerhin die gute Wirtschaftslage, steigende Transportpreise und fehlende Lkw-Kapazitäten ausgewirkt, sonst wären die Zahlen wohl wesentlich weiter ins Minus gerutscht.
 
Am stärksten waren die Auswirkungen in Basel zu spüren, wo die Volumen um 27 Prozent in Richtung Norden und um 53 Prozent nach Süden einbrachen. An der Grenze zwischen der Schweiz und Italien waren die Auswirkungen weniger dramatisch, hier wurde ein Minus von 13,5 Prozent beziehungsweise 28 Prozent registriert. Das sei immer noch beträchtlich angesichts der großen Anstregungen, die Eisenbahnen (EVU), KV-Operateure, Verlader und die Industrie unternommen hätten, um die desolate Lage in den Griff zu bekommen, heißt es im Rhine-Alpine-Bericht.

Volkswirtschaftlicher Schaden: Zwei Milliarden Euro

Rund zwei Milliarden Euro betragen die volkswirtschaftlichen Schäden durch die siebenwöchige Unterbrechung der Strecke bei Rastatt. Fast die Hälfte davon entfällt mit 969 Millionen Euro auf EVU, Spediteure, Operateure oder Terminalbetreiber, ergab eine Untersuchung der Hanseatic Transport Consultancy (HTC), die den Schaden im Auftrag des Netzwerks Europäischer Eisenbahn (NEE), der European Rail Freight Association (ERFA) und der Kombiverkehrsvereinigung für Straße und Schiene (UIRR) berechnete. Bei den Bahnkunden entstanden täglich Verluste in Höhe von durchschnittlich 15 Millionen Euro, insgesamt beliefen sie sich hier laut Bericht auf 771 Millionen Euro.
 
Die Zahlen stehen fast absurd den kompletten Baukosten für den Streckenabschnitt gegenüber, die mit 693 Millionen Euro beziffert werden. ERFA-Generalsekretärin Carole Coune drängte darauf, dass Eisenbahnunternehmen schnellstens entschädigt werden. Wann es dazu letztlich kommen wird, ist aber unklar, die Bundesregierung erwartet den Abschluss des Schlichtungsverfahren zum technischen Teil erst Ende des Jahres und zum juristischen Teil Anfang 2019.
 
Der Infrastrukturbetreiber DB Netz AG war auf einen Zwischenfall auf der Strecke trotz über Jahre anstehender Bau- und Tunnelbohrarbeiten, überhaupt nicht vorbereitet, ein Notfallplan war nicht vorhanden, kritisiert NEE-Geschäftsführer Peter Westenberger. Jetzt solle es zwar ein Handbuch der DB Netz für den Umgang mit künftigen Havarien geben, aber dieses sei bislang unvollständig und vor allem unverbindlich. Bahnlogistiker befürchten, dass der Fall Rastatt über kurz oder lang ohne große Konsequenzen im Sande verlaufen könnte.

Bundesregierung soll für Krisenmanagement sorgen

Dabei ist ein größere Aneinanderreihung von Misslichkeiten wie nach dem Tunnel-Desaster kaum denkbar. Im Korridorjahresbericht liest sich das so: "Weder wurden die Umleitungen den Anforderungen in Bezug auf Kapazitäten, Fahrtzeiten, Lichtraumprofil, Zuglänge oder -gewicht gerecht, noch gab es genug Loks oder Lokomotivführer."

Auf der französischen Rheinseite als Alternativstrecke konnte kaum gefahren werden, weil es an Französisch sprechenden Lokführern mangelte. Insgesamt konnten während der Sperrung rund 8.200 Güterzüge nicht verkehren, allein zwischen Karlsruhe und Basel wird ein um 39.000 Tonnen höherer CO2-Ausstoß angenommen, weil Güter mit dem Lkw transportiert werden mussten.

"Die Rheinstrecke ist eine Lebensader des europäischen Schienengüterverkehrs. Entsprechend ist es Aufgabe des Netzbetreibers, parallel dazu vorhandene Infrastrukturen so zu ertüchtigen, dass im Notfall schnell darauf zurückgegriffen werden kann", betont Westenberger. Auf der Nord-Süd-Verbindung soll noch etwa 25 Jahre gebaut werden, so dass immer wieder mit Risken oder Einschränkungen zu rechnen ist. Rastatt habe deutlich gemacht, dass zunehmend grenzüberschreitende Verkehre in Europa und nationale Monopol-Infrastrukturbetreiber nicht zusammen passten. Es müsse Vorsorge betrieben werden, und das Planen von Baustellen dürfe nicht an Landesgrenzen Halt machen.
 
Dafür gab es politische Unterstützung im Deutschen Bundestag. Auf einen Antrag der FDP-Fraktion hin wurde die Bundesregierung aufgefordert, gemeinsam mit der Deutschen Bahn zeitnah darzustellen, wie es zu der Havarie kommen konnte und dem Verkehrsausschuss des Parlaments Pläne für ein neues Krisenmanagement vorzulegen. "Ich akzeptiere es nicht, wenn es kein ausreichendes Notfallmanagement mit geeigneten Ausfallstrecken gibt", sagte der FDP-Abgeordnete Christian Jung. Verlangt wurde auch ein Plan für betriebsbereite Ausweichstrecken für Güterzüge im gesamten Bundesgebiet und mehr Kooperation mit den Nachbarländern.

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