Wie hat sich die Verbandsarbeit in den vergangenen 25 Jahren verändert? Welches sind die aktuellen Themen und die Herausforderungen für die Zukunft? Darüber spricht Frank Huster, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Speditions- und Logistikverbands (DSLV), im Gespräch mit der Fachzeitschrift trans aktuell.
Huster: Ja, das Jubiläum wurde gewürdigt. Wenn man 25 Jahre dabeibleibt, kann der Job auch nicht so schlecht sein. Es gibt kaum eine dynamischere Branche als die Logistik und damit kaum eine spannendere Tätigkeit. Kein Tag ist wie der andere. Wenn ich morgens ins Büro komme, weiß ich letztlich nie, was mich genau erwartet. Ein gutes Beispiel dafür ist ein Verordnungsentwurf, den uns ein Ministerium zuleitet und zu dem wir zwischen Weihnachten und Neujahr binnen fünf Tagen Stellung beziehen sollen. Das gilt es zu organisieren.
Nein, das hatte ich ehrlich gesagt auch nicht vor, bereut habe ich die Entscheidung aber nie. Ich hatte schon früh ein Empfinden dafür, dass mir diese Art von Arbeit Spaß machen würde. Bei der Stinnes Reederei in Duisburg habe ich 1983 eine Ausbildung zum Speditionskaufmann begonnen. Dabei hatte ich das Glück, dass der damalige Vorstandsvorsitzende Dr. Karl-Heinz Kühl auch Präsident des Bundesverbands der Deutschen Binnenschifffahrt war. Das Verbandsbüro in Duisburg-Ruhrort lag nur wenige hundert Meter vom Unternehmen entfernt. Dr. Kühl brauchte dort Unterstützung und fragte im Kreis der Azubis, ob ihm jemand zur Hand gehen wolle. Den Job habe ich gerne übernommen und so Einblick in die Verbandsarbeit bekommen. Mir wurde bewusst, wie ein Verband der Politik die Branche näherbringen kann, damit Gesetze wirtschaftsverträglich gestaltet werden. Das war damals eine Art Initialzündung.
Wie haben Sie den Verband – damals hieß er ja noch BSL – wahrgenommen?Der Bundesverband Spedition und Lagerei – danach wechselte der Name in Bundesverband Spedition und Logistik – war damals schon ein schlagkräftiger Verband und das Spitzenorgan der Speditionsbranche mit großer Gestaltungskraft innerhalb eines festen Ordnungsrahmens. Für Sammelgut gab es gar nach Wegfall der Tarife noch Preisempfehlungen, was heute kartellrechtlich nicht mehr zulässig ist. Der Verbandssitz war Bonn, und eben erst hatte der Bundestag den Bonn-Berlin-Beschluss verabschiedet. Die beiden BSL-Hauptgeschäftsführer Dr. Manfred Kaltz und Dr. Willy May hielten einen Umzug nach Berlin nicht unbedingt für erforderlich. Es wurde unsere Berliner Repräsentanz eingerichtet. 25 Jahre später sind wir nun endgültig in Berlin.
Wie haben sich die Mitgliederzahlen seitdem entwickelt?Der Verband hatte damals deutlich mehr als 4.000 Mitglieder. Heute sind es knapp 3.000. Der Rückgang hat markt- und unternehmensstrukturelle Gründe, die Branche hat sich verändert Es gab damals eine signifikante Zahl bahnamtlicher Rollfuhrunternehmen, die die letzte Meile der Bahn organisierten. Dieser Bereich ist weggebrochen. Andererseits gab es die heutigen Global Player noch nicht. Wenn wir aber bilanzieren, ist uns unsere Kernklientel im Lauf der Jahre treu geblieben.
Was war in der Verbandsarbeit damals grundlegend anders?Es gab ein anderes, autoritäreres Verständnis vom Ehrenamt. Die Hierarchien waren deutlich strenger. Ein Referent konnte nicht mal eben den Präsidenten anrufen. Das war allein Sache des Hauptgeschäftsführers. Ich will damit nicht sagen, dass unsere Gremien oder unser Präsidium an Entscheidungsautorität verloren haben. Die Art der Kommunikation ist aber viel offener und kollegialer. Das Präsidium führt fachliche und strategische Dialoge mit Hauptgeschäftsführung und den Fachreferaten auf Augenhöhe.
Andererseits hatten Sie vor 25 Jahren wahrscheinlich weniger Schwierigkeiten, Freiwillige fürs Ehrenamt zu finden, oder?Die Motivation, sich im Ehrenamt zu engagieren, war früher möglicherweise mit größerer, gesellschaftlicher Anerkennung verbunden. Unser Ehrenamt denkt heute dagegen stärker projektbezogen und ergebnisorientiert.
Dennoch war der damalige BSL schon sehr modern, weil er vor 25 Jahren schon ein Referat für den Bereich Umwelt einrichtete.Stimmt. Ich will aber nicht verschweigen, dass der damalige BSL-Präsident Bernhard Bünck, der mich eigens zur Stärkung des Umweltthemas einstellte, tatsächlich noch mit internen Widerständen zu kämpfen hatte. Es wurden vereinzelt Sinnhaftigkeit und Aufgabenstellung eines solchen Referats infrage gestellt. Damals gab es übrigens bereits auch ein Referat Logistik und EDV, das mein damaliger Kollege Klaus Zänker führte. Auch damit zeigte sich der Verband sehr fortschrittlich.
