DEKRA präsentiert Verkehrssicherheitsreport 2009

Schwere Lkw sind weit besser als ihr Ruf: Rund 70 Prozent weniger Unfälle seit 1970, Fahrerassistenzsysteme müssen besser gefördert werden, Harmonisierte europäische Unfalldatenbank ist überfällig

STUTTGART - Seit 1970 ist in Deutschland die Unfallhäufigkeit schwerer Lkw bezogen auf die geleisteten Fahrzeugkilometer um über 70 Prozent zurückgegangen. Allein zwischen 1995 und 2007 sank die Zahl der bei Unfällen mit Güterkraft- fahrzeugen getöteten oder schwerverletzten Verkehrsteil- nehmer um etwa 40 Prozent. Optimierungspotenzial hinsichtlich der Verkehrssicherheit schwerer Nutzfahrzeuge besteht aber nach wie vor in mehrfacher Hinsicht. Das zeigt der DEKRA Verkehrssicherheitsreport 2009 an Hand von Statistiken und Auswertungen von Daten aus Deutschland und ausgewählten europäischen Ländern auf. So könnten unter anderem die verstärkte Ausstattung mit Fahrerassistenzsystemen, finanzielle Anreize für deren Anschaffung, höhere Anschnallquoten, konsequente Weiterbildung oder auch Risk-Management im jeweiligen Unternehmen einen weiteren Sicherheitsgewinn bringen. Rapide steigende Fahr- und Transportleistung, sinkende Zahlen bei den schweren Unfällen und damit weniger Verkehrstote und Verletzte: Auf diesen Nenner lässt sich die Entwicklung der vergangenen Jahre bei schweren Nutzfahrzeugen bringen. 1995 waren nach der amtlichen Statistik in Deutschland 22 Prozent der an Unfällen mit Personenschaden beteiligten Güterkraftfahrzeuge Lkw über 12 Tonnen zulässigem Gesamtgewicht, im Jahr 2007 betrug dieser Anteil „nur“ noch 12 Prozent. Die Zahl der bei Unfällen mit Güterkraftfahrzeugen getöteten Verkehrsteilnehmer ist von 1995 bis 2007 um 40 Prozent auf 1.095, die der Schwerverletzten ebenfalls um 40 Prozent auf 8.476 und die der Leichtverletzten um 8,5 Prozent auf 39.386 gesunken. Doch es gibt auch noch ungenutzte Sicherheitspotenziale. Etwa, indem in die Fahrzeuge verstärkt Elemente der aktiven Sicherheit wie Fahrdynamikregelung, abstandsgeregelter Tempomat, elektronische Spurkontrolle oder Abbiegeassistent integriert werden. „Alle Nutzfahrzeughersteller leisten in dieser Hinsicht seit Jahren ausgezeichnete Entwicklungsarbeit und halten die unterschiedlichsten Systeme parat“, so Klinke. Bislang zählen diese neuen Sicherheitssysteme allerdings nicht zur Serienausstattung. Zudem werden sie unter anderem aufgrund des hohen Kostendrucks im Transportgewerbe aktuell nur bei etwa fünf Prozent der neu gekauften Nutzfahrzeuge geordert.  >>>Der komplette Verkehrssicherheitsreport LKW 2009 steht Ihnen hier als Download zur Verfügung. Investitionsanreize für elektronische Fahrerassistenzsysteme Ein viel versprechender Ansatz für eine höhere Akzeptanz könnten Investitionsanreize sein - zum Beispiel Versicherungsrabatte oder zeitlich begrenzte Nachlässe bei der Maut. Diese Ansätze wurden erstmals in dem von Daimler, DEKRA und der Allianz-Versicherung im Jahre 2006 initiierten Sicherheitskonzept „Safety Plus“ realisiert. Die Notwendigkeit finanzieller Anreize hat inzwischen auch die Politik erkannt: Seit dem Jahr 2009 fördert das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung aus den Einnahmen durch die Lkw-Maut Vorhaben von Unternehmen des Güterkraftverkehrs