Conti Service Check 2017 Beginn der digitalen Wende

Foto: Mercedes-Benz Trucks

Michael Kimmich, Leiter des Mercedes-Kundendiensts Medium Duty Trucks, über den Service der Zukunft

Herr Kimmich, wie schätzen Sie die Potenziale digitaler Angebote ein?

Die Potenziale sind sehr groß, denn mittels eines digi­talen Angebots können zum einen die vielfältigen Herausforderungen der Logistikbranche gelöst, zum anderen aber auch ungeplante Ausfälle oder Standzeiten der Lkw weiter reduziert werden. Konnektivität ist seit 2013 fester Bestandteil unserer Unternehmensstrategie. In den nächsten fünf Jahren investieren wir rund eine halbe Milliarde Euro in die Vernetzung der Lkw und die Schaffung zugehöriger Dienstleistungen und digitaler Lösungen. Dieses Investment spiegelt auch die großen Potenziale digitaler Angebote für den Lkw und die Logistikbranche wider.

Welche Angebote hat Mercedes-Benz Trucks im Bereich Service und Ersatzteile?

Im Bereich Services von Mercedes-Benz Lkw bieten wir unseren Kunden bereits heute ein vielfältiges digitales Angebot vom Digitalen Service Booklet bis hin zu Mercedes-Benz Uptime.Als erster Lkw-Hersteller führten wir im vergangenen Jahr in 30 europäischen Märkten das Digitale Service Booklet ein. Es ersetzt die klassischen Servicehefteinträge auf Papier und ermöglicht eine lückenlose Online-Dokumentation aller durchgeführten Arbeiten hinsichtlich Wartung, Karosserie und Aggregate.

Mit Mercedes-Benz Uptime, das wir vergangene IAA vorgestellt haben, machen wir die Digitalisierung bei Trucks greifbar. Dabei überprüft das neue Konnektivitätsmodul Truck Data Center fortlaufend in Echtzeit den Status der Fahrzeugsysteme, ermöglicht ein frühzeitiges Erkennen von kritischen Zuständen, ordnet konkrete Handlungsempfehlungen zu und kann Liegenbleiber verhindern, bevor sie entstehen.

Denn im Falle eines drohenden Liegenbleibers informieren wir den Kunden telefonisch und unterstützen bei der Organisation des Werkstatttermins, der optimal auf die Fahrzeugroute und den Transportauftrag abgestimmt ist. Dabei klären wir vorab auch die Verfügbarkeit der notwendigen Ressourcen in der Werkstatt, um eine sofortige Reparatur zu ermöglichen.

Darüber hinaus bündeln wir durch Uptime anstehende Wartungs- und Reparaturbedarfe und übermitteln dem Kunden im Uptime-Kundenportal anstehende Instandsetzungsmaßnahmen, die leicht selbst durchgeführt werden können, damit kleine Nachlässigkeiten dauerhaft nicht zu größeren Reparaturen werden.

Welche Vorteile hat ein Flottenkunde durch das digitale Angebot?

Heute stehen Lkw zu rund 50 Prozent ihrer Zeit - beispielsweise beim Be- oder Entladen, beim Zoll oder während der Ruhezeiten der Fahrer. Aber auch Werkstattaufenthalte bedeuten für Lkw-Kunden in der Regel den Verlust wertvoller Transportzeit. Schließlich verdient ein Unternehmen mit einem Lkw nur Geld, wenn dieser rollt. Durch digitale Angebote können die Standzeiten bereits heute verringert werden.

Wenn wir das Digitale Service Booklet als Beispiel nehmen, können durch die unmittelbare und umfassende Datentransparenz  bei der Auftragsannahme in der Werkstatt sowie der Arbeitsplanung von Reparatur, Wartung, Emissions- oder Sicherheitsinspektionen Werkstattaufenthalte verkürzt werden.