Erinnern Sie sich noch daran, welche Themen den Vorstand vor 25 Jahren beschäftigt haben?Das waren unter anderem der Palettentausch und die Notwendigkeit einer Citylogistik, besonders aus Umweltgesichtspunkten. Damals diskutierte man den Ausstieg aus dem Paletten-Tauschsystem, der aber an fehlender Geschlossenheit scheiterte. So blieben uns viele Themen über Jahrzehnte erhalten. Meine Arbeit wurde durch den Gefahrgut-Unfall in Herborn geprägt, der sechs Tote und Dutzende Verletzte forderte. Damals wurde die Gefahrgutbeauftragten-Verordnung geboren, an der ich aktiv mitgearbeitet habe.
Was die Citylogistik angeht, hat sich in den vergangenen 25 Jahren dagegen nicht wirklich viel getan. Welche Bedeutung hat die letzte Meile aktuell für Sie?Das Thema ist aktueller denn je. Die Städte sind eng, die Straßen überlastet. Die Notwendigkeit einer funktionierenden Citylogistik liegt auf der Hand. Dazu braucht es eine Mischung aus prozessualen, organisatorischen und technischen Verbesserungen. Speditionen arbeiten erfolgreich zusammen, wie man an der Vielzahl an Stückgut-Kooperationen sieht. Auf der letzten Meile stellt sich die Zusammenarbeit aber anspruchsvoller dar. Wenn Sie heute Abend um 22 Uhr drei Bestellungen im Internet tätigen, kann es sein, dass am nächsten Tag die Fahrzeuge von drei Paketdiensten vor Ihrer Tür stehen. Die Bedarfs- und Absatzlogistik von Online-Versandhäusern bestimmt oft die letzte Meile. Diese können Logistiker selbst nur bedingt beeinflussen.
Sie sprechen von einem Dreiklang an erforderlichen Verbesserungen. Mit Blick auf die Fahrzeugtechnik gab es zahlreiche Innovationen, um die letzte Meile sauberer zu gestalten. Warum halten die alternativen Antriebe trotzdem nur so langsam Einzug in die Flotten?Die Verantwortung der Spedition ist es, Prozesse zu optimieren. Dieser Aufgabe stellen wir uns. Die Verantwortung, marktreife Fahrzeuge mit alternativen Antrieben zu entwickeln, liegt woanders. Die Logistik wartet auf entsprechende Lösungen. Nicht jedes Unternehmen kann wie die Deutsche Post ein Elektroauto bauen, sondern ist auf die Angebote der Hersteller angewiesen. Deshalb halten sich viele Unternehmen zurück, in Technik zu investieren, deren Leistungsfähigkeit noch nicht erprobt ist. Die Hersteller wiederum warten auf Signale der Nachfrageseite und der Politik, während sich die Politik wiederum technikneutral aufstellt. Jeder wartet auf den anderen.
Also das Henne-Ei-Prinzip?Ja! Ich kann aber versichern, dass viele Spediteure in den Startlöchern stehen und an der Umsetzung klima- und umweltgerechter Lösungen arbeiten. Zum Glück begreifen die meisten Städte aber, dass sie bis zur vollständigen Umstellung auf alternative Antriebe den Wirtschaftsverkehr mit konventionellem Antrieb ermöglichen müssen, sonst werden Versorgungsadern abgeklemmt und die Innenstädte veröden.
Welche Veränderungen erwarten Sie in den nächsten 25 Jahren für die Speditions- und Logistikbranche? Wird es die Spedition angesichts der Digitalisierung dann überhaupt noch geben?Ich denke, dass es die Spedition mit den für sie typischen Tätigkeitsmerkmalen auch in 25 Jahren noch geben wird, selbst wenn bis dahin viele Prozesse vollständig automatisiert und vereinfacht sein werden. Wir erleben gegenwärtig einen Hype rund um das Thema Digitalisierung. Für die Logistik sind das allerdings keine neuen Themen. Denn seit vielen Jahren gibt es vollautomatisierte Lagersysteme, Sensoren und Dokumentationssysteme zur Kontrolle temperaturgeführter Transporte sowie digitale Frachtenbörsen. Sicher, in 25 Jahren werden logistische Standardprozesse und -transporte digital und autonom abgewickelt. Autonomes Fahren und Platooning sind hierfür die Stichworte.
Wie können Speditionen davon profitieren?Sobald Spezialwissen und Flexibilität jenseits von Standardlösungen gefragt sind, kommen Speditionen und Logistiker wieder ins Spiel, die sich in den vergangenen Jahrzehnten erfolgreich vom reinen Transporteur zum Architekten der gesamten Lieferkette, einschließlich der Bearbeitung und Veredlung von Produkten, weiterentwickelt haben. Es sind ja nicht nur Venture-Capital-Investoren und Start-ups, die die Logistik als Wachstumsmarkt entdecken. Es sind die Logistikunternehmen selbst, die sich auf digitale Themen ausrichten und neben Ingenieuren und IT-Fachleuten etwa auch Mathematiker rekrutieren, um bei äußerst komplexen Aufgabenstellungen rund um das Thema Machine Learning fit zu sein. Die Speditions- und Logistikbranche wird sich enorm weiterentwickeln. Wir werden auch in Zukunft eine wesentliche Rolle spielen – als Akteur und nicht als Teil der Supply Chain.
Zur Person
- Frank Huster, Jahrgang 1964, ist seit 2013 Hauptgeschäftsführer des Deutschen Speditions- und Logistikverbands (DSLV)
- Nach dem Abitur Ausbildung zum Speditionskaufmann bei der Stinnes Reederei, anschließend Studium der Volkswirtschaft mit Abschluss zum Diplom-Volkswirt
- Engagement in Gremien, unter anderem in der Organisation Clecat