unter anderem im Bereich der Sicherheit. „Das ist umso begrüßenswerter, als die Entwicklung bei den elektronischen Fahrerassistenzsystemen rasant weitergeht“, betonte Clemens Klinke in Berlin. Neue Systeme würden hinzukommen, vor allem aber bringe die Zukunft eine Verknüpfung der bislang meist unabhängig voneinander arbeitenden Systeme zu einem integrierten Gesamtkonzept. Auf die Bedeutung von Fahrerassistenzsystemen für die Verkehrssicherheit hat auch die Europäische Kommission reagiert - und zwar in Form einer Verordnung, wonach neu zugelassene Nutzfahrzeuge ab dem Jahr 2011 mit ESP ausgestattet sein müssen, um eine EU-Typgenehmigung zu erhalten. Außerdem bekommen ab 2012 neu entwickelte Lkw ein elektronisches Notbremssystem und einen Spurhalteassistenten. Nach ersten Schätzungen können dadurch allein in der EU jährlich etwa 2.500 Menschenleben gerettet werden. Sind elektronische Fahrerassistenzsysteme gesetzlich vorgeschrieben, sollten entsprechende Kriterien für deren sicherheitstechnische Mindestanforderungen definiert werden. Und zwar europaweit einheitlich, so fordert Klinke. Denn es sei nicht auszuschließen, dass Angebote auf den Markt kommen, die zwar preisgünstig sind, unter Umständen aber nicht die gewünschte Wirkung bringen. Die Definition von Mindestanforderungskriterien sollte auch für den Fall gelten, dass die Ausrüstung mit Fahrerassistenzsystemen finanziell gefördert wird. Hier ist der Gesetzgeber also gefordert. Periodische Überprüfung elektronischer Systeme Sind in die Fahrzeuge elektronische Fahrerassistenzsysteme integriert, muss man sich darüber hinaus auch über die gesamte Nutzungsdauer der Fahrzeuge hinweg auf deren Funktionieren verlassen können. Umso wichtiger ist es daher, dass die Überprüfung der entsprechenden Komponenten bei der regelmäßigen Hauptuntersuchung auf europäischer Ebene flächendeckend durchgesetzt wird. Deutschland ist - auch durch das Engagement von DEKRA - weltweit das erste Land, das mit der Prüfung elektronischer Systeme im Lkw begonnen hat. Neben der aktiven trägt auch die passive Sicherheit maßgeblich zur Verkehrssicherheit bei. Dies gilt insbesondere für den Sicherheitsgurt. Aktuelle Verkehrsbeobachtungen der DEKRA Unfallforschung zeigen jedoch, dass sich nur etwa die Hälfte aller Fahrer von Lkw über 7,5 Tonnen zulässiger Gesamtmasse auf Autobahnen anschnallt. Auf Bundesstraßen ist die Anschnallquote noch geringer, im innerörtlichen Bereich schnallt sich sogar nur noch jeder vierte Fahrer an. Gurtmuffel müssen sich anschnallen Demgegenüber steht die traurige Tatsache, dass viele Lkw-Fahrer schwere oder sogar tödliche Verletzungen bei Unfällen davontragen, weil sie sich nicht anschnallen. Die Unfallforschung hat eindeutig nachgewiesen, dass der Gurt bei bis zu 80 Prozent aller schweren Unfälle die Verletzungen der Lkw-Insassen vermindern oder sogar vermeiden würde. Bedenkt man, dass der Lkw in der Regel gleichzeitig auch der Arbeitsplatz seines Fahrers ist, bekommt der Sicherheitsnutzen des angelegten Gurtes einen noch höheren Stellenwert. Vor diesem Hintergrund erhält zudem die 2002 unter Federführung des Deutschen Verkehrssicherheitsrates ins Leben gerufene und unter anderem von DEKRA unterstützte Aktion „Hat’s geklickt?