Mit dem digitalen Dienst Mercedes-Benz Uptime werden Werkstattaufenthalte auf ein Minimum reduziert, wenn beispielsweise eine Reparatur mit einer in naher Zukunft anstehenden Zeitwartung kombiniert wird. Der Lkw muss nicht zweimal in die Werkstatt!

Lassen Sie mich noch einen Schritt weitergehen: Mit Uptime erkennen wir drohende Liegenbleiber, bevor diese entstehen. Dadurch kann dem Kunden massiv organisatorischer Stress genommen und Kosten verhindert werden, die im Falle eines Liegenbleibers entstehen. Schließlich muss der Frachtauftrag weiter organsiert werden, ein Ersatzfahrzeug besorgt werden, Abschleppkosten entstehen, eine Werkstatt muss gesucht werden, die Lenkzeit des Fahrer könnte abgelaufen sein, et cetera. Mit Mercedes-Benz Uptime nehmen wir dem Kunden das Werkstattmangement ab, er kann sich auf seine eigentliche Aufgabe konzentrieren.

Wie verhält sich die Kundennachfrage nach diesen Lösungen?

Unsere Kunden stehen digitalen Angeboten sehr aufgeschlossen gegenüber, wenn sie einen messbaren Mehrwert liefern. Diesen bieten wir mit unseren Diensten an und können uns über eine äußert positive Kundennachfrage freuen.

Ein zusätzliches Service-Angebot ist auf den ersten Blick immer mit höheren Kosten verbunden. Wann rechnen sich diese Angebote für den Flottenbetreiber?

Digitale Serviceangebote sind nicht unbedingt mit höheren Kosten verbunden. Das Digitale Service Booklet bieten wir beispielsweise kostenfrei für Kunden der Mercedes-Benz Lkw Baureihen Actros, Antos, Arocs, Atego und Econic.

Mercedes-Benz Uptime wiederum ist preislich sehr attraktiv positioniert. Uptime ist bereits ab elf Euro pro Monat und Fahrzeug in Verbindung mit einem Servicevertrag Complete erhältlich.

Mit unseren aktuellen Angeboten verringern wir die Standzeiten der Fahrzeuge, so dass sich diese bereits von Anfang an rechnen. Sollte ein Lkw zu einem Liegenbleiber werden, kann dies den Transportunternehmer schnell einen Betrag im vierstellen Bereich kosten – ganz abgesehen von drohenden Konventionalstrafen. Und grundsätzlich ist jede vermiedene Standzeit bares Geld für die Transportunternehmen.

Lassen sich durch die „neue Technik“ auch Standzeiten und Wartungsintervalle optimieren? Wenn ja, wie?

Durch Mercedes-Benz Uptime beispielsweise wird ein frühzeitig erkannter Wartungs- und Reparaturbedarf automatisch an den vom Kunden ausgewählten Mercedes-Benz Servicepartner übermittelt. Der persönliche Kundenbetreuer bündelt die anstehenden Wartungs- und Reparaturarbeiten und kontaktiert den Kunden proaktiv mit einem Terminvorschlag. Durch die Transparenz über den Zustand der Fahrzeuge wird die Werkstatt bestens auf den Termin vorbereitet und kann die notwendigen Teile frühzeitig bestellen, Werkstattkapazitäten vorsehen sowie den Reparaturauftrag schreiben.

Kann durch ein präventiver Flottenservice die Standzeit von Fahrzeugen wirklich reduziert werden? Wenn ja, welche Rolle spielt die Digitalisierung dabei?

Die Digitalisierung ist die Grundvoraussetzung für präventive Systeme wie Mercedes-Benz Uptime. Die Schlüsselrolle für Mercedes-Benz Uptime spielt das neue Konnektivitätsmodul Truck Data Center. Jeder neue Actros ist standardmäßig mit dem A5-großen Modul ausgestattet, das fortlaufend den Status der Fahrzeugsysteme überprüft, die mit Sensoren ausgestattet sind. Deutet sich ein Reparatur- oder Wartungsbedarf an, überträgt das Truck Data Center diese über Fleetboard an die Server des Mercedes-Benz Service. Der Server analysiert die Daten anhand der hinterlegten Algorithmen, erzeugt die genaue Interpretation der Fehler und überträgt sie zusammen mit konkreten Handlungsempfehlungen – je nach Dringlichkeit – an das Customer Assistance Center, den ausgewählten Mercedes-Benz Servicepartner oder ins Kundenportal. Die Algorithmen und Handlungsempfehlungen stammen von einem Expertenteam aus dem Werk Wörth, der Interpretation und Zuordnung geschieht vollautomatisch.

Wenn die Zukunft der Logistik digital ist, wo stehen wir dann ihrer Meinung nach in den kommenden zehn bis fünfzehn Jahren?

Das Ziel ist „Seamless Transportation“, der nahtlose Logistikprozess. Der Lkw nimmt dabei die Rolle des mobilen Daten-Zentrums ein, der das Netzwerk mit Echtzeit-Daten versorgt.

Auf Service-Seite ist es denkbar, die digitalen Dienste auch auf Auflieger und Aufbauten zu erweitern. Auch die Übertragung von Daten in umgekehrter Richtung liegt nahe. So wird künftig auch Software in den Lkw übertragbar sein – bereits heute der Wunsch vieler Kunden. Dabei kann es sich um Remote-Software-Reparaturen und Software-Aktualisierungen für individuelle Fahrzeugeinstellungen handeln. Viele Reparaturen, die heute in der Werkstatt erfolgen, können dann „over the air“, durch das Aufspielen einer neuen Software vorgenommen werden.

Ebenso kann die Übertragung in den Lkw erfolgen, um dessen Technik und den Umgang damit weiter zu optimieren. Zum Beispiel durch die Sperrung oder einer Freigabe definierter Fahrprogramme. Dies kann mit Geofencing verbunden sein, etwa mit der Freigabe eines Power-Modus, also einer höheren Leistungs- und Drehmomentstufe vor eine Alpenüberquerung, der nach Abschluss des erschwerten Streckenteils automatisch wieder gesperrt wird. Damit wäre eine streckengebundene Individualisierung von Top-Torque möglich, das heute bereits bei bestimmten Motoren im höchsten Gang ein zusätzliches Drehmoment von 200 Newtonmeter freigibt.

Zur Person:

Michael Kimmich, geb. am 13. August 1969, leitet die Abteilung Technischer Kundendienst Medium Duty Trucks & Diagnose Mercedes-Benz Trucks. Nach zwei abgeschlossenen Ausbildungen als Kraftfahrzeugmechaniker und Bürokaufmann bei einer Mercedes-Benz Vertragswerkstatt trat Kimmich 1991 als Versuchsmechaniker in der Nutzfahrzeugentwicklung in die damalige Mercedes-Benz AG ein. Berufsbegleitend absolvierte er die Meisterprüfung der Kraftfahrzeugtechnik sowie ein Studium zum Betriebswirt.

Ab 1999 arbeitete Kimmich als Technischer Sachbearbeiter in der Nutzfahrzeug-entwicklung. Anschließend übernahm er unter anderem Teamleiterfunktionen im Bereich Nutzfahrzeugentwicklung Mechatronik und im Sonderfahrzeugbereich in der Applikationsentwicklung für Sonderfahrgestelle und Komponentensätze.

Von Oktober 2013 bis August 2016 leitete Kimmich das Team Telediagnose im Bereich Customer Services & Parts (CSP) im Werk Wörth. In dieser Funktion baute er ein Telediagnose Pilotsystem auf und verantwortete das Teilprojekt „Technik“ im Projekt „Mercedes-Benz Uptime“. Seit September 2016 ist Michael Kimmich Leiter des technischen Kundendiensts Medium Duty Trucks & Diagnose Mercedes-Benz Trucks im Werk Wörth.

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