Continental Reifenplatzer sind vermeidbar

Reifenplatzer sind vermeidbar Foto: Dekra, Christian Koch 8 Bilder

Mangelhafte Wartung und eine fehlende Fülldruckkontrolle sind häufig Ursache für schwere Unfälle.

Das zeigt eine Fall, der dem Reifenexperten Christian Koch, Leiter des Dekra-Reifenlabors in München, besonders im Gedächtnis geblieben ist: "Der linke Vorderreifen der Sattelzugmaschine war aufgrund mangelnder Fahrwerkseinstellung und zu geringem Fülldruck derart verschlissen, dass die Gürtelkanten freilagen", berichtet er. "Der Reifen platzte, der Fahrer konnte seinen Sattelzug nicht halten, durchbrach die Mittelleitplanke und geriet auf die Gegenfahrbahn, wo er mit mehreren anderen Fahrzeugen kollidierte."

Reifenwartung und Reifenkontrollsysteme

Dieser tragische Unfall, bei dem mehrere Personen starben, hätte laut Koch bei entsprechender Reifenwartung und durch ein Reifenkontrollsystem (RDKS) verhindert werden können. Letzteres könne seiner Meinung nach Betreiber und Fahrer von Nutzfahrzeugen bei der Aufgabe der Reifenwartung unterstützen und dazu beitragen, dass der Reifen seinen effizienten und vor allem sicheren Beitrag zum Güterverkehr der Zukunft leistet. Wobei ein RDKS laut Koch den Mensch auf keinen Fall aus seiner Verantwortung entlässt. "Denn ein Reifendruckkontrollsystem entlastet weder Fahrer noch Betreiber von der Pflicht, den Reifen regelmäßig zu begutachten."

Reifen stellen die Kraftübertragung auf die Straße sicher

Ein pneumatischer Stahlgürtelreifen ist letztlich nichts anderes eine luftgefüllte, inhomogene, diskontinuierliche Faser-Cord-Gummi-Verbundkonstruktion mit komplex elastisch-plastisch-viskosen Eigenschaften, welche die Kraftübertragung zwischen Fahrzeug und Fahrbahn sicherstellt und deren Betrieb unter mechanischen und thermischen Spannungen und Dehnungen erfolgt.

Sicherlich unterscheidet sich der moderne Reifen heute deutlich von der Ursprungserfindung Robert William Thomsons von vor mehr als 170 Jahren. Seine wesentliche Eigenschaft hat sich jedoch nicht verändert: Er ist pneumatisch. Es ist die komprimierte, unter Druck stehende Luft im Reifeninneren, die den Pneu dazu befähigt, die an ihn gestellten Anforderungen zu erfüllen. Das gilt für alle Luftreifen – von der Schubkarre über den Hochgeschwindigkeitsreifen für Fahrten über 400 km/h bis hin zum Nutzfahrzeugreifen im Schwerlastbereich. Diese eingeschlossene, unter Druck befindliche Luft, ist jedoch auch Fluch und Segen zugleich.

Diffusion ist unvermeidbar

Aufgrund des Druckunterschiedes zu seiner Umwelt ist die Luft im Reifen bestrebt, einen Druckausgleich mit der umgebenden Luft herzustellen. Ein Reifen ist wegen des verwendeten Werkstoffs Gummi jedoch niemals über unendliche Zeit druckdicht. Aufgrund dieser technisch bedingten Diffusion verliert ein Reifen langsam und schleichend Luft. "Daher verwundert es auch nicht, dass die Mehrzahl der bei uns untersuchten Reifenschäden, gleich ob Nutzfahrzeug, Pkw, Motorrad oder ähnliches, auf zu geringen Fülldruck zurückzuführen ist", berichtet der Reifenexperte. "Das gilt sowohl für Reifenschäden durch schlagartigen, als auch durch schleichenden Druckverlust."

Eines haben alle diese Schäden gemeinsam: Durch den fehlenden Reifen-Innendruck wird die Verbundkonstruktion aus Faser-Cord und Gummi nicht mehr unter genügende (Zug-)Spannung gesetzt und der Reifen verliert dadurch seine Form. Die Auswirkungen reichen von ungleichmäßigem Verschleiß im Bereich der Lauffläche, bis hin zu einer kompletten Auflösung des strukturellen Verbundes – und einem damit verbundenen Ausfall des Reifens. "Der sogenannte Reifenplatzer erfolgt damit nicht aufgrund eines vermeintlich zu hohen, sondern zu geringen Innendrucks", erklärt der Reifensachverständige. Aus dieser Erkenntnis heraus ist für Koch der Reifendruck beziehungsweise seine Kontrolle, für einen sicheren und effizienten Betrieb des Reifens unabdingbar ist.

Nutzfahrzeugreifen sollten alle zwei Monate kontrolliert werden

Für die Betreiber von Nutzfahrzeugen, aber natürlich auch für jeden Privatfahrer, sollte eine regelmäßige Kontrolle des Fülldrucks selbstverständlich sein. Während für Pkw eine regelmäßige Kontrolle in einem zeitlichen Abstand von zwei bis vier Wochen empfohlen ist, wird für Nutzfahrzeugreifen im Allgemeinen ein Wartungsintervall von zwei bis maximal drei Monaten als angemessen angesehen. Grund dafür ist laut Koch, dass Nutzfahrzeugreifen technisch für deutlich höhere Lasten ausgelegt sind.

Reifen verlieren jedoch nicht nur durch die unvermeidliche Diffusion der Druckluft ihren Innendruck sondern auch durch einen Kontakt mit Fremdkörpern. Neben dem schon sprichwörtlichen Nagel sind hier vor allem Schädigungen in Abhängigkeit der Einsatzbedingungen zu beachten. Dazu gehören zum Beispiel Baustellenfahrzeuge, bei denen sich Steine in der Profilierung festsetzen. Aber auch Kommunalfahrzeuge, deren Reifen aufgrund des oftmals unvermeidbaren Kontakts mit Bordsteinkanten stark abgenutzt werden – selbst wenn sie seitlich verstärkt sind.

Lkw-Reifen müssen sich besonderen Herausforderungen stellen

"Auch Fernverkehr-Lkw, die mit einem hohen Lastenschwerpunkt unterwegs sind, stellen für Reifen eine besondere Herausforderung dar", berichtet der Reifenfachmann. Dies sei zum Beispiel beim Transport von Bauteilen für den Automotiv-Bereich der Fall, bei denen mehrere Gitterboxen übereinander gestapelt werden. Bei diesen Fahrzeugen entstünde durch die Wank-Bewegung etwa in Kurven ein ungleicher Reifenabrieb. "Damit ist bei einer regelmäßigen Reifendruckkontrolle eine Begutachtung des Reifens hinsichtlich Schäden und Abfahrbild unbedingt Pflicht", erklärt Koch.

Weitere Auswirkungen von zu geringen Reifenfülldruck reichen seiner Erfahrung nach von schnellem beziehungsweise ungleichmäßigem Verschleiß, über Schädigung des strukturellen Aufbaus, sodass eine Runderneuerung eingeschränkt, wenn nicht gar ausgeschlossen ist – bis hin zu Reifenpannen. Letzteres verursacht bei Speditionen dann Standzeiten mit den entsprechend einhergehenden Kosten. Oder eben im schlimmsten Fall einen Unfall mit noch viel weitreicherenden Folgen.

Mehr zu der Funktion und dem Einbau eines Reifendruckkontrollsystems (RDKS) erfahren Sie in diesem Video.

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