“ ein umso größeres Gewicht. Die auch weiterhin fortgesetzte Kampagne hat es sich zum Ziel gesetzt, durch verschiedene Schwerpunktaktionen das Bewusstsein der Fahrer für die aus dem Nichtangurten entstehenden Gefahren zu schärfen. Eine große Zahl an Lkw-Unfällen ereignet sich bei ungünstigen Witterungsbedingungen, Dämmerung und Dunkelheit. Eine Ursache dafür ist unter anderem die oft unzureichende Sichtbarkeit der Fahrzeuge - mit der Gefahr, dass nachfolgende Fahrzeuge auffahren. Als aktiver Beitrag für mehr Verkehrssicherheit sind daher unbedingt auch retroreflektierende Markierungen an Nutzfahrzeugen zu bewerten. Die Fahrzeuge sind dadurch bereits aus großer Entfernung deutlich zu erkennen, womit sich wiederum die Zahl der Auffahrunfälle nachhaltig reduzieren lässt. Sicher unterwegs mit sicheren Lkw Zu etwas mehr als fünf Prozent sind technische Fahrzeugmängel für Unfälle mit Güterkraftfahrzeugen verantwortlich. Das belegen diverse Studien wie zum Beispiel die ETAC-Studie (ETAC = European Truck Accident Causation) der International Road Transport Union (IRU). Hierbei ist freilich von einer hohen Dunkelziffer auszugehen, da technische Fahrzeugmängel für die unfallaufnehmenden Polizeibeamten in der Regel nur schwer oder gar nicht zu erkennen sind. Die niedrige Rate ist aber zweifelsohne auch ein Ergebnis des bestehenden Systems der periodischen Fahrzeugüberwachung von Sachverständigenorganisationen wie DEKRA und anderen Dienstleistern. Wie bei den Pkw zeigt sich auch bei in Deutschland zugelassenen schweren Nutzfahrzeugen über 12 Tonnen mit zunehmendem Alter eine stark ansteigende Mängelrate. Während bei den bis zu drei Jahre alten Fahrzeugen der Anteil von Fahrzeugen mit Mängeln 33,5 Prozent beträgt, liegt dieser Anteil bei den über neun Jahre alten Fahrzeugen bei 71,4 Prozent. Bei den mit Mängeln behafteten Baugruppen stehen Elektrik und Licht an erster Stelle. Die Erklärung dafür ist in der hohen Zahl von Beleuchtungseinrichtungen dieser Fahrzeuge zu finden. Betrachtet man als erheblich eingestufte Mängel, so sind diese am häufigsten bei der Bremsanlage festzustellen. Grundsätzlich steigen die Mängelraten über alle Baugruppen hinweg mit zunehmendem Alter. Neben den Ergebnissen aus dem DEKRA Prüfwesen geben auch die von DEKRA Gutachtern durchgeführten Analysen verunfallter Lkw interessante Aufschlüsse über die Mängel bei schweren Nutzfahrzeugen. Was die Mängelkategorien anbelangt, rangieren an vorderster Stelle die Baugruppen Bremse, Reifen und Lenkung/ Fahrzeugverbindende Teile. Darüber hinaus zeigen sich beim technischen Zustand deutliche Unterschiede zwischen jungen und älteren Lkw. Über alle Altersklassen hinweg wurden in den vergangenen Jahren bei 29 Prozent der nach Verkehrsunfällen untersuchten Lkw Mängel festgestellt. Unter den bis drei Jahre alten Lkw stellten die Gutachter bei 15,2 Prozent Mängel fest. Bei drei bis fünf Jahre alten Lkw liegt der Wert mit 30,2 Prozent schon leicht über dem Durchschnitt, bei den fünf bis sieben Jahre alten Fahrzeugen steigt dieser Wert schon auf 38,5 Prozent an. Bei den sieben bis neun Jahre alten Unfall-Lkw wurden an 46,2 Prozent der Fahrzeuge Mängel festgestellt, bei über neun Jahre alten Fahrzeugen bei 59,1 Prozent.

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