Dekra-Vorstandschef Stefan Kölbl im Interview Dekra setzt Impulse beim autonomen Fahren

Foto: Thomas Küppers

Der Anspruch beim automatisierten Fahren bei der Prüforganisation Dekra ist hoch. "Als Partner für das vernetzte Fahren wollen wir vorne mit dabei sein", kündigt der Vorstandsvorsitzende Stefan Kölbl im Gespräch mit der Fachzeitschrift trans aktuell an.

trans aktuell: Herr Kölbl, angesichts von politischen Unruhen und Terrorgefahr macht sich in der Bevölkerung Unsicherheit breit. Wie sehen Sie die Rolle von Dekra in dem Zusammenhang?

Kölbl: Sicherheit ist für alle Menschen ein Grundbedürfnis. Das spüren wir aktuell ganz besonders, wo die Nachrichten von immer neuen Anschlägen geprägt werden. In diesen Zeiten ist man froh über regulierende Elemente – also auch über Firmen und Gesellschaften, die für Sicherheit stehen. Dekra steht seit mehr als 90 Jahren für Sicherheit und versteht sich in unsicheren Zeiten als Garant für eine sichere Welt.

Es wächst nicht nur die Gefahr vor Anschlägen, sondern auch vor Cyber-Attacken. Die IT von Fahrzeugen könnte ebenso ein Ziel sein. Wird Dekra hier seine Expertise aus­bauen?

Das autonome Fahren kann für IT-Angriffe ein Einfallstor sein. Dekra wird sich in Teilbereichen der Cyber-Security eine führende Position aufbauen und sicherstellen, dass Bauteile weder von innen noch von außen negativ beeinflussbar sind. Im Grunde entspricht das unserem klassischen Auftrag: Wir tragen seit jeher dafür Sorge, dass Produkte, Anlagen, Maschinen oder Fahrzeuge sicher sind.

Dekra steht für Sicherheit. Wie läuft das Geschäft mit der Sicher­heit im laufenden Jahr?

Nach den vorliegenden Zahlen für das erste Halbjahr können wir sagen: Unsere Reise geht erfolgreich weiter. Umsatz und Ergebnis gehen weiter nach oben – alles im Rahmen unserer Planungen. Ich bin optimistisch, dass auch das zweite Halbjahr gut laufen wird und wir das 13. Wachstumsjahr in Folge erleben werden.

Sie sind primär aus eigener Kraft gewachsen. Sind Akquisitionen nicht mehr so stark im Fokus?

In unserer strategischen Planung für die nächsten fünf Jahre haben wir festgelegt, in welchen Geschäftsfeldern wir wie und wo wachsen wollen. Es gibt einen klaren Plan über die Weiterentwicklung des Unternehmens. Daraus geht auch hervor, dass sich das frühere 50 : 50-Verhältnis von organischem und akquisitorischem Wachstum in Richtung organisches Wachstum verschieben wird. Angestrebt ist, zwei Drittel der Zuwächse aus eigener Kraft zu realisieren. Das haben wir 2015 bereits umsetzen können. Ein hohes organisches Wachstum von vier bis fünf Prozent deutet sich auch für 2016 an. Akquisitionen tätigen wir weiterhin, wenn sich die Möglichkeiten bieten und die Unternehmen in ihrer Ausrichtung strategisch für Dekra interessant sind.

Wird das weiterhin vor allem in den Bereichen Konnektivität und Internet der Dinge sein?

Es ist weiter unser Ziel, schwerpunktmäßig in China, Südostasien oder Nordamerika Akquisitionen in diesen Bereichen zu tätigen. Wir haben hier schon einen großen Schritt nach vorne gemacht. Unsere drei großen Akquisitionen im vorigen Jahr waren allesamt in diesem Bereich angesiedelt. Dekra hat dafür einen fast dreistelligen Millionen-Betrag investiert. Es gibt einen enormen Bedarf: Wir haben zusätzlich in den vergangenen Monaten so viele Labore eröffnet wie noch nie. In Schanghai und Taiwan gehen in Kürze neue Prüflabore an den Start, die sich mit dem Prüfen im Rahmen des Internets der Dinge beschäftigen.

Welchen Bezug gibt es dabei ganz konkret zur automobilen Welt beziehungsweise zum Mega­thema vernetztes Fahren?

Einen großen: In den Fahrzeugen kommen immer mehr Assistenzsysteme und Steuerungs­geräte zum Einsatz. Dadurch ergibt sich die Notwendigkeit, dass Sachverständige nicht nur Reifen, Karosserie, Bauteile und Abgaswerte prüfen, sondern auch das Funktionieren der Assistenzsysteme und ihr Zusammenspiel innerhalb des Fahrzeugs, von Fahrzeug zu Fahrzeug und vom Fahrzeug zur Infrastruktur. Als Partner für das vernetzte Fahren wollen wir vorne mit dabei sein, weltweit. Wir haben dazu auch die organisatorischen Voraussetzungen geschaffen.

Inwiefern?

Wir haben uns entschieden, für die Automobilindustrie Dienstleistungen rund um das vernetzte Fahren zu entwickeln. Zu diesem Zweck bündeln wir virtuell unser gesamtes Wissen – vom Labortest über die Materialprüfung bis zur Homologation und Typprüfung. Eine entsprechende Arbeitsgruppe haben wir zum 1. Juli unter Leitung von Bernhard Lambernd ins Leben gerufen, der an meinen Vorstandskollegen Clemens Klinke berichten wird. Dieser Ansatz ist für Dekra neu und vielversprechend, weil Organisations- und Landesgrenzen verschwinden.

Wie geht es mit Blick auf das vernetzte Fahren bei Dekra  weiter?

Dekra wird verschiedene Testfelder aufbauen, tendenziell in Europa, potenziell aber auch beispielsweise in Asien. In Europa denken wir konkret über das eine oder andere Testfeld nach. Wir möchten nicht nur in Laboren arbeiten, sondern unter realen Bedingungen die für vernetztes Fahren nötigen Komponenten in der Infrastruktur testen – etwa die Funkverbindung von Fahrzeug zu Fahrzeug oder vom Fahrzeug zur Infrastruktur. Was die Infrastruktur angeht, gilt es auch die Funkverbindung innerhalb von Tunnels und von Tunnels nach außen zu testen und der Frage nachzugehen, ob etwa die Signalstärke ausreicht.

Hätten Sie gedacht, dass das automatisierte Fahren so schnell zur Umsetzung kommt?

Ich bin von der Entwicklung der vergangenen zwei bis drei Jahre beeindruckt, aber nicht überrascht. Experten haben prognostiziert, dass sich vieles ändern wird. Und nun ist das automatisierte Fahren auf Sicht schon Realität und es tun sich ganz neue Geschäftsmodelle auf. Jetzt kommt es darauf an, die rechtlichen Rahmenbedingungen für das vernetzte und teilautonome Fahren zu schaffen. Auch die ethischen Fragen müssen geklärt werden. Und es ist wichtig, dass die Politik mit der Wirtschaft – mit den Herstellern, aber auch den Sachverständigen wie Dekra – zusammenarbeitet.

Wann wird das teilautonome Fahren auf den Autobahnen kommen?

Auf Sicht, also in naher Zukunft – sowohl beim Pkw als auch beim Lkw. Beim Platooning nähern wir uns ja bereits der Realisierung. Das Windschattenfahren ist ja auch nicht ganz neu. Wir kennen es aus dem Radsport. In der Kette zu fahren, ist immer effizienter – sei es mit Blick auf den Kraftstoffverbrauch, die Umweltverträglichkeit oder den Platz­bedarf auf Autobahnen. Platooning ist auch sicherer, weil jedes geprüfte und für sicher befundene System schneller reagiert, als der Lkw-Fahrer es leisten kann. Es wäre in jeder Facette ein Fortschritt. Das Zusammenspiel der Fahrzeuge muss aber noch im Detail geregelt werden, auch werden Anschlussfragen kommen, etwa zu den Überholvorgängen.

Vernetzte Fahrzeuge werfen eine ganze Menge Daten ab. Welche Daten würde Dekra gerne stärker nutzen oder auswerten können?

Big Data ist auch für Dekra ein großes Thema. Wir sind aber durch den Datenschutz und das Sicherheitsbedürfnis der Industrie  limitiert. Wenn wir unserer Rolle im Zusammenhang mit vernetzter Mobilität gerecht werden wollen, müssen wir diejenigen sein, die unabhängig Dinge überprüfen können – beim Einbringen von Fahrzeugen in den Verkehr und bei der periodischen Prüfung. Der Zugriff auf die Daten ist hierbei ein ganz wichtiges Thema. Mit der OBD-Schnittstelle und dem HU-Adapter sind wir erstmals in der Lage, Daten auszulesen. Unsere deutsche Prüforganisation ist hier Vorreiter. Wir haben definiert, welche Schnittstelle die für uns relevante ist, nun muss sie auch umfassend auslesbar sein.

Und hier sehen Sie Handlungsbedarf?

Unsere Rolle ist das Prüfen und Auslesen von umwelt- und sicherheitsrelevanten Daten. Dafür brauchen wir den Zugriff auf die Steuerungsdaten. Andernfalls bleibt das Fahrzeug eine Blackbox. Manche Hersteller gewähren uns diesen Zugriff derzeit nicht. Andererseits benötigen wir ihn, um unserer Aufgabe gerecht zu werden. Noch einmal: Es geht uns allein um die umwelt- und sicherheitsrelevanten Daten. Die anderen Bereiche interessieren uns nicht – daher sind die Bedenken der Hersteller unberechtigt.

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