Deutscher Telematik Preis: In der zweiten Runde müssen die nominierten Systeme den Labortest bestehen
Im Telematiklabor der DHBW Ravensburg – genauer gesagt am Campus Friedrichshafen – herrscht höchste Konzentration. Drei Studenten der Dualen Hochschule sitzen beisammen. Vor ihnen befinden sich allerdings keine Fachbücher der Bereiche Wirtschaftsingenieurwesen beziehungsweise Informationstechnik. Dafür hat einer von ihnen eine futuristisch aussehende Brille auf – einen sogenannten Eyetracker. Direkt daneben sitzt ein Kommilitone, der ihm gegebenenfalls sagt, was er ins Dispositionsportal eingeben muss. Schräg gegenüber ist der Versuchsleiter positioniert, ein Laptop mit der entsprechenden Spezialsoftware vor sich.
Die zeigt, wo bei dem Probanden der Blick hingeht, und zeichnet das Ganze zudem für eine detaillierte Auswertung auf. Dem Zufall wird hier nichts überlassen. Die rosarote Brille, sofern sie je aufgezogen war, gibt es nicht mehr. Denn bereits zuvor wurden die Angaben aus den Fragebögen der ersten Phase des Deutschen Telematik Preises überprüft – abgeglichen unter anderem mit den eingereichten Nutzerhandbüchern.
Doch nun geht es mit der sogenannten Usability-Prüfung ans Eingemachte. Geht es doch um nicht weniger als die Bedienerfreundlichkeit der Portale, mit denen die Disponenten und Fuhrparkverantwortlichen tagtäglich arbeiten. "Allein der Eyetracker mit der zugehörigen Analysesoftware schlägt im Normalfall mit rund 30.000 Euro zu Buche", berichtet Maximilian Köppel, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Weiterbildung, Wissens- und Technologietransfer (IWT) am Campus Friedrichshafen.
Der Test ist mehr als ein subjektiver Eindruck
Köppel ist es auch, der im Zuge seines Masterstudiums die wissenschaftlichen Grundlagen für den Test erarbeitet hat. "Der Test ist weitaus mehr als ein subjektiver Eindruck", erklärt er. Jeweils drei Personen pro Testlauf und wiederum drei Durchläufe pro Telematiklösung sind dazu am Start. Für den Probanden mit der Eyetracking-Brille muss zunächst das Gerät kalibriert werden. Dazu hält er lediglich den Kopf still und fixiert vier vorgegebene Punkte im Sichtfeld.
"Zudem mussten die Probanden zu Beginn jeweils eine halbe Minute wild hin und her schauen sowie ebenso lange einen Punkt fixieren, um sozusagen die Extremfälle auszuschließen", berichtet Köppel. Rund eine Stunde je Durchgang dauert der eigentliche Test eines jeden Telematikportals. Und das mal drei, bis es je drei Probanden unter die Lupe genommen haben.
Auf Wiederholungen setzt Köppel auch innerhalb des Tests. Denn jede Aufgabe wie etwa das Anlegen eines Fahrzeugs oder einer Tour muss mehrmals wiederholt werden. Auf diese Weise erschließt sich, wie logisch die Software aufgebaut ist und wie schnell die Arbeitsschritte sozusagen in Fleisch und Blut übergehen.
Norm ISO 9241-110
Die verwendeten Annahmen sind übrigens nicht aus der Luft gegriffen, sondern orientieren sich an der Norm ISO 9241-110, die die Richtlinien der Mensch-Computer-Interaktion beschreibt. "Bei der Testkonzeption haben wir uns stark an dieser Norm orientiert. Aus zusätzlichen Literaturquellen zur Usability stammt die Testanordnung mit jeweils drei Probanden und jeweils drei Testdurchläufen", erläutert Köppel.
Mit Schulnoten zum Sieg
Für die einzelnen Aufgaben gibt es Schulnoten von 1 bis 5. Unter anderem anhand des Blickverlaufs sowie der Bearbeitungszeit ergeben sich zusammen mit qualitativen Kriterien – wie etwa der Farbgebung – insgesamt mehr als 20 Teilnoten, die dann unterschiedlich gewichtet in eine Gesamtnote eingehen.
Eine umfangreiche Arbeitsthesensammlung hilft dabei, die gemessenen Daten richtig zu interpretieren. "Einfach ausgedrückt bedeutet das: Je geringer die Suchaktivität, desto besser ist es um die Übersichtlichkeit bestellt", sagt Köppel. Um außerdem die Zusammenhänge einzelner Metriken, beispielsweise zwischen vertikalen und horizontalen Blickverläufen entsprechend einzuordnen, wurden zahlreiche Korrelationsanalysen vorgenommen. Wobei die Korrelation nicht immer so einfach auf der Hand liege. Und schon geht es wieder voller Konzentration zum nächsten Telematiksystem.
Deutscher Telematik Preis 2016
Wer sich in den insgesamt sechs Kategorien jeweils mit dem Titel Deutscher Telematik Preis 2016 schmücken darf, verkündet die Fachjury am Gala-Abend im Rahmen des Zukunftskongresses Nutzfahrzeuge (6./7. Oktober 2015) in Berlin, den der ETM Verlag und die Sachverständigen-Organisation Dekra im Hotel Andel's veranstalten.
Die DHBW Ravensburg
Die DHBW Ravensburg besteht aus dem Campus Ravensburg und dem Campus Friedrichshafen.
Es gibt zwei Fakultäten: die für Wirtschaft und die für Technik.
An der DHBW Ravensburg gibt es 3.800 Studierende, 36 Prozent davon am Campus Friedrichshafen.
Für die Lehre zeichnen rund 90 Professoren sowie etwa 1.000 Lehrbeauftragte aus anderen Hochschulen und der Praxis verantwortlich.
Die ISO-Norm
Die Grundsätze der Dialoggestaltung nach
ISO-Norm 9241-110 lauten:
Aufgabenangemessenheit
Selbstbeschreibungsfähigkeit
Lernförderlichkeit
Steuerbarkeit
Erwartungskonformität
Individualisierbarkeit
Fehlertoleranz