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Deutscher Speditions- und Logistikverband DSLV-Chef Huster besorgt wegen Fahrermangels

Frank Huster, Hauptgeschäftsführer DSVL Foto: Matthias Rathmann

Der Fahrermangel gefährdet die Versorgung. Der Deutsche Speditions- und Logistikverband (DSLV) sieht den Engpass daher mit großer Sorge. DSLV-Hauptgeschäftsführer Frank Huster zufolge fehlen in Deutschland aktuell etwa 45.000 Fahrer. Im Gespräch mit der Fachzeitschrift trans aktuell spricht er über die Folgen des Fahrermangels, aber auch über die Lohnunterschiede zwischen Ost und West.

trans aktuell: Herr Huster, der DSLV warnt, dass der Fahrermangel die Versorgungssicherheit gefährdet. Wie kommen Sie auf die Zahl von 45.000 fehlenden Lkw-Fahrern in Deutschland?

Huster: Der Statistik des Kraftfahrtbundesamts zur Zahl der gültigen Fahrerkarten kann entnommen werden, dass circa eine Million Fahrer mindestens 45 Jahre alt sind. Bei einem durchschnittlichen Renteneintrittsalter von 60 Jahren ergibt sich bei linearer Betrachtung ein jährlicher Verlust von circa 67.000 Fahrern. Aktuell kommen jährlich etwa 24.000 Fahrer neu hinzu. Unter Berücksichtigung einer dynamischen Anpassung für das Jahr 2017 ergibt sich die dramatische Fehlmenge von circa 45.000 Fahrern.

Was kann der DSLV gegen die schlechten Rahmenbedingungen des Berufs unternehmen, damit sich etwa die Behandlung der Fahrer an den Rampen, vor allem des Handels, bessert?

Zur Verbesserung der Situation an den Laderampen sind wir in ständigen Gesprächen mit den Verbänden des Handels, aber auch mit dem Bundesverkehrsministerium. Wenn kein Umdenken erfolgt und den Fahrern nicht mindestens der Zugang zu Sanitär- und Pausenräumen gestattet wird, kann auch kein ernsthaftes Interesse an einer Verbesserung der Situation unterstellt werden. Die Folgen wird dann auch der Handel spüren.

Der DSLV spricht davon, dass sich die Fahrerlöhne in Ost und West angleichen. Meinen Sie die Nettolöhne inklusive der Spesen, oder meinen Sie die Lohnkosten inklusive der Abgaben für die Unternehmen?

Die Nettolöhne passen sich an – mit der Folge, dass es für süd-/osteuropäische Fahrer nur noch wenig Anreize gibt, einen Arbeitgeber im Westen Europas zu wählen.

Eine Studie der französischen Gewerbewirtschaftsbeobachtung Comité National Routier aus Frankreich zeigt aber, dass es in Europa noch himmel­weite Unterschiede bei den Fahrerlöhnen beziehungsweise den Bruttokosten für die Arbeit­geber gibt …

Osteuropäische Fahrer haben ja auch eine deutlich niedrigere private Lebenshaltungskosten- und Abgabenlast als ihre deutschen Kollegen. Aus Sicht vieler Fahrer ist genau deshalb der Nettolohn wesentlicher Anreiz dafür, im Ausland zu arbeiten. Solche Nettozahlungen können durchaus höher liegen als hohe Bruttolöhne. Die Politik muss für das Mobilitätspaket deshalb nicht vordringlich den Wettbewerb der Transportunternehmen betrachten, sondern den der Systeme. Denn die Möglichkeit zum Ausgleich niedriger Grundlöhne durch hohe, abgabenfreie Spesen entzieht den Sozialkassen der Staaten Einnahmen und den Fahrern die erforderliche soziale Absicherung.

Sie plädieren dafür, dass Fahrer aus dem Osten bei internationalen Transporten vom Mindestlohn ausgenommen werden sollen. Haben Sie berücksichtigt, dass der Vor- und Nachlauf der Kombinierten Verkehre internationale Transporte sind und gleichzeitig keine Kabotage?

Ja, natürlich! Dieser Aspekt ist uns bewusst und deshalb muss er auch im Rahmen der anstehenden Revision der Kombiverkehrsrichtlinie diskutiert werden. Vorbehaltlos kann zukünftig nicht jeder Vor- und der Nachlauf  zu und von Kombiterminals als grenzüberschreitend angesehen werden. Die Revision sollte das entstehende Spannungsverhältnis auflösen.

Die EU-Kommission möchte im Mobilitätspaket die Taktung der wöchentlichen Ruhezeiten ändern. Warum befürwortet der DSLV das?

Die Vorschläge der Kommission ermöglichen es, Fahrer in einer 3+1-Taktung einzusetzen, also drei Wochen Einsatz und im Anschluss eine Woche zu Hause. Der DSLV befürwortet die Verpflichtung, die Fahrer so zu disponieren, dass sie spätestens nach drei aufeinanderfolgenden Wochen in der Lage sind, in ihre Heimat zurückzukehren.

Ist dem DSLV bewusst, dass durch eine Änderung dieser Taktung, bei dem Fahrer drei Wochen am Stück im Lkw bleiben dürfen, dazu beiträgt, dass die Situation im Kombinierten Verkehr verschärft wird?

Nach dem Regelungsansatz der EU- Kommission würde der Fahrer  bei Vor- und Nachläufen im Kombinierten Verkehr als Teil eines grenzüberschreitenden Transports ab dem vierten Tag unter den Anwendungsbereich des europäischen Entsenderechts fallen. Dies wäre das von der EU-Kommission entworfene Korrektiv.

Was sagen Sie dazu, dass das Transportgewerbe zunächst aus der Entsenderichtlinie aus­genommen ist?

Das ist nicht richtig, denn die EU-Kommission plant ja ein so genanntes Lex Specialis für den Transportsektor. Die jüngste Entscheidung des EU-Rates bezieht sich allein auf die Revision des  Rahmenrechts, nämlich auf die EU-Richtlinie 96/71. Doch zunächst: Mobile Tätigkeiten wie die eines Fahrers sind nach Auffassung des DSLV grundsätzlich nicht vom Anwendungsbereich des Entsenderechts erfasst. Denn der ursprüngliche Schutzzweck zielt auf die Verbesserung der Sozialstandards ins Ausland entsandter Arbeitnehmer, vor allem des Handwerks und des Baugewerbes, also von stationären Arbeiten. Insofern müsste der Transportsektor gar nicht explizit ausgenommen werden